Akkreditierungsverfahren für Studiengänge verfassungswidrig

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. März 2016 (BvL 8/10) ist das derzeitige Akkreditierungsverfahren für Studiengänge an deutschen Hochschulen verfassungswidrig.

In seinen Leitsätzen fasste das Gericht die Grundsätze für seinen Beschluss folgendermaßen zusammen:

„Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) steht zwar Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegen. Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung darf der Gesetzgeber jedoch nicht weitgehend anderen Akteuren überlassen, sondern muss sie unter Beachtung der Eigenrationalität der Wissenschaft selbst treffen“

Konkret fehlt es laut dem Beschluss an einer ausreichenden gesetzlichen Regelung für das Akkreditierungsverfahren. Die bisherigen gesetzlichen Grundlagen im Hochschulgesetz des Landes NRW (HG NRW) und dem Akkreditierungsstiftungsgesetz (AkkStiftG) treffen nur rudimentäre Regelungen. Wesentliche Bestimmungen erlässt die für alle Bundesländer zuständige und nach nordrhein-westfälischem Landesrecht errichtete „Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland“ durch Satzung und Vereinbarungen selbst. Dies ist jedoch mit der im Grundgesetz (GG) festgelegten Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Artikel 5 Absatz 3 GG), sowie mit dem Demokratiegebot und Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG) nicht vereinbar.

Der Begriff „Akkreditierung“ kommt aus dem Lateinischen (accredere) und bedeutet übersetzt „Glauben schenken“. Damit wird unter anderem im Hochschulwesen ein rechtlicher Vorgang bezeichnet, bei dem eine allgemein anerkannte Instanz einer anderen das Erfüllen der notwendigen Eigenschaften bzw. Voraussetzungen bescheinigt.

Wie kam es zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes?

Die Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland bzw. der Akkreditierungsrat als ihr Organ entscheidet über die Akkreditierung bzw. Reakkreditierung von Akkreditierungsagenturen (Agenturen), welche über die Akkreditierung von Studiengängen an staatlichen und privaten Hochschulen entscheiden. Dabei legt die Stiftung die Mindestvoraussetzungen für die Akkreditierung von Studiengängen fest und überwacht das Akkreditierungsverfahren der Agenturen. So dürfen private Hochschulen nur als solche staatlich anerkannt werden, wenn sie mehrere Studiengänge erfolgreich akkreditiert haben. Bieten private Hochschulen nicht akkreditierte Studiengänge an, verhalten sie sich ordnungswidrig und können ihre staatliche Anerkennung verlieren.

Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts liegt ein konkretes Verfahren vom Verwaltungsgericht Arnsberg zugrunde. Klägerin dieses Ausgangsverfahrens ist eine private Fachhochschule. Sie wurde 2005 gegründet und staatlich anerkannt. Im September 2005 nahm die Fachhochschule den Lehrbetrieb im Präsenz- und im Fernstudiengang Logistik mit Bachelorabschluss auf. Im März 2007 beauftragte die Fachhochschule eine Agentur mit der Akkreditierung des Logistik-Studienganges. Diese wurde von der beauftragten Agentur im April 2008 abgelehnt, mit der Folge, dass das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung in NRW im Mai 2008 die Aufnahme von Studierenden in diesem Studiengang untersagte. Dagegen klagte die private Fachhochschule vor dem Arnsberger Verwaltungsgericht. Das Gericht hatte Zweifel daran, dass die derzeitigen Regelungen zum Akkreditierungsverfahren mit dem Grundgesetz vereinbar seien und setzte das Verfahren aus, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Zwar hatte sich das ursprüngliche Verfahren zwischenzeitlich erledigt, doch es bestand ein weiterführendes Interesse daran, die angezweifelte Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. So fasste das BVerfG am 17. März 2016 seinen bereits zu Anfang vorgestellten Beschluss.

Was bedeutet das Urteil im Detail?

Zwar dürfe der Gesetzgeber Agenturen mit entsprechenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben zur Akkreditierung von Studiengängen vorsehen, doch muss er wesentlichen Regelungen zur Organisation und zum Verfahren selbst festlegen. Bei der Akkreditierung von Studiengängen kommt es zu einer Einschränkung des Grundrechts auf Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Solche Einschränkungen sind zwar in einem angemessenen Rahmen zulässig und auch notwendig, dürfen jedoch wegen eines im Grundgesetz normierten Gesetzesvorbehaltes nur aufgrund eines formellen Parlamentsgesetzes erfolgen. Umso weitgehender der Grundrechtseingriff ist, umso größer sind die Anforderungen an einer gesetzlichen Regelung. Das bisherige Verfahren, nach dem die Stiftung für die Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland durch eigene Befugnisse wesentliche Regelung selbst trifft, ist mit dem Demokratiegebot und dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar und daher verfassungswidrig.

Da eine neue gesetzliche Regelung eine Abstimmung mit allen Bundesländern erfordert, hat das Verfassungsgericht eine Frist bis zum 31. Dezember 2017 festgelegt, bis wann eine gesetzliche Neuregelung stehen muss. Bis dahin wird die verfassungswidrige Regelung weiterhin gelten, da ansonsten ein rechtliches Vakuum entstehen würde.

Fazit

Das bisherige Akkreditierungsverfahren für Studiengänge an deutschen Hochschulen ist verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss nun eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung treffen, die wesentliche Bestimmungen zur Organisation und zum Verfahren für die Akkreditierung festlegen. Natürlich kann der Gesetzgeber an der bisherigen Organisation festhalten, nach dem die Stiftung für die Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland und von ihr akkreditierte Agenturen für das Akkreditierungsverfahren zuständig bleiben. Allerdings werden sich diese Einrichtungen spätestens ab 2018 an konkrete gesetzliche Bestimmungen zu halten haben, die die heute geltenden Befugnisse erheblich einschränken werden. Die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre stellt hohe Anforderungen an ein Akkreditierungsgesetz: Nicht nur, dass wesentlichen Bestimmungen im Gesetz selbst geregelt sein müssen. Die Träger (u.a. Hochschullehrerinnen und –lehrer) der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre müssen auch angemessen an einem Akkreditierungsverfahren beteiligt werden. »schwarz«

Gastautor: Andreas Schwarz – »schwarz«

Foto: Andreas Schwarz

Andreas Schwarz hat Physik (mit Schwerpunkt Astrophysik) an der Bergischen Universität Wuppertal studiert. Während seiner Studienzeit war er neben anderen Tätigkeiten in der Selbstverwaltung der Hochschule und der Studierendenschaft Mitglied des Studierendenparlaments (StuPa) sowie Referent für Hochschulrecht und Mitglied im Vorsitz des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Als Referent für Hochschulrecht war er für die rechtliche Organisation der Studierendenschaft und der Fachschaften sowie für deren Satzungen und Ordnungen verantwortlich. Auch an den Neufassungen der Satzung und der Wahlordnung der Studierendenschaft hat er maßgeblich mitgewirkt. Heute schreibt er unter anderem für das deutschsprachige makedonische Nachrichtenportal „Pelagon“ (www.pelagon.de) und engagiert sich für eine Lösung im sogenannten Namensstreit zwischen Griechenland und Makedonien. Grundlegende Arbeitsschwerpunkte sind hierbei die „Internationalen Beziehungen“ und das „Völkerrecht“.

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