Zu wenig Perspektive trotz Perspektivkader

Jacqueline Schwarzschulz studiert Sportwissenschaft an der BUW. Im Kindesalter war die Düsseldorferin in der rhythmischen Sportgymnastik aktiv und hat es sogar in den Bundeskader des Deutschen Turner-Bundes geschafft. Doch sie entschied sich kurz darauf gegen ihren Sport. Der Zeitaufwand war groß und die Schule war ihr doch wichtiger. Heute ist die 21-Jährige als Trainerin und Kampfrichterin tätig.

Hendrik: Wie alt warst du, als du mit der rhythmischen Sportgymnastik begonnen hast?

Jacqueline: Ich habe erst Ballett gemacht und habe dann mit sieben Jahren mit rhythmischer Sportgymnastik begonnen. Das ist eigentlich ziemlich alt für die Sportart. Denn am besten ist es, im Alter von vier oder fünf Jahren einzusteigen, um die benötigte Beweglichkeit aufzubauen. Man spezialisiert sich auch sehr früh und mit Mitte 20 ist dann oft Schluss.

Hendrik: Was ist besonders schwierig bei der Sportart?

Jacqueline: Sie ist sehr vielseitig. Man braucht viel Ausdauer und macht nebenbei auch Balletteinheiten, Kraft- und Beweglichkeitstraining. Außerdem braucht man genügend Durchhaltevermögen, um die Schmerzen, die bei vielen Dehnübungen hervorgerufen werden, aushalten zu können. Gleichzeitig muss man ehrgeizig sein, da auch viel Druck von den Trainern ausgeht. Disziplin ist somit enorm wichtig.

Figur in der rhythmischen Sportgymnastik © Schwarzschulz

Hendrik: Wie hart muss man trainieren, um Erfolge einzufahren?

Jacqueline: Anfangs habe ich dreimal in der Woche drei bis vier Stunden trainiert. Mit zehn Jahren dann fast jeden Tag, insgesamt sechsmal in der Woche. Vier Stunden nahm das Training an den Tagen unter der Woche in Anspruch. Am Samstag und am Sonntag dann nochmal sieben Stunden. Das ist schon viel Aufwand und ich musste zum Training auch noch eine Weile fahren, denn die Halle von unserem Verein war damals nicht optimal zum Trainieren. Heute steht eine neugebaute Halle zur Verfügung, die auch besser ausgestattet ist. Manchmal musste ich nach Bochum oder Leverkusen ausweichen. Das war neben der Schule schon sehr stressig.

Hendrik: Scheitern daran auch viele, die sich vielleicht überschätzen?

Jacqueline: Ja, nur Wenige halten den Sport bis zu großen Wettkämpfen durch. Rhythmische Sportgymnastik zählt zu den Randsportarten, der Druck ist aber trotzdem enorm hoch. Nur wenige Sportlerinnen erreichen das Alter, um in die Nationalmannschaft zu gelangen. Aktuell gibt es zwei Gymnastinnen, die gut sind. Die sind 16 Jahre alt.

Hendrik: Ist die rhythmische Sportgymnastik dann überhaupt für Hobbysportler geeignet?

Jacqueline: Es gibt das Angebot auch im Breitensport. Da ist es eine Verbindung zwischen turnerischen Elementen, Ballett und Tanz. Bei mir im Verein studieren die Mädchen Choreographien ein, die als Show-Einlagen bei Wettkämpfen dienen. Das Niveau zum professionellen Sport ist dabei aber auch stark reduziert. Die Beweglichkeit wird hauptsächlich auf die Beine konzentriert. Die fünf Geräte Band, Ball, Reifen, Seil und Keule kommen aber auch zum Einsatz. Außerdem haben wir auch eine abgeschwächte Leistungsgruppe, die in einer eigenen Wettkampfklasse antritt.

Hendrik: Du hast es in den Bundeskader und auch in den Perspektiv-Kader für Olympia 2008 und 2012 geschafft. Dann hast du aufgehört. Was waren die Gründe?

Jacqueline: Ich war mit 13 Jahren schon weit gekommen. Im Perspektiv-Kader sind nur die besten aus Deutschland gewesen. Meine Leistungen haben dafür gereicht. Es wäre bestimmt cool gewesen, bei den olympischen Spielen dabei zu sein. Ich wäre nicht abgeneigt gewesen. Aber ich habe mir die Ziele zunächst kleiner gesetzt und mich auf die deutschen Meisterschaften konzentriert. Ein Jahr später, 2004, habe ich gemerkt, wie groß der Zeitaufwand ist. Zu der Zeit hatte ich gemeinsam mit einer Partnerin nur noch Privattraining bei einer sehr guten Trainerin. Ich wollte den Sport immer mit der Schule vereinbaren, die war auch wichtiger. Das wurde zunehmend schwieriger. Mir war darüber hinaus klar, dass man in Deutschland nicht viel mit Erfolgen in der rhythmischen Sportgymnastik erreichen kann.

Hendrik: Als Trainerin bist du dem Sport heute immer noch verbunden. Welche Aufgaben hast du beim SSV Düsseldorf-Knittkuhl?

Jacqueline: Ich trainiere drei Gruppen. Die ganz Kleinen, das ist quasi Talentförderung, so ab vier Jahren. In einer anderen Gruppe baue ich die Grundkenntnisse aus und die dritte Gruppe bereite ich auf die abgeschwächten Wettkämpfe vor. Durch die Tochter unserer Vereinskoordinatorin bin ich zum Sport zurückgelangt und habe meinen Übungsleiterschein gemacht. Dazu bin ich noch Kampfrichterin. Letztens habe ich zum Beispiel beim RTB-Cup gewertet.

Hendrik: Bist du manchmal ein bisschen traurig, dass du aufgehört hast, wenn du das Training leitest?

Jacqueline: Man trauert immer mal nach, es war einfach mein Sport. Beim Training habe ich meine Emotionen eigentlich im Griff. Bei Wettkämpfen kommen dann Erinnerungen an meine eigene aktive Zeit. Es ist schön zu sehen, wie die Kinder ihre Übungen machen. Da denke ich mir manchmal: hätte ich es doch mal durchgezogen. Gleichzeitig ist mir natürlich bewusst, wie anstrengend das alles ist.
Rückblickend bin ich froh, wie es gelaufen ist. Ich habe nach dem Ausstieg wieder mit dem Ballett weitergemacht und dort an Wettkämpfen teilgenommen. Im Moment versuche ich mich aber nochmal an der Sportgymnastik in einer Art Show-Gruppe. Ich liebe den Sport immer noch und manchmal kribbelt es einfach. »hst«

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