Die Grenzen zwischen dem Warten und der Hoffnung

Becketts „Warten auf Godot“ beim Schauspiel Wuppertal aufgeführt

„Lass uns gehen!“
„Wir können nicht.“
„Warum nicht?“
„Wir warten auf Godot!“
„Achja!“

Jeder kennt es, das Warten. Da ist die erhoffte Uni-Zulassung oder die Klausurergebnisse. Warten auf das Gesundwerden oder die große Liebe.
Warten. Warten auf eine Absolution. Warten auf Sinnhaftigkeit. Warten auf etwas, von dem wir nicht wissen, wann es uns (endlich) widerfährt und ob es überhaupt geschehen wird. Wann dürfen wir aufhören zu warten und wann sind wir damit glücklich? Solche und andere Fragen wurden auch am vergangenen Samstagabend im Theater am Engelsgarten gestellt, als die Wuppertaler Bühnen das zeitlose Meisterwerk „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett aufführten. Ob diese Fragen beantwortet werden konnten, wird jeder für sich selbst entscheiden müssen. Berührend und einzigartig war es allemal.

Vom Nachdenklichen zum Irrwitzigen – eine bunte Mischung der Gefühle

Nicht nur das gewohnt herausragende Schauspiel des Wuppertaler Ensembles, auch das Bühnenbild von Michael Lindner versetzte das Publikum in Erstaunen. Aus der ehemaligen Drehbühne wurde ein knöcheltiefes Wasserbecken, im Hintergrund ragte ein gigantischer Fels heraus.
Als die Lichter verlöschen und Nebel auf der Wasserbühne aufsteigt, zieht der Geruch von Wasser und ein wenig Chlor in die Nase, das Gefühl aus einer Mischung von Frische und Melancholie kommt auf. Schon nach den ersten fünf Minuten des Dialoges zwischen Wladimir – verkörpert von Stefan Walz – und Estragon-alias Alexander Peiler – ist das Publikum gefangen. Abrupte Stimmungswechsel, irrwitzige, nahezu skurrile Konversationen und noch bizarrere Situationen kommen auf und stellen zwischendurch ganz unterbewusst die Frage: Wo ist da der Sinn? Doch ohne zu langweilen ist gerade die Sinnlosigkeit und der Umgang damit der Hintergrund des Stücks.

Was genau ist eigentlich unser Ziel?

Pozzo und sein Diener Lucky bieten den Wartenden willkomene Ablenkung © Claudia Kempf

Wo fangen wir an zu warten und wann hören wir auf zu hoffen? Das Stück, kurz nach dem zweiten Weltkrieg zwischen 1948 und 1949 geschrieben und 1953 in Paris uraufgeführt, zeigt die Zeit des Wartens, ja den Zeitvertreib, den die zwei Hauptdarsteller mal gewitzt, mal über das Leben philosophierend, verbringen. Frei nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“, nur das hier das Ziel kaum fassbar ist und der Weg auch keine Erlösung bringt. Da sind die zwei Vorbeireisenden Pozzo und dessen Diener Lucky, deren Verhältnis stark an Diderot’s „Jacques der Fatalist und sein Herr“ erinnert, ebenfalls nur zeitweise eine willkommene Ablenkung.

Erfolg auf ganzer Linie – und das seit Jahren

Dass das Stück in zwei Akten bis heute zu einem der wichtigsten Theaterwerke des 20. Jahrhunderts gehört, ist kaum verwunderlich, weist es doch immer noch enorme Aktualität und sensationellen Erfolg – übersetzt wurde es in über 20 Sprachen – auf, und das auch in Wuppertal. Ein voller Theatersaal und begeisterter Beifall belohnten die Schauspieler mit vollem Recht.
Am Ende kennt es jeder von uns. Warten und hoffen, auf etwas, von dem wir nicht sicher sein können, dass es geschieht? Wer Godot ist, wird nicht aufgelöst und Kant‘s berühmte Frage „Was können wir hoffen?“, kann in diesem Werk lediglich mit einem simplen „Nichts!“ beantwortet werden. Bleibt nur eines zu tun: Hoffen, dass dem nicht so ist.

Weitere Aufführungen in diesem Monat von „Warten auf Godot“ im Theater am Engelsgarten finden an folgenden Terminen statt.

  • Donnerstag, 18.5. um 19:30 Uhr
  • Samstag, 27.5. um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 28.5. um 18:00 Uhr

Das Stück läuft bis Ende Juni, Karten sind erhältlich unter www.schauspiel-wuppertal.de oder unter 0202/563 7666. Für Studierende der Bergischen Universität Wuppertal gilt die kostenfreie Bühnenflatrate, die frühestens zehn Tage vor der Vorstellung für das gewünschte Stück gebucht werden muss. »lyh«

Titelbild: Kommen und Gehen der zwei Freunde Wladimir und Estragon © Claudia Kempf

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