Kinderhospiz Burgholz in Wuppertal: „Nirgendwo wird so viel gelebt, wie in einem Hospiz“

Seit 2015 stehen im Bergischen Kinder- und Jugendhospiz Burgholz zehn Betten für Kinder und Jugendliche bis 27 Jahren, die mit einer lebensverkürzenden Erkrankung leben, bereit. Mit fast acht Jahren gehört die Einrichtung zu den jüngeren dieser Art. Deutschlandweit existieren 17 Kinderhospize, davon vier in Nordrhein-Westfalen.

Alle Kinder dürfen eine Baumscheibe nach ihren eigenen Wünschen gestalten. - Foto: Burgholz

Kerstin Wülfing, Hospizleitung, Kinderkrankenschwester und Fachschwester für pädiatrische Palliativ Care, begleitet das Kinderhospiz Burgholz bereits seit seiner Gründungsphase im Jahr 2014. blickfeld hat mit ihr über die Situation der Einrichtung, ihr Selbstverständnis und ihre Aufgaben sowie die Möglichkeit gesprochen, wie Privatmenschen, Unternehmen und weitere Institutionen die Hospizarbeit unterstützen können.

blickfeld: „Hallo Frau Wülfing, wie gestalten sich die Aufgaben in einem Kinderhospiz?“

Wülfing: „Wir begleiten Kinder und Jugendliche, bei denen eine lebensverkürzende Erkrankung festgestellt wurde, vom Zeitpunkt der Diagnose bis in die allerletzte Phase. Darüber hinaus bieten wir ihren Familien Entlastung und auch Unterstützung über den Tod hinaus an.

Die Diagnose einer schwerwiegenden Erkrankung stellt das gesamte Leben auf den Kopf. Der Alltag verändert sich, wird von vielen Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten geprägt und führt zu neuen Herausforderungen in der Familie, was insbesondere die Pflege und Betreuung von erkrankten Kindern und jungen Menschen betrifft. Auch ist die psychologische Belastung hoch, denn Eltern realisieren in dieser Zeit, dass ihr Kind wahrscheinlich nie erwachsen wird. Deshalb unterstützen wir Familien auf medizinischer und psycho-sozialer Ebene ab dem ersten Tag.“

Im Kinderhospiz Burgholz entstehen neue Freundschaften

blickfeld: „Welche Unterstützung bietet die Einrichtung und das Team vor Ort?“

Wülfing: „Nicht alle Kinder kommen in ihrer letzten Lebensphase in unsere Einrichtung. Oftmals geht es darum, Kinder, Familie und Umfeld zu entlasten — die Möglichkeit zu geben, durchzuatmen. Unsere Einrichtung hält hierzu Elternappartments vor, sodass die gesamte Familie, wozu natürlich auch Geschwister gehören, von unserem interdisziplinären Team bestehend aus Pflegepersonal, Fachärzten, Therapeuten, Pädagogen und Trauerbegleitern unterstützt werden kann.

Dabei steht die Gemeinschaft im Fokus, denn alle Familien hier teilen ein Schicksal. Sie lernen sich beim Essen an unserer großen Tafel oder während anderer Aktivitäten kennen und können sich austauschen, ohne sich erklären zu müssen. In diesem Rahmen entstehen Freundschaften, die auch abseits unserer Einrichtung fortbestehen oder für die das Kinder- und Jugendhospiz Burgholz ein zentraler Treffpunkt wird. So haben wir beispielsweise seit rund sechs Jahren eine Vätergruppe, die sich einmal im Jahr gemeinsam mit ihren Kindern hier bei uns trifft und sich auch zum Teil gegenseitig besuchen. Dafür werden auch lange Anfahrten investiert. Viele bleiben ebenfalls über den Tod ihrer Kinder hinaus in Kontakt und nutzen unseren Garten als Platz der Erinnerungen und Gedenken.“

Kerstin Wülfing, Hospizleitung, Kinderkrankenschwester und Fachschwester für pädiatrische Palliativ Care – Foto: Kinderhospiz Burgholz

„Die Hauptsache ist, dass wir Zeit miteinander verbringen“

blickfeld: „Was macht das Bergische Kinder- und Jugendhospiz Burgholz und seinen Standort besonders?

Wülfing: „Unsere Einrichtung befindet sich im Landschaftsschutzgebiet. Wir liegen mitten in der Natur, also in einem entspannenden Umfeld, was viele Freizeitmöglichkeiten bietet. Wir schaffen hier eine lebensfrohe Atmosphäre, in der es um schöne Momente, Erlebnisse und Erinnerungen geht. Nirgendwo wird so viel gelebt wie in einem Hospiz. Jeder Tag wird bewusst angegangen — nicht mit der Frage, was nicht geht, sondern mit der Frage: ‚Was geht heute alles?‘ Ist das Wetter regnerisch, werden im Kaminzimmer Geschichten gelesen. Die Hauptsache ist, dass wir Zeit miteinander verbringen. Das ist auch das, was sich viele wünschen: Es gibt eher selten bestimmte ‚letzte Wünsche‘. Alle möchten noch mal ganz viel Zeit mit Eltern, Geschwistern und Freunden verbringen.

Der Tod ist dabei kein Tabu-Thema. Im Gegenteil: Ihn zu verstehen und zu akzeptieren ist die größte Aufgabe beim Trauern, weswegen es wichtig ist, über ihn zu sprechen. Wenn ein Kind gegangen ist, unabhängig davon, ob im Hospiz oder zu Hause, gedenken wir gemeinsam dem Menschen, etwa mit Ritualen, wie dem Anzünden einer Kerze im Eingangsbereich.

Eine schöne Tradition in unserem Haus sind die Baumscheiben. Alle Kinder, die bei uns zu Gast waren, dürfen eine nach ihren eigenen Wünschen gestalten. Gemeinsam ergeben sie mittlerweile eine riesengroße bunte Wand voller individueller Geschichten und sind zugleich Erinnerungsstücke für die Familien.“

Außenareal des Kinderhospiz – Foto: Kinderhospiz Burgholz

Hohe Nachfrage, aber zu wenig Personal im Kinderhospiz Burgholz

blickfeld: „Wie hoch ist die Nachfrage nach einem Platz im Kinderhospiz und wie gestaltet sich die personelle Situation in Ihrer Einrichtung?“

Wülfing: „Die Anfragen werden kontinuierlich mehr, weil die Versorgung zu Hause immer schwieriger wird. So springen Pflegedienste häufiger ab, weil die Aufgaben anspruchsvoller und der Personalnotstand immer höher werden. Davon sind wir als Einrichtung nicht ausgenommen. Seit etwa einem halben Jahr können wir nicht so viele Kinder und junge Menschen aufnehmen, wie Betten zur Verfügung stehen. Wir haben schlicht nicht ausreichend Personal zur Verfügung.“

blickfeld: „Wie gehen Sie und Ihr Kollegium mit den emotionalen Belastungen um, die mit ihrem Beruf verbunden sind?“

Wülfing: „Es braucht ein Bewusstsein dafür, was ich brauche, um zwischen den vielen und zum Teil schwer aushaltbaren Schicksalen, abschalten zu können. Wir Hauptamtliche lernen den Umgang mit Situationen, indem wir Supervisionen durchführen, uns Austauschen und gemeinsam Fälle besprechen. Jedoch kann der Punkt kommen, ab dem man nicht mehr kann.“

Die Hospizarbeit kann auf vielen Ebenen unterstützt werden

blickfeld: „Wie können sich Privatpersonen und Unternehmen in die Arbeit des Bergischen Kinder- und Jugendhospizes Burgholz einbringen?“

Wülfing: „Es gibt viele Arten der Unterstützung. Ganz klassisch freuen wir uns über Spenden für unsere Einrichtung. Hierzu engagieren sich auch zahlreiche Freiwillige, die auf Stadtfesten oder beim Waffelverkauf auf Sportveranstaltungen für uns sammeln. Gleiches gilt für Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen, die uns im Rahmen von Firmenfesten oder Sponsorenläufen unterstützen. Die Spendensituation ist dabei sehr schwankend und wurde durch Einschränkungen in Folge der Coronapandemie zusätzlich belastet, doch die Bereitschaft ist nach wie vor hoch. Das ist wichtig, denn gestiegene Energie- und Lebensmittelkosten betreffen uns auch, die Anpassungen seitens der Krankenkassen erfolgen hingegen nur zeitlich verzögert.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich direkt in unserer Einrichtung einzubringen: Wir haben derzeit 45 ehrenamtlich aktive Mitarbeiter:innen, die unseren Gästen ihre Zeit schenken, indem sie Ausflüge begleiten, verschiedene Aktivitäten organisieren, wie beispielsweise gemeinsames Spielen oder Singen, oder für Gespräche bereitstehen.“

blickfeld: „Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um sich bei Ihnen ehrenamtlich engagieren zu können?“

Wülfing: „Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen belegen einen 160-stündigen Qualifizierungskurs zum bzw. zur ehrenamtlichen Kinderhospizbegleiter:in. Hierbei setzen sie sich intensiv mit der Thematik ‚Sterben, Tod und Trauer‘ auseinander und bekommen ausreichend ‚Handwerkzeug‘ für die Begleitung an die Hand. Dazu gehören auch der regelmäßige Austausch in Praxistreffen, Supervisionen sowie kontinuierlichen Fortbildungen.“

Die Häuser bieten zehn Betten für Kinder und Jugendliche bis 27 Jahren – Foto: Kinderhospiz Burgholz

Das Kinderhospiz Burgholz ist „ein Ort der Freunde!“

blickfeld: „Was motiviert Sie täglich bei Ihrer Arbeit im Kinderhospiz?“

Wülfing: „Ich bin gerne hier, mag die Menschen, die tollen Kinder und die Eltern, die wir alle gemeinsam diesen Wohlfühlort teilen. Hier wird gespielt, gesungen und eine schöne Zeit verbracht. Weihnachten hatten wir beispielsweise ein volles Haus, weil auch viele Angehörige zu uns kamen.
Menschen verbinden mit einem Hospiz oft einen Ort der Trauer, doch sind wir ein Ort der Freunde!“

blickfeld: „Vielen Dank für das Gespräch!“ »mw«

Das Gespräch führte Martin Wosnitza.

Bergisches Kinder- und Jugendhospiz Burgholz

Anschrift:

  • Zur Kaisereiche 105
  • 42349 Wuppertal (GoogleMaps)

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