Neue Ausstellung in der Kunsthalle Barmen: Ex Nihilo – Aus dem Nichts entstehen Impulse

Ab dem 17. Oktober 2025 ist die neue Ausstellung „Ex Nihilo“ in der Kunsthalle Barmen zu sehen. Übersetzt bedeutet dies: Aus dem Nichts. Im Zusammenhang mit Kunst erahnt man, worum es geht – um ihre Entstehung.

Eine Kettensäge, die niemals funktioniert: Eine von 25 „nutzlosen Merkwürdigkeiten“ die Studierende im Industrie-Design entwickelt haben - Foto: kb

Es ist keine Ausstellung, die das Schöne und Unnahbare der Kunst zeigt – Bilder auf weißen Wänden, bei denen man seine Reaktion mit dem umliegenden Publikum abgleicht, um „entsprechend“ zu reagieren. Es ist eine moderne, nahbare Ausstellung, die Kunst gewissermaßen vom Podest holt, ohne ihren Wert zu mindern, sondern sie vielmehr zeitgenössisch wichtig macht, indem sie politisch und soziokulturell wird. Um in die lohnende Gedankenwelt von „Ex Nihilo“ eintauchen zu können, ist das Werk „Methoden der Kunst“ des Kulturtheoretikers Friedrich von Borries stets im Hinterkopf zu behalten, denn zu finden ist es direkt im ersten Raum. Dieses Modell zeigt den Entstehungsprozess – durch Skizzen illustrierte Phasen des kreativen Schaffens, die die Kunst nimmt. So steht am Anfang das Rumlaufen, Denken, Sammeln von Eindrücken, gefolgt vom Abhängen, Labern, Cornern. Und dann? Dann heißt es erst mal: Wasten, Langeweilen, Träumen. An dieser Stelle sei die Auseinandersetzung mit Friedrich von Borries’ Werk allgemein ans Herz gelegt. Von ihm stammt das „Stipendium fürs Nicht(s)tun“ und die „Schule der Folgenlosigkeit“. Auf den ersten Blick witzige Namen und Ideen – doch beim Nachdenken werden daraus spannende Fragen, die wichtig sind, um künstlerisch arbeiten zu können. Viele Menschen haben verlernt, sich zu langweilen – sie kommt ja kaum noch zum Zuge. Das Smartphone ist wohl der Hauptgrund: ständige digitale Ablenkung, Doom-Scrolling, erlernte Hilflosigkeit gegenüber der Nachrichtenflut.

Verlernte Langeweile

„Aus Langeweile können Ideen entstehen – diese Möglichkeit zu vermitteln ist eine große Motivation der Ausstellung“, so Katja Pfeiffer, Initiatorin, Leitung der Kunsthalle Barmen und Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW). Eine Idee kann auch im Verweigern enden – oder im Ausprobieren, Versuchen. Und danach? Ausstellen oder zerstören, den Kreislauf weiterführen oder zufrieden anhalten.

Schaubild: Methoden der Kunst – Foto: kb

Alle Kunstwerke beziehen sich in der einen oder anderen Art auf dieses Schaubild und erschließen sich dadurch den Besucher:innen. Manchmal offensichtlicher, wie bei Peter Piller, Professor für Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf, der sich während Senatssitzungen oder Bahnfahrten den Skizzenblock zur Hand nimmt und Bild- und Wortspiele festhält – Tagträume, der Beginn von Ideen.

Oder bei Bastian Hoffmann, dessen Werk „How to turn a Porsche into a painting“ gleich mehrere Phasen des künstlerischen Schaffens präsentiert – und nebenbei antikapitalistisch angelegt ist. Dabei wurde ein Porsche Cayenne in einem aufwendigen Prozess zu Staub verwandelt und dieser anschließend auf eine Leinwand gebracht. Der Motorblock wurde eingeschmolzen und ist als silberne Lache auf dem Boden zu sehen.

Auf den zweiten Blick zugänglich

Wie steht aber das Lästern für einen Prozess? Zunächst negativ besetzt, entpuppt es sich als soziale Praxis, die in von Borries’ Methoden als Labern und Abhängen wiederkehrt. Havin Al-Sindy, Professorin an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, hat mit einer Schulklasse erarbeitet, wie es sich anfühlt, wenn getratscht wird. „Ein Vöglein hat mir gezwitschert“ – daraus ist das Motiv des Vogels entstanden, das performativ in einem Video umgesetzt wurde, aber auch als im Raum hängende Vogel-Skulptur.

Ein Objet trouvé: Ausgaben der „practic“ mit Bezug zu aktuellen Studierendenarbeiten – Foto: kb

Auch die soziokulturelle Herkunft bestimmt das eigene Schaffen – oder überhaupt die Möglichkeit dazu. So werden Originalhefte des Magazins „practic“, erschienen in der DDR, großflächig auf einer Wand gezeigt. Dieses Bastel- und Baumagazin ist in Zeiten von Mangelwirtschaft erschienen und gibt praktische Anleitungen für den Alltag. Wenn man wenig hat, muss man es selbst machen – menschlicher Erfindungsreichtum entsteht aus der Notwendigkeit zu improvisieren. In unserer heutigen Zeit geht der Griff schnell zum Neukauf. Studierende im Industrial Design haben das Prinzip weitergeführt und auf eine absurde Stufe gehoben: Sie haben ein Schachspiel aus Seife gebaut, Mützen genäht und mit Kristallen überwuchern lassen, ein Skateboard unbefahrbar gestaltet, eine Panflöte aus Ton gefertigt. Ein Brotkörbchen aus Brot, Hanteln als Kerzen, ein nicht durchsichtiges Teleskop, Betonpapierflieger – lauter wunderbare, absurde Dinge. Daraus entsteht ein neues „practic“-Heft, das die Arbeiten dokumentiert.

Junge Künstler:innen fördern

Studierende gemeinsam mit renommierten Künstler:innen zu zeigen, ist ein Anspruch der Kunsthalle Barmen – ein zutiefst demokratischer und zeitgenössischer Ansatz, der auch in dieser Ausstellung zentral ist. Ein weiteres Beispiel: die Arbeiten von Studierenden des Fachbereichs Kunst der Bergischen Universität. Im Kurs von Christoph Westermeier wurden sie bei Campus-Walks dazu aufgefordert, rauszugehen und die Uni als „Touristen“ zu entdecken. Herausgekommen sind architektonische Elemente, Licht und Wellenstrukturen eines Gebäudes, das kürzlich zur hässlichsten Universität Deutschlands gekürt wurde – diese Fotos zeigen ein anderes Bild vom Campus. Entstanden durch Rumlaufen, Abwarten und manchmal auch durch Langeweile – wirksame Methoden.

Kunststudierende erkundeten den Campus als „Touristen“ – Foto: kb

„Man kommt selten in die Verlegenheit, Studierenden zu sagen: Mach mal langsam. Stattdessen gibt es Geld für Absolvent:innen, die in Regelstudienzeit fertig werden. Man muss sie peitschen, sie laufen mit Post-its durch die Gegend, damit sie nichts vergessen. Das heißt aber auch: Jeder Moment des besonnenen, abwartenden Tuns kann gar nicht stattfinden“, so Katja Pfeiffer. Deswegen sind diese „Methoden der Kunst“ nicht nur für Künstler:innen sinnvoll, sondern können jeden inspirieren. Hätten wir nicht weniger Probleme, wenn wir alle etwas weniger schnell unterwegs wären? Es wäre auch im Sinne von Friedrich von Borries und seiner Schule der Folgenlosigkeit – also im Sinne davon, möglichst wenig schlimme Folgen für den Planeten zu verursachen. Daraus kann eine Haltung entstehen. Kunst und Soziales, politisch verbunden – ist zentral für die Kunsthalle Barmen. Katja Pfeiffer erläutert dazu: „Genau das ist unser Ziel. Wir wollten die Lücke füllen, die in Wuppertal noch besteht. Große Institutionen wie Von der Heydt oder der Skulpturenpark trennen Kunst und Gesellschaft zu sehr. Wir wollten Themen zeigen, die Studierende und Publikum wirklich bewegen: Nachhaltigkeit, Angst, künstlerische Praxis.“ Und dies gelingt der Kunsthalle Barmen mit „Ex Nihilo“ vollkommen. Neben den genannten Werken finden sich in den fünf Räumen viele weitere – von Malerei, Fotografie, Video bis hin zu Installationen – die uns in diese Gedankenwelt eintauchen lassen und mit neuen Impulsen entlassen. »kb«

Katja Pfeiffer, Initiatorin, Leitung der Kunsthalle Barmen und Professorin an der BUW – Foto: kb

Ausstellung „EX NIHILO“

  • Ausstellungsdauer: 17. Oktober bis 14. Dezember 2025
  • Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags, 14 bis 18 Uhr
  • Eintritt: Der Besuch der Ausstellung ist kostenfrei.

Kunsthalle Barmen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert