Stacheln im Wandel: Wie wir das Leben der Igel besser machen können

Eine Stupsnase, zwei Knopfaugen und ein Kleid aus Stacheln – so kennen wir den Igel, der sich in Wäldern und auch gerne mal in unseren Gärten herumtreibt. Leider ist er durch den Menschen und den Klimawandel zunehmend bedroht. Außerdem gibt es viele falsche Gerüchte über ihn und seine Lebens- und Ernährungsweise. In einem Telefoninterview mit blickfeld erzählt Kornelia Dudziak von der Igelschutz-Interessengemeinschaft e.V. in Wuppertal, wie der Umgang der Menschen mit den Tieren verbessert werden kann und der Igel-Schulungsgarten in der Station Natur und Umwelt in Cronenberg versucht, seinen Teil dazu beizutragen.

Igel fühlen sich in Wildblumenwiese am wohlsten - Foto: Kornelia Dudziak

Schon früh entdeckte Kornelia Dudziak ihre Liebe zum Igel, als sie ein verletztes Tier als Kind mit nach Hause brachte. Seit den 1980er Jahren pflegte sie verletzte und verwaiste Igel bei sich zu Hause, seit 1994 ist sie die 1. Vorsitzende der Igelschutz-Interessengemeinschaft in Wuppertal. Mittlerweile genießt die 70-Jährige ihre Rente in Schleswig-Holstein. Von dort aus steht sie Igelpfleger:innen und Interessierten immer noch beratend zur Seite. Über die Jahrzehnte konnte sie sich ein großes Wissen über die Tiere aneignen und sammelte in der Igelstation viele Erfahrungen im Umgang mit Menschen und Igeln.

Wie steht es um den Igel in der Wuppertaler Region?

Um die Igelpopulation in Wuppertal steht es nicht allzu gut, erzählt Kornelia Dudziak gegenüber blickfeld. Dies liege größtenteils daran, dass die Habitate und Nahrungsquellen für den Igel zunehmend weniger werden. „Die Lebensräume sind nicht gut miteinander vernetzt. Die Gärten sind alle meist eingezäunt, was dazu führt, dass Tiere nicht richtig weiterwandern können.“ Dies schränke das Nahrungsangebot für den Igel ein, auch die Unterschlupfmöglichkeiten würden begrenzt. „Wie man oftmals auch sieht, sind die Gärten sehr ‚steril‘ geworden. Es gibt wenige Gärten, von denen man sagen könnte, dass sie für Igel geeignet sind. Es gibt kaum welche mit Reisighaufen oder naturbelassenen Gewächsen. Zum größten Teil besteht die Fläche nur aus einfachem Rasen.“

Als weitere Gefahren zählt Frau Dudziak moderne Apparaturen wie Ultraschallgeräte auf, die den Garten vor Tieren wie Katzen und Nagern schützen sollen. „Ultraschallgeräte mit hohen Tönen, die wir Menschen nicht hören, aber von Wildtieren wahrgenommen werden, sind für den Igel eine Katastrophe.“ Der Lärm hindere sie daran, in den Garten einzutreten und nach Nahrung zu suchen. Ein weiteres modernes Gerät, der Mähroboter, kann den Igel schwer verletzen. Wenn erwachsene Igel ihren Verletzungen erliegen, wird der Igelnachwuchs in Folge mitgetötet. Dabei ist der Igel für alle Gartenbesitzer:innen mehr ein Segen als ein Fluch. Auf seinem Speiseplan stehen bestimmte Insekten, Schnecken, Würmer und sogar Larven. Er vernichtet also auf natürliche Weise Parasiten, die Gartenbesitzer:innen von ihrer Bepflanzung fernhalten möchten.

Ausstiegshilfen an Teichen sind eine Hilfe für Igel – Foto: Kornelia Dudziak

Welche Gefahren lauern im Lebensraum der Igel?

Dabei ist es für den Menschen einfach, das Gefahrenpotenzial für den Igel einzugrenzen, indem man den Mähroboter nur tagsüber laufen lässt und ihn nicht darauf programmiert, in der Abenddämmerung oder nachts loszufahren. Igel sind dämmerungs- und nachtaktive Tiere und ziehen sich über den Tag eher zum Schlafen in ihren Unterschlupf zurück. Kornelia Dudziak rät auch dazu, Lichtschächte an Häusern mit Gittern abzudecken und kleine Ausstiegshilfen an Teichen anzubringen, damit die Tiere beim Versuch, ihren Durst zu stillen, nicht ins Wasser fallen und ertrinken.

In einer Großstadt wie Wuppertal stellt natürlich der erhebliche Autoverkehr eine große Gefahr dar. Zu wenige 30er-Zonen und zu schnelles Fahren können dem Igel beim Überqueren von Straßen zum Verhängnis werden. Bei der Instandhaltung der Grünflächen der Stadt würden oft Fadenmäher und Tellersensen eingesetzt, die die Schlafplätze der Igel zerstören.

Was bietet der Igelschulungsgarten der Station Natur und Umwelt in Cronenberg?

Wie kann Menschen erfolgreich vermittelt werden, ihren Garten so zu gestalten, dass der Igel dort wieder heimisch wird? Diese Frage stellte sich die Igelschutz-Interessengemeinschaft und ergriff die Chance, einen Igelschulungsgarten in der Station Natur und Umwelt in Cronenberg zu schaffen. Die Station bietet auf ihrem insgesamt sieben Hektar großen Landschaftsgebiet mit einem eigenen Schulungsgebäude ein Naturlehrprogramm für Kindergärten, Schulen und Kindergeburtstage an. Der Fokus liegt dabei auf Nachhaltigkeitsthemen, um eine gewisse Sensibilität für den Umgang mit tierischen Lebewesen und deren Lebensräumen zu fördern.

Bei einer Besichtigung bekommen Besucher:innen durch die Schaukästen und Schilder nicht nur eine kleine Igelbiologie und einen Einblick in seinen Jahresverlauf geboten, sondern ebenfalls viele Informationen darüber, welche Unterschlupfmöglichkeiten man den Tieren selber errichten kann. Dudziak sagt dazu: „Es geht nicht nur darum, den Leuten zu zeigen, wie man verletzten Igeln im Herbst hilft, sondern auch, wie der Lebensraum für den Igel aussehen sollte. Dazu gehören heimische Pflanzen und Hölzer.“

Die Garteneinzäunung sollte Durchschlupfmöglichkeiten für Igel bieten – Foto: Wiebke Sievers

Was kann ich tun, wenn ich Igel draußen finde?

Der Klimawandel beeinflusst mittlerweile auch das Winterschlafverhalten der Tiere. Normalerweise erwacht ein gesunder Igel etwa Anfang Mai aus dem Winterschlaf, doch durch die sich verändernden Temperaturen kann es vorkommen, dass er bereits im Januar und Februar wach wird und umherstreift. In diesen Monaten können die Tiere allerdings noch kein Futter finden und benötigen dringend Hilfe. Wie schon erwähnt, sind Igel in der Abenddämmerung unterwegs und nachtaktiv; sollte man einen Igel auch in den Sommermonaten tagsüber herumlaufen sehen, kann dies ebenfalls auf ein gesundheitliches Problem beim Tier hindeuten. Wenn man ihm helfen möchte, sollte man das Tier sichern. „Sichern bedeutet: Einen Pappkarton mit Zeitungspapier auslegen und den Igel in ein Handtuch gewickelt hineinsetzen. Am besten nimmt man ihn mit ins Haus, damit keine Fliegen an ihn herankommen“, erklärt Kornelia Dudziak.

Wenn man ihm etwas zu Essen anbieten möchte, gibt es einige Dinge zu beachten, denn gerade um seinen Speiseplan ranken sich viele falsche Gerüchte, die sich hartnäckig halten. Beispielsweise denken viele Leute irrtümlich, er sei Vegetarier und legen ihm Obst oder Gemüse hin. Aber nein, der Igel ist ein Fleischfresser. Am besten verträgt er hochwertiges Katzenfutter ohne Soße und Gelee. Wenn man gerade kein Katzenfutter zur Hand hat, kann auch ein Rührei ohne Gewürze und ohne Milch erste Abhilfe schaffen. Dazu sollte man ausschließlich frisches Wasser anbieten. Die Kiste sollte bei Tageslicht an einem ruhigen Ort bei einer Raumtemperatur von 20˚C aufbewahrt werden.

Igel bauen sich in solchen Holzstössen gerne ein Nest und Winterschlafquartier – Foto: Wiebke Sievers

Wo finde ich seriöse Igeltipps im Netz?

Im nächsten Schritt holen sich viele Rat im Internet, doch dabei ist Vorsicht geboten. Gerade auf den Social-Media-Plattformen treiben sich viele private User:innen herum, die falsche Ratschläge herausgeben. Auf der Homepage der Igelschutz-Interessengemeinschaft e.V. dagegen gibt es viele zuverlässige Tipps bei einem Igelfund in Wuppertal und eine Telefonnummer, bei der man sich melden kann. Eine weitere offizielle Hilfsstelle ist Pro Igel e.V., die bundesweit agiert und geprüfte Pflegestellen für den Igel vermittelt. Wenn der Igel bereits verletzt ist oder Luftnot hat, sollte man sich direkt an die nächste Tierarztpraxis wenden.

Wie kann man die Igelschutz-Interessengemeinschaft unterstützen?

Nicht nur um die Igelpopulation steht es schlecht, sondern auch um den Nachwuchs der Igelpfleger:innen. Leider hat der Verein keine eigene Igelstation mehr. Alle Mitglieder, die früher beteiligt waren, seien mittlerweile in Rente. „Das Ehrenamt lässt sich nur mit Familie und Arbeit vereinbaren, wenn alle mitspielen“, gesteht Dudziak. Glücklicherweise hatte sie einen sehr liebenswerten Chef, der ihr erlaubte, ihre Pflegeigel mit zur Arbeit zu bringen. Ihre Kollegen waren hellauf begeistert, so etwas mitzuerleben und halfen sogar mit, es den Tieren so angenehm wie möglich zu machen. „In der heutigen Zeit müssen junge Leute für die Arbeit in eine andere Stadt ziehen oder werden in ein anderes Bundesland berufen. Wie soll man das alles miteinander vereinbaren? Es ist schwierig, wenn die Zeit nicht da ist“, stellt sie fest.

Die „Schwegler Igel-Kuppel“ bietet einen künstlichen Unterschlupf für Igel – Foto: Wiebke Sievers

Warum ist Aufklärungsarbeit zum Igel wichtig?

Wer Interesse hat, kann immer noch ehrenamtlich Aufklärungsarbeit in Schulen und Kindergärten leisten. Diese Arbeit ist auch dringend notwendig, denn immer öfter gibt es Mitteilungen über Fälle von misshandelten Tieren. Im Frühjahr 2024 berichtete die Igelhilfe Herford-OWL e.V. auf ihrer Facebook-Seite von einem Vorfall, bei dem ein Igelweibchen von Schüler:innen als Fußball missbraucht wurde. Das Tier erlitt durch die Tritte der Kinder einen Schlüsselbeinbruch und musste operiert werden. Am Tag nach dem Fund nahm die Igelhilfe laut Facebook-Post Kontakt mit der Schulleitung auf und bat darum, den Vorfall mit den Schüler:innen zu besprechen. Leider reagierte die Schulleitung laut Igelhilfe wider Erwarten sehr ablehnend.

Auch Kornelia Dudziak habe in ihren Jahren als Igelpflegerin gelegentlich herausfordernde Erfahrungen mit Pädagog:innen gemacht. Oft sei sie gefragt worden, ob sie einen lebenden Igel mit in Schulen und Kindergärten bringen könne. Als sie darauf hinwies, dass der Stress für die Tiere in solch einer Umgebung zu groß sei, reagierten Pädagog:innen oft mit wenig Einfühlungsvermögen. Bei einem anderen Vorfall habe sie in Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt und der Polizei fünf Igel aus einer Schule befreit, die dort unter sehr schlechten Bedingungen zur Unterhaltung der Kinder gehalten wurden.

Deshalb: Wer für Aufklärung sorgen und solche Vorfälle verhindern möchte, kann der Igelschutz-Interessengemeinschaft e.V. beitreten und sich ehrenamtlich einbringen: www.igelschutz-ev.de »ws«

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