Von der Preußischen Staatsbehörde zum neuen Stadthaus: Geschichte der Bundesbahndirektion veröffentlicht

Das Jobcenter sowie Teile der Bergischen Universität und der Wuppertaler Stadtverwaltung sollen in diesem Jahr in die ehemalige Bundesbahndirektion am Döppersberg umziehen. Doch das Gebäude hat auch eine Vorgeschichte: Um die wechselvolle Historie des Hauses geht es in einer neuen Broschüre, die der an der BUW beschäftigte Wissenschaftler Michael Okroy im Auftrag der Stadt erstellt hat.

„Sehr überrascht hat mich zu Beginn meiner Recherchen, dass das in den 1870er Jahren erbaute Direktionsgebäude angesichts seiner beeindruckenden Architektur, Größe und seines prominenten Standorts am Döppersberg, dem ‚Tor zur Stadt‘, zu den am wenigsten erforschten historischen Gebäuden in unserer Stadt zählt“, sagt Michael Okroy. Die grundlegende Umgestaltung der einstigen Bundesbahndirektion reiße das seit 1988 unter Denkmalschutz stehende Gebäude aus seiner Lethargie. „Damit wird ein neues Kapitel in seiner langen Geschichte aufgeschlagen“, so Okroy.

Wuppertal: Bundesbahndirektion und Stadt historisch eng miteinander verbunden

Die aktuelle Broschüre unternimmt einen kleinen Streifzug durch die Vergangenheit dieses bedeutenden Architekturdenkmals. Sie reicht von der Gründung der „Königlichen Eisenbahndirektion Elberfeld“ im Jahre 1850 bis zur Auflösung der Bundesbahndirektion Wuppertal in den 1970er Jahren.

Diese wechselhafte Geschichte ist eng mit der der Stadt Wuppertal verknüpft. Sie erzählt vom industriellen Aufstieg, vom bürgerlichem Repräsentationsbedürfnis im 19. Jahrhundert und vom Fortschritt, den die Eisenbahn als Produkt und Motor der Industrialisierung verkörperte. Sie erweiterte den Horizont der Menschen, beförderte die Migration ins Wuppertal und trieb die Urbanisierung der Städte Elberfeld und Barmen entscheidend mit voran. Für diese Phase des Aufbruchs in die Moderne steht sinnbildlich auch das klassizistische Gebäude am Döppersberg. Diese Phase, die von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg reicht, ist ein erster Schwerpunkt der Broschüre.

Direktionsgebäude als Ankerpunkt von radikalen Demokratiefreinden

Zugleich spiegelt das Direktionsgebäude am Döppersberg die Geschichte der Eisenbahn als staatliche Institution wider: im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, nach 1945 und im Nationalsozialismus. Die unruhigen 1920er Jahre und die NS-Zeit bilden einen zweiten und besonderen Schwerpunkt der Broschüre. „Damit soll auch ausdrücklich an jene ‚kontaminierte‘ Geschichte des Gebäudes erinnert und diese ins historische Gedächtnis der Stadt zurückgeholt werden“, sagt Okroy.

Zwei Beispiele: 1923, in den krisenhaften Anfangsjahren der Weimarer Republik, diente die „Reichsbahndirektion“ Elberfeld zeitweise als wichtiger Ankerpunkt von radikalen Demokratiefeinden. Von dort aus erhielten Sabotagekommandos ihre ‚Aufträge‘ zur Sprengung von Brücken und Gleisanlagen im Ruhrgebiet, das von französischen Soldaten besetzt war. Mit dabei an führender Position waren rechtsradikale Aktivisten aus Wuppertal, die zehn Jahre später, nach dem Machtantritt Hitlers, hohe Funktionen im NS-Staat bekleideten.

Die Rolle der „Reichtsbahndirektion Wuppertal“ im NS-Staat

An der Spitze der „Deutsche Reichsbahn“ befanden sich schon seit den 1920er Jahren zwei Wuppertaler, Julius Dorpmüller als Generaldirektor und späterer Reichsverkehrsminister und Wilhelm Kleinmann als dessen Staatssekretär. Beide haben aktiv daran mitgewirkt, die „Deutsche Reichsbahn“ und ihre regionalen Direktionen zu willfährigen Helfern der nationalsozialistischen Politik zu machen. Während des Zweiten Weltkriegs war die „Reichsbahndirektion Wuppertal“ der größte Arbeitgeber der aus der damaligen Sowjetunion zu Tausenden nach Wuppertal verschleppten Zwangsarbeiter:innen. 1941/42 stellte die „Reichsbahndirektion Wuppertal“ in Kooperation mit der Gestapo jene Personenzüge zur Verfügung, mit denen rund 800 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Wuppertal, Remscheid und Solingen auf eine Reise in den Tod in die Ghettos und Vernichtungslager „im Osten“ geschickt wurden.

Broschüre online und in städtischen Einrichtungen verfügbar

Die Broschüre liegt im Rathaus in Barmen, im Verwaltungshaus Elberfeld und vielen anderen städtischen Einrichtungen aus und ist kostenlos. Sie ist Teil einer Reihe von kleinen Publikationen, die auf Initiative der Begegnungsstätte Alte Synagoge aufgelegt wurde und sich besonderen historischen Orten in Wuppertal widmet. Zehn solcher illustrierten Broschüren sind inzwischen erschienen, so zum Polizeipräsidium, Landgericht, Warenhaus Tietz (Kaufhof), Evangelischen Vereinshaus, Opernhaus, Ronsdorfer Stadtgarten, KZ Kemna, zur Hofaue und Bergischen Synagoge. »red«

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