Warum es im Lokalfunk zu weiteren Streiks kommen könnte

Anfang August streikten für einen Tag die Journalist:innen von Radio Wuppertal, Radio Ennepe Ruhr und Radio RSG. Mit ihrem Protest fordern sie, wie der gesamte private Lokalfunk in Nordrhein-Westfalen, ein faires Angebot der Arbeitgeberseite zu den laufenden Tarifverhandlungen. Christian Spoo (53), studierter Politologe und seit fast 25 Jahren Nachrichtenredakteur bei Radio Wuppertal, ist für den Deutschen Journalisten-Verband in NRW (DJV-NRW) Mitglied der Tarifkommission. blickfeld sprach mit ihm über die Verhandlungen sowie die Bedeutung und Zukunft des Lokalfunks.

Christian Spoo - Foto: Radio Wuppertal

blickfeld: Welches Angebot hat die Arbeitgeberseite den Lokalfunk-Journalist:innen vorgelegt?

Christian Spoo: Die Arbeitgeberseite hat bisher 1,5 Prozent Tarifsteigerung ab dem 1. Juli 2024 und weitere 1,5 Prozent lineare Erhöhung zum 1. Juli 2025 bei einer Laufzeit von drei Jahren angeboten. Für Beschäftigte in Sendern, die mindestens 200.000 Euro Gewinn machen, soll es zudem zwei Einmalzahlungen von 500 Euro geben. Nach meinem Wissensstand hätte diese Prämie im vergangenen Jahr jedoch kein einziger Lokalfunk-Beschäftigter erhalten.

Lokalfunk-Beschäftigte werten Angebot als Affront

blickfeld: Wie ist das Angebot bei den Kolleginnen und Kollegen angekommen?

Christian Spoo: Die Kolleginnen und Kollegen sind erschüttert von der mangelnden Wertschätzung und der Respektlosigkeit der Arbeitgeberseite. Zwar sind wir im Lokalfunk leiderprobt und haben in der Vergangenheit arbeitgeberfreundlichen Abschlüssen zugestimmt. Erhöhungen waren zumindest aus Arbeitgebersicht aufgrund der wirtschaftlichen Lage oder wegen notwendiger Rückstellungen und Investitionen nicht möglich – auch wenn man von denen im Nachgang nichts gesehen hat.

Doch nun ist der Leidensdruck aufseiten der Beschäftigten so groß, dass sie sich im ganzen Bundesland gegen das Angebot wehren. Unser Job im Lokalfunk wird angesichts solcher Entwicklungen zunehmend unattraktiv. Einerseits können jetzige Kolleginnen und Kollegen ihren Lebensunterhalt immer schlechter bestreiten und suchen sich berufliche Alternativen mit besseren Verdienstmöglichkeiten. Andererseits fehlt der Nachwuchs, der aufgrund der geringen Löhne nicht mehr in den Lokalfunk geht. Beiden Seiten mangelt es nicht an Begeisterung für den Job, aber sie müssen davon leben können.

DJV fordert Lohnerhöhung von zwölf Prozent

blickfeld: Welche Forderung stellt der DJV-NRW auf?

Christian Spoo: Aufgrund der jüngsten Inflationsraten und der Abschlüsse im öffentlichen Dienst und anderen Branchen, über die wir als Radio selbst regelmäßig berichten, fordern wir für die Beschäftigten eine lineare Erhöhung im Volumen von zwölf Prozent, eine angemessene Inflationsausgleichsprämie, familienfreundlichere Strukturen, eine Bezuschussung des Deutschlandtickets sowie eine längst überfällige Regelung zur Ausstattung von Home-Office und mobilem Arbeiten.

Diese Forderungen haben wir der Arbeitgeberseite Wochen vor Beginn der Verhandlungen zugeschickt. Doch sie wurden nicht nur ignoriert, sondern die Arbeitgeberseite hat noch nicht einmal ein eigenes Angebot vorgelegt. Die Begründung von Verhandlungsführer Prof. Dr. Stephan Ory war: „Das haben wir noch nie in der ersten Runde gemacht.“ Das mickrige 1,5-Prozent-Angebot kam erst später.

Rundfunk ist Teil des demokratischen Gemeinwesens

blickfeld: Was leistet der Lokalfunk für die Menschen vor Ort?

Christian Spoo: Wir sind eines der letzten Informationsmedien, das „bubbleübergreifend“ die Menschen in einer Stadt oder Region informiert. Wir sind täglich on air, vor Ort verankert und bieten jeden Morgen kostenfrei Nachrichten für rund 150.000 Menschen. Dadurch tragen wir eine gesellschaftliche Verantwortung und sind Teil des demokratischen Gemeinwesens. Ohne uns hätten viele öffentliche Akteure, ob Politik, Verwaltung, Ehrenamt oder Wirtschaft, ein Informationsproblem.

Ich wünsche mir, dass die Arbeitgeberseite diese Verantwortung sieht, nicht rein gewinnorientiert handelt, sondern darauf aus ist, ein anständiges Produkt zu schaffen, zu investieren und die Menschen, die das Radio mit Leben füllen, für ihre Arbeit wertzuschätzen und entsprechend zu bezahlen.

Weitere Warnstreiks im Lokalfunk möglich

blickfeld: Was passiert, wenn die Arbeitgeberseite diese Sicht nicht teilt?

Christian Spoo: Voraussichtlich Ende August soll die nächste Verhandlungsrunde stattfinden. In dieser werden wir, unterstützt von den Kolleginnen und Kollegen aus ganz NRW, selbstbewusst unsere Forderungen weiter vorbringen. Ich hoffe, wir erreichen eine gute tarifliche Einigung. Sollte es aber hart auf hart kommen, so werden wir unsere Protestaktivitäten ausweiten und zu weiteren Warnstreiks aufrufen. »mw«

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