COVID-19-Impfung: Ein Überblick

Deutschland impft sich. Bislang wurden 53 Millionen Impfdosen verabreicht (Stand: 4. Juni 2021). Ab dem 7. Juni fällt laut dem Bundesgesundheitsministerium die Impfpriorisierung. Das bedeutet: Studierende, ohne besonderen beruflichen oder gesundheitlichen Hintergrund, können sich um eine Impfung bemühen. blickfeld hat mit Prof. Dr. Martin Simon, Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare Zellbiologie gesprochen. Er erläutert, was die Wirksamkeit eines Impfstoffes bedeutet, warum Nebenwirkungen grundsätzlich nichts Schlechtes sind und warum es nicht ausreicht, Europa durchzuimpfen.

Titelfoto © Gustavo Fring (pexels)

Wie wirksam sind die verschiedenen Impfstoffe?

Der Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson verhindert laut Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, die Ansteckung mit COVID-19 zu 70 Prozent, der Vektorimpfstoff von AstraZeneca zu 80 Prozent und die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer oder Moderna zu 95 Prozent.

Doch was bedeuten diese Werte?

Für den Impfstoff Biontech/Pfizer sagt die genannte Wirksamkeit von 95 Prozent aus, dass eine geimpfte Person eine 95 Prozent geringer Wahrscheinlichkeit aufweist, an COVID-19 zu erkranken, als eine nicht-geimpfte Person, unter gleichen Ausgangsbedingungen.

Das Robert Koch Institut erläutert dies anhand eines einfachen Rechenbeispiels:

    „Man stelle sich vor, in einer Gegend mit vielen aktiven COVID-19-Fällen treten etwa 20 Fälle je 1000 Personen auf. Würde in dieser Gegend dann ein Teil der Bevölkerung geimpft werden, würden also 20 von 1000 ungeimpften Personen an COVID-19 erkranken, aber nur etwa 1 von 1000 geimpften Personen. Wenn eine mit einem COVID-19-Impfstoff geimpfte Person mit dem Erreger in Kontakt kommt, wird sie also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erkranken.“

Wie relevant ist das Ranking der Impfstoffe nach ihrer Wirksamkeit?

Der Impfstoff Janssen von Johnson & Johnson scheint mit 70 Prozent die niedrigste Wirksamkeit bezüglich Verhinderung einer Ansteckung aufzuweisen. Ist der Impfstoff von Johnsen & Johnsen nun „schlecht“? Hierzu erklärt Professor Dr. Martin Simon, dass es nicht nur den Aspekt der Ansteckungswahrscheinlichkeit zu beachten gäbe. Das Vakzin Janssen schützt so genau wie der mRNA-Impfstoff von BionTech/Pfizer zu 85 Prozent vor einem schweren Krankheitsverlauf. Dies geht aus im Februar 2021 veröffentlichten Studien [1][2] mit Daten des schottischen Gesundheitssystem hervor.

„Das ist für mich als Patient ein Riesenvorteil, weil ich die Gefahr des tödlichen Coronaausgangs fast eliminiert habe“, betont Professor Dr. Martin Simon. Er ergänzt einen zweiten Aspekt: „Die Ausbreitung und die Vermehrung des Virus ist bei möglicher Ansteckung trotzdem nicht auf vollem Niveau. Die Virusreplikation ist gehemmt. Deswegen sind geimpfte und infizierte Personen weniger ansteckend.“

Entsprechend stuft auch die Ständige Impfkommission (STIKO) in ihrer Empfehlung zur COVID-19-Impfung vom 12. Mai 2021 alle Impfstoffe „bezüglich Individualschutz und Bekämpfung der Pandemie als gleich geeignet“ ein. Sie erläutert ebenfalls, dass die „COVID-19-Impfung eine Virustransmission in erheblichem Maß reduziert und dass vollständig geimpfte Personen in Bezug auf die Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen.“

Die Impfung bewahrt also neben individuellen schweren Erkrankungen auch effektiv vor einem langfristigen Bestehen der Epidemie.

Warum reicht es nicht, die europäische Bevölkerung durchzuimpfen?

Professor Dr. Simon verdeutlich, warum es so wichtig ist, jede Chance zu nutzen, um die Virustransmission zu reduzieren: „Wir sind im Wettlauf mit der Zeit. Wir müssen uns durchimmunisieren. Wenn wir nur eine Epidemie hätten, könnten wir Europa separat behandeln, oder China. Aber wir haben eine Pandemie. Die Evolution des Virus ist nicht abgeschlossen, das heißt, wir sehen, dass permanent neue Mutanten aufkommen. Der Knackpunkt ist, dass es uns auch nichts bringt, wenn wir Europa durchimmunisieren, solange die Entwicklungsländer oder andere Kontinente weiter in der Pandemie bleiben. Denn so werden wir immer weiter Kontakt mit neuen Mutanten haben, die sich noch evolvieren.“ Ein schlimmeres Szenario wäre, wenn neue Virenstämme resistent gegen die Impfungen werden, indem wesentliche antigene Bereiche verändert werden. Der Wettlauf mit der Zeit bedeutet global eine Durchimpfung zu erreichen, um die Wahrscheinlich der Entstehung einer solchen Mutante so weit wie möglich zu reduzieren. Sonst geht die Pandemie von vorne los. Dafür zählt jede einzelne geimpfte Person, da Replikation und Verbreitung des Virus so verhindert wird.

Welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Bekannte Nebenwirkungen einer Impfung sind Fieber und Schmerzen an der Einstichstelle. Prof. Dr. Simon erklärt, warum unser Immunsystem mit Nebenwirkungen reagiert: „Wenn Sie an der Einstichstelle Schmerzen haben, Fieber bekommen, wenn es Ihnen vielleicht zwei Tage sehr schlecht geht – das ist kein Impfschaden. Das ist die Wirkung, die Sie eigentlich erzielen wollen. Sie wollen eine Immunreaktion. Ich würde mich beruhigt fühlen. Es ist ein Zeichen, dass die T-Helferzellen Interleukine ausschütten, dass sie aktiviert worden sind. Meine T-Zellen proliferieren, meine B-Zellen proliferieren.“ (Anm. d. Red: Zellproliferation steht für das Wachstum und die Vermehrung von Zellen. Die B- und T-Zellen bilden den Teil des Immunsystems, der sich an neue Krankheitserreger anpassen kann. Interleukine sind körpereigene Botenstoffe der Zellen des Immunsystems.) Eine Entzündungsreaktion als Antwort auf eine Infektion, oder in diesem Fall auf eine Impfung welche die Infektion simuliert, ist etwas völlig Normales.“

Er erläutert, warum Schmerzen bei einer Infektion vielschichtig verursacht werden: „Ein Teil geht auf das Pathogen zurück, durch eine direkte Schädigung meines Gewebes. Aber ein Teil der Schmerzen, ein Teil der Reaktion geht auch auf mich selbst zurück – weil meine Immunzellen am Ort des Geschehens, dem Infektionsherd oder der Impfstelle Gewebe abbauen, um den Granulozyten den Weg zu ebnen (Anm. d. Red: Granulozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind Teil der unspezifischen Immunabwehr ). Die wollen schnell ihre Truppen dorthin bringen. Da ist das nicht-durchblutete Gewebe unter Umständen im Weg, das heißt, auch mein Immunsystem baut dort Gewebe ab und verursacht damit Schmerzen, weil es die Infektion hemmen will. Diese Reaktion unseres Körpers auf die simulierte Infektion ist ganz natürlich und stellt keine Schädigung durch den Impfstoff dar.“

Wie oft tauchen Nebenwirkungen auf?

Laut einer Studie des Forscherteams um Dr. Robert Shaw von der Universität Oxford trat nach Impfung mit AstraZeneca bei zehn Prozent der 463 Probanden Fieber auf, nach Impfung mit Biontech bei 21 Prozent. Professor Dr. Simon erklärt, dass auch Fieber eine normale Reaktion des Immunsystems darstellt, die durchaus gewollt ist. Denn das Fieber rege die Durchblutung an: „Man hat gezeigt, dass die T-Zell-Rezeptoren bei höherer Temperatur eine höhere Affinität besitzen, sie können dann besser spezifischer binden. Bei einer normalen, leicht verlaufenden Infektion kann ein fiebersenkendes Mittel das Immunsystem ausbremsen, das heißt man muss nicht gleich zu einem solchen Medikament greifen.“

Auch Rieke Zimmermann, Studentin der Bergischen Universität Wuppertal, berichtet dies nach ihrer Impfung am 21. März 2021: „Sechs Stunden nach der Impfung setzten die Nebenwirkungen ein. Mir war erst kalt, dann bekam ich Fieber. Generell war ich am nächsten Tag sehr müde und habe viel geschlafen. Aber einen Tag später war ich wieder topfit und habe von der Impfung nichts mehr gemerkt. Nur an der Stelle der Impfung hatte ich noch Schmerzen, wie bei einem Armmuskelkater.“

Wo liegen die Unterschiede zwischen Nebenwirkungen und Impfkomplikationen?

Nebenwirkungen in Folge der Impfung sind von Impfkomplikationen zu trennen. Impfkomplikationen oder Impfschäden bezeichnen laut RKI „außerordentliche negative Reaktionen des Immunsystems im Zusammenhang mit der Impfung, die den Gesundheitszustand der geimpften Person deutlich belasten.“

Letztere wurden etwa im Kontext mit dem Impfstoff des Herstellers AstraZeneca in einer Vielzahl von Medienberichten dokumentiert. Dr. Sabine Straus, Vorsitzende des Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, bestätigte in einem Pressebriefing der European Medicines Agency (EMA) vom 18. März 2021 das „sehr seltene Auftreten von Blutgerinnseln in Verbindung mit Thrombozytopenie in Folge des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca.“

In der Tat muss hier zwischen den Beinvenenthrombosen und den Sinusvenenthrombosen differenziert werden, da gerade letztere einen zu 10 Prozent tödlichen Verlauf nehmen würden, unabhängig von einer Impfung. Diese spezielle Form der Thrombose, bei der der Blutfluss vom Gehirn vermindert wird, trat tatsächlich nach der AstraZeneca Impfung öfter auf als erwartet, gerade bei jüngeren Frauen. Die EMA geht von einem Risiko von 0.001-0.002 Prozent aus, also einer sehr seltenen Komplikation. Dieses Risiko muss nun individuell evaluiert werden, und zwar mit dem Risiko sich anzustecken, denn gerade bei einer Infektion mit COVID-19 ist das Risiko für eine Hirnvenenthrombose ca. 100 Mal höher als bei gesunden Menschen.

Rieke Zimmermann zieht knapp zwei Monate nach ihrer AstraZeneca-Impfung ein positives Fazit: „Über den Impfstoff von AstraZeneca habe ich mir generell nicht so viele Gedanken gemacht. Ich bin froh, dass ich auf Grund meiner Arbeit als Lernförderkraft in einer Förderschule die Möglichkeit bekommen habe, mich so früh impfen zu lassen. Deswegen würde ich im Nachhinein auch nichts anders machen.“ »sg«

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