Grüne Universität mit grauem Strom

Ob im Logo, beim uni-eigenen Thermobecher oder auf den Fahnen am Campus - die Markenfarbe der Bergischen Universität ist Grün. Für die Energieversorgung der Wuppertaler Hochschule gilt diese nicht. Hier wird es "grau", was heißt: Atom- und Kohlestrom. Andere Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, wie die Heinrich-Heine Universität (HHU) in Düsseldorf, haben bereits umgestellt.

Erst kürzlich hat die Heinrich-Heine-Universität verkündet: „Die HHU nutzt jetzt Ökostrom.“ Diese Maßnahme sei eingebettet in einen breiten Katalog, der zum Ziel hat, „den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.“ Rund 31 Gigawattstunden (GWh) habe der Düsseldorfer Campus in 2019 verbraucht. Dies sei vergleichbar mit dem jährlichen Verbrauch von knapp 8.000 Vier-Personen-Haushalten, „also einer Stadt mit 32.000 Bürgerinnen und Bürgern.“

HHU-Strom von TÜV NORD als „Geprüfter Ökostrom“ zertifiziert

„Der von der HHU bezogene Strom aus regenerativen Quellen ist durch den TÜV NORD nach ‚Geprüfter Ökostrom‘ zertifiziert“, erklärt ein Sprecher der HHU auf Nachfrage unserer Redaktion. Das bedeutet, dass der Strom „zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien wie Wasser- und Windkraft sowie Photovoltaik“ stammt. Die Kosten seien dabei überschaubar und würden zu einer Steigerung in „geringem Maße von unter 0,5 Prozent der Gesamtkosten“ führen.

Die Verantwortlichen betonen, „dass diese Umstellung ein Teil eines umfassenden Pakets zur Ressourcenschonung ist.“ Dieses umfasse vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz in vielen Bereichen, wie Uni-Kanzler Dr. Martin Goch ausführt: „Hierzu gehören auch Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung oder der großflächige Einsatz von LED-Lampen, der erst kürzlich auf dem Südcampus erfolgte.“

Im kommenden Jahr soll eine uni-eigene Photovoltaik-Anlage hinzukommen, „deren Strom direkt ins Universitätsnetz eingespeist wird.“ Die Anlage werde eine Fläche von rund 3.000 Quadratmetern und eine Peakleistung von 545 Kilowatt (kW) umfassen, woraus eine durchschnittliche jährliche Stromproduktion von rund 500 Megawattstunden (MWh) resultiere, also etwa 1,6 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Universität.

Graustrom versorgt fast die gesamte Bergischen Universität Wuppertal

Die Bergische Universität beziehe hingegen Graustrom von dem Versorger REWAG, der auch Kern- und Kohleenergie enthält (REWAG-Stromkennzeichnung). Auf die Frage unserer Redaktion, ob eine Umstellung auf Ökostrom geplant ist, heißt es von einer Pressesprecherin der Hochschule: „Bisher gibt es noch keine Überlegungen dazu, die nächste Ausschreibung ist für Sommer 2021 geplant.“ Der Verbrauch der Bergischen Universität liege bei etwa 23 GWh, was 2019 etwa 3,9 Millionen Euro gekostet habe. Zwar hätten die Verantwortlichen der Wuppertaler Uni Maßnahmen zur Reduzierung des Strombedarfes ergriffen, zum Beispiel mit stromsparenden Kühlanlagen und LED-Beleuchtung, doch „steigt der Stromverbrauch durch die steigende Zahl an Hochschulangehörigen, den immer höheren Grad an Technisierung und mehr Großgeräten beständig an.“

Das Hochschul-Sozialwerk Wuppertal (HSW) hingegen, verantwortlich für die Wohnheime und die gastronomischen Einrichtungen am Campus, bezieht nach eigenen Angaben seit 2012 zertifizierten Ökostrom von den Wuppertaler Stadtwerken (WSW), der ab Januar 2021 mit dem vom TÜV-geprüften „Gütesiegel RenewablePLUS“ zertifiziert sein soll. Dieses Zertifikat gewährleiste etwa, dass in den Ausbau von erneuerbaren Energien investiert wird und der bezogene Strom zu 100 Prozent klimaneutral ist. Letzteres bedeutet: „Die CO2-Emissionen, die bei Bau und Betrieb der Kraftwerke anfallen, werden durch Emissionsminderungszertifikate klimaneutral gestellt.“ (RenewablePLUS)

Für HSW-Geschäftsführer Fritz Berger haben die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt einen hohen Stellenwert: „Wir wollen stets so umweltfreundlich wie möglich handeln – so steht es bereits seit 1995 in unserem Leitbild. Deshalb bauen wir nicht nur ökologisch bundesweit beispielhafte Wohnheime, wir wollen sie natürlich auch nachhaltig betreiben – und das machen wir seit Jahren mit Grünem Strom.“

Keine Übersicht zur Energieversorgung der nordrhein-westfälischen Hochschulen

Beim Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW hat sich unsere Redaktion erkundigt, wie sich die Energieversorgung der nordrhein-westfälischen Hochschulen gestaltet. Eine Pressesprecherin antwortete uns dazu: „Eine solche Übersicht liegt dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft nicht vor, da die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ihre Energieressourcen selbst beschaffen.“ Zahlreiche Hochschulen bieten jedoch Informationen auf ihren jeweiligen Internetseiten an.

Die Universität Bonn hat Ende 2019 auf Ökostrom umgestellt. Kanzler Holger Gottschalk erklärte damals: „Damit sinkt der auf der Stromversorgung basierende Kohlendioxid-Ausstoß der Universität Bonn auf null. Das ist angesichts des erheblichen Strombedarfs von rund 55 Gigawattstunden pro Jahr ein ganz wesentlicher Schritt zur Verbesserung des CO2-Fußabdrucks unserer Universität.“ Die Kosten seien dabei überschaubar geblieben: 50.000 Euro mehr pro Jahr bei rund 10,5 Millionen Euro Gesamtenergiekosten. Laut Nachhaltigkeitsbericht der Universität Duisburg-Essen beziehe die Hochschule seit Anfang 2020 ihren Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen (vgl. S. 55).

Universitäten in Nordrhein-Westfalen sind ihre eigenen Stromproduzenten

Die Technische-Universität Dortmund, die Ruhr-Universität Bochum (RUB) und die Universität Konstanz sind ihre eigenen Stromproduzenten. Alle drei verfügen jeweils über eigene Blockheizkraftwerke (BHKW). Die Bochumer Anlage wurde Ende 2018 in Betrieb genommen und soll – neben einem Teil der Hochschule – die Wärme- und Stromversorgung des Bochumer Südens decken. Das Dortmunder Kraftwerk wurde 2019 erneuert und produziere 15 Millionen Kilowattstunden Strom. Dem stehe ein Verbrauch von 90 Millionen Kilowattstunden Gas und 25 Millionen Kilowattstunden Strom gegenüber, wie die TU auf ihrer Webseite ausführt. Laut Nachhaltigkeitsbericht der Uni Konstanz würden die drei uni-eigenen Kraftwerke „beinahe die gesamte benötigte Wärmemenge selbst produzieren“ und die Hälfte des eigenen Strombedarfes decken (vgl. S. 18).

Kein Nachhaltigkeitsbericht und keine aktuellen Umweltleitlinien an der Uni Wuppertal

Auch an der Bergischen Universität wird Strom produziert. Neben den drei Anlagen am Flügelhügel, deren Vorgänger nicht funktionierten und Teil eines Gerichtsverfahrens waren, befinden sich noch jeweils eine Photovoltaikanlage am Campus Freudenberg und am Campus Haspel. Alle drei Standorte würden die produzierte Energie ins Uninetz einspeisen. Da die Anlagen jedoch nicht vom uni-eigenen Gebäudedezernat betrieben werden – der Flügelhügel gehört zu den Wuppertaler Stadtwerken, die Anlagen am Haspel und Freudenberg zweien Lehrstühlen – konnten uns von Seiten der Pressestelle der Bergischen Universität keine Auskünfte bezüglich der produzierten Energie erteilt werden.

Dennoch betont eine Sprecherin der Universität, dass sich die Hochschule bereits an vielen Stellen und über die meisten Fakultäten wie auch die Verwaltung hinweg für das Thema Nachhaltigkeit einsetzen würde: „Um diese Aktivitäten zu untermauern, wurde eine ‚AG Nachhaltigkeit‘ beschlossen, die sich umfassend mit diesen Themen auseinandersetzen wird.“

Über einen aktuellen Nachhaltigkeitsbericht oder Ähnliches – wie ihn andere Hochschulen haben – verfügt die Bergische Universität nicht. Die letzten Umweltleitlinien, die einen Handlungsrahmen für diesen Bereich spannen würden, stammen aus dem Jahr 2001 und sind online nicht verfügbar. Im Vergleich zu anderen Universitäten scheint die Bergische Universität in diesem Punkt offenbar hinterherzuhinken. »mw«

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  1. Dennis Halbach

    Sehr gut recherchierter Artikel?

    Die Werte für die Photovoltaikanlage am Freudenberg finden sich hier [1]. Klar ist sofort: Auch mit ~100MWh pro Jahr kann selbst so eine große Anlage wie die am Freudenberg nicht mal 0,5% des Stromverbrauchs der Uni decken!
    Interessant finde ich hier [1] die Angabe zur CO2-Vermeidung der Anlage. Auch wenn diese zwar ein bisschen zu hoch erscheint [2], ist dies nichtsdestotrotz eine große Einsparung, die eine riesige Summe Geld einspart: Das Umweltbundesamt schätzt die pro erzeugter Tonne CO2 aufgrund von Umweltschäden entstehenden Kosten für die Gemeinschaft auf 180€ pro Tonne [4, 5]. Daraus ergibt sich bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß seit 2014 von ca. 500 g/kWh [3] eine Ersparnis fürs Gemeinwohl von ca. 55.000€ pro Jahr allein durch die Anlage am Freudenberg. Zusätzlich zu gesparten Stromkosten über die letzten Jahre sollte sich die Anlage also definitiv rentieren (auch wenn hier eine genauere Recherche zu den einzelnen Kostenpunkten dieser Anlage interessant & vonnöten wäre).

    Wie viel Kosten verursachen denn die 23GWh der Uni für die globale Gesellschaft über die bloßen Stromkosten hinaus? Die BUW bezieht ihren Strom von den Stadtwerken München. Diese geben ihren CO2-Ausstoß für Geschäftskunden-Strom mit 195 g/kWh an [7], der damit unter dem deutschlandweiten Schnitt von 400 g/kWh liegt [8]. Dies führt zu Kosten in Höhe von ca. 810.000€. Pro Jahr.
    Nimmt man hingegen die Zahlen des Umweltbundesamtes für den deutschen Strommix (ca. 400 g/kWh [3]), käme man sogar auf 1.650.000€, die unsere Uni pro Jahr an Umweltschäden erzeugt. Sobald sich also der Stromerzeuger bei der erwähnten Strom-Ausschreibung nächstes Jahr ändert, werden sich die Umweltschäden vermutlich verdoppeln!!! In Anbetracht der Tatsache, dass offensichtlich starke Schwankungen (hier: Faktor 2) bestehen beim Strommix der jeweiligen Anbieter ist aus meiner Sicht sogar eine Verdreifachung oder Vervierfachung der Kosten denkbar, das entspräche 3,2 Millionen Euro – pro Jahr!

    Der Fall der Uni Bonn, die der Umstieg auf Ökostrom lediglich 50.000€ gekostet hat (trotz deutlich höherem Strombedarf als bei der BUW!), zeigt: Die Kosten dürften für die BUW im Rahmen bleiben. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so ist diese Kostendifferenz dennoch in jedem Fall eine sinnvolle Investition von Steuergeld mit dem Ziel, Kosten für die Steuerzahler in vielfacher(!) Höhe an anderer Stelle einzusparen. Es handelt sich hierbei (abgesehen vom Bildungs- und Forschungsauftrag) um eine ganz klare gesellschaftliche, humanitäre Verpflichtung, der die BUW nachkommen sollte – nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die eigenen Forscher aus dem Bereich der Atmosphärenphysik ein solches Vorgehen unterstützen und die wissenschaftliche Dringlichkeit im Rahmen des Klimawandels ausreichend belegen könnten, sollte hier Bedarf bestehen. Bleibt die Frage, wieso unsere Uni da nicht die Mehrkosten in die Hand nimmt, auf Ökostrom umzusteigen. Die Verhandlungen zur neuen Strom-Ausschreibung dürften im Januar 2021 beginnen. Demonstrationen (z.B. von Fridays For Future) werden bis dahin eher rar gesät sein. Der Wille zu Veränderung kann daher nicht primär von unten kommen. Hier sind ganz klar der Rektor & Kanzler gefragt!

    [1] https://ema.uni-wuppertal.de/de/photovoltaikanlage/einspeisedaten.php
    [2] Selbst wenn man mit dem im Vergleich zu heute etwas höheren CO2-Ausstoß pro kWh in Deutschland von 2014 (Baujahr der Photovoltaikanlage) rechnet [3], läge die CO2-Ersparnis bei grob 365 Tonnen CO2 statt 394 Tonnen. Angemessener erscheint bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro kWh von ca. 500 g/kWh seit 2014 [3] eine CO2-Einsparung von grob 300 Tonnen CO2.
    [3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energieversorgung/strom-waermeversorgung-in-zahlen?sprungmarke=Strommix#
    [4] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/hohe-kosten-durch-unterlassenen-umweltschutz
    [5] Dem aufmerksamen Leser mag auffallen, dass die Umweltkosten die angepeilte CO2-Bepreisung der Bundesregierung von anfänglich 10€ und später 35–60€ [6] um ein Vielfaches übersteigen…
    [6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/co2-preis-fuer-waerme-und-verkehr-1682074
    [7] https://www.swm.de/dam/swm/dokumente/m-strom/stromkennzeichnung.pdf (Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2018 und sind dementsprechend kompatibel mit den erwähnten 400 g/kWh vom UBA von 2018 [3])
    [8] Die CO2-Emissionen scheinen aufgrund eines höheren Anteils von Atomstrom und erneuerbaren Energien sowie einem dementsprechend geringeren Anteil an Kohlestrom unter vom deutschlandweiten Durchschnitt laut UBA [3] zu liegen.

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