Regelstudienzeit: 79 Prozent schaffen sie nicht

Wer ein Studium aufnimmt, weiß schon vom ersten Blick in die Prüfungsordnung, in welcher Zeit sein Studiengang abzuschließen ist. Dass das modularisierte Studium und der ideale Studienverlaufsplan häufig mit dem Leben kollidiert, ist sowohl den Studierenden, als auch der Hochschule bewusst. Laut Rektoratsbericht 2016 absolvieren nur rund 21% der Studierenden ihr Studium in Regelstudienzeit.

Ein Bachelorstudium kann an deutschen Hochschulen in sechs bis acht Semestern abgeschlossen werden. Je nach Fach, kann anschließend in zwei bis vier Semestern einen Master studiert werden. Nach im Schnitt fünf Jahren ist so theoretisch aus einem Studienanfänger ein erfolgreicher Absolvent geworden.

Wann ein Studium in Regelstudienzeit möglich ist

„Ein Studium in Regelstudienzeit abzuschließen“, so Professor Dr. Martin Ohst, Professor für Evangelische Theologie an der Bergischen Universität, „erfordert ideale Bedingungen: Wenn der Studierende fleißig und effizient arbeiten kann, keine finanziellen Sorgen hat und im besten Fall neben dem Studium nicht arbeiten muss, dann ist das kein Problem. Das ist aber bei den wenigsten der Fall. Wenn bei einem längeren Studium die Grundrichtung stimmt, muss man nur ein bisschen nachjustieren und dann weiter so. Da ist das Beratungsangebot hier in Wuppertal wirklich gut, hier hat man ein offenes Ohr für die Studierenden.“

75% der Wuppertaler Studierenden jobben neben dem Studium

Die vorgesehene Regelstudienzeit kann aus verschiedenen Gründen schnell überschritten werden. So müssen 75% der Wuppertaler Studierenden neben dem Studium jobben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, wie die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks von 2017 zeigt. Das lässt die Parzelle Studium ebenso kleiner werden, wie die Übernahme sozialer Aufgaben, wie etwa die Pflege von Angehörigen, Kindererziehung, oder der Ausfall durch Krankheit.

Hilfe in schwierigen Lagen gibt es bei der Studienberatung

Häufig sind es mentale Umstände, die das Studium in die Länge ziehen, wie Überforderung mit den Strukturen und Anforderungen des Studiums, Prüfungs- oder Versagensängste, bis hin zu ausgewachsenen Lebenskrisen. Spätestens dann sollten Studierende sich Hilfe bei der Zentralen Studienberatung (ZSB) suchen. „Unser Ziel ist es, dass Studierende zufrieden und erfolgreich studieren können“, so Dr. Christine Hummel, Leiterin der ZSB der Bergischen Universität. Sie wünscht sich, dass Studierende frühzeitig ihren Hilfebedarf erkennen und in die Beratungsstelle kommen.

Denn das Beratungs- und Coachingangebot der ZSB ist ausgesprochen breit. Schon von Studienbeginn an bietet sie Studierenden Unterstützung bei der Orientierung und Organisation ihres Studiums. In verschiedenen Workshops können Schlüsselqualifikationen erworben werden, die das Studieren erleichtern sollen, von der Erstellung von Hausarbeiten, über das Zeit- und Selbstmanagement, bis hin zu Strategien zur Stressbewältigung und Burnoutprävention. „ Das Beratungsnetzwerk innerhalb der Hochschule ist groß“, so Dr. Hummel.

In einem geschützten Umfeld, außerhalb des Lehrbetriebs der Hochschule, finden Studierende darüber hinaus bei der psychologischen Beratungsstelle der Universität Unterstützung in schwierigen Studien- und Lebenssituationen. In persönlichen Gesprächen werden hier völlig vertraulich die Wünsche und Bedürfnisse der Ratsuchenden erörtert und gemeinsam nach Lösungen gesucht.

„Das Beratungsangebot bei uns in Wuppertal ist schon sehr gut!“

Die kommende Novellierung des Landeshochschulgesetzes soll es Hochschulen in Zukunft ermöglichen, Studierende schon nach Ablauf des dritten Semesters zu Beratungsgesprächen zu verpflichten, sollten die Lernziele bis dahin nicht erreicht worden sein. Daran anschließen könnte sich eine Studienverlaufsvereinbarung zwischen Hochschule und Studierendem, deren Nichteinhaltung Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Prof. Dr. Andreas Frommer, Prorektor für Studium und Lehre, hält von solch restriktiven Maßnahmen nichts. Die Bergische Universität beabsichtige nicht, eine Zwangsberatung einzuführen. „Das Beratungsangebot bei uns in Wuppertal ist schon sehr gut, in Zukunft werden wir einen noch stärkeren Fokus auf die Studienanfänger legen.“ Beratung, so macht er noch einmal klar, setze immer Freiwilligkeit voraus und das werde auch so bleiben. »lili«

Dieser Artikel erschien bereits in der Printausgabe der Westdeutschen Zeitung vom 11. Juli 2018.

Gastautor: Lilian Engel – »lili«

Lilian Engel studiert im Master Literaturwissenschaften und schreibt als Autorin beim studentischen Literatur und Kulturmagazin »Auf der Höhe« und als freie Journalistin bei der Westdeutschen Zeitung (WZ).

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  1. Schöner Artikel, leider fehlt noch ein wichtiger Aspekt zum Thema Regelstudienzeit, „Was ist die Regelstudienzeit?“ bzw „Warum gibt es die Regelstudienzeit?“.

    Eingeführt wurde sie als Rechtsanspruch für die Studierenden gegenüber der Universität um das Studium in einem festgelegten Zeitraum absolvieren zu können. Oftmals wurden vor der Einführung Fächer so selten angeboten, dass es zu nennenswerten Verspätungen beim Abschluss des Studiums kam. Sie ist nicht als Bringschuld gegenüber der Studierenden oder Maßstab des Studienerfolges gedacht gewesen, auch wenn sie inzwischen dazu geworden ist.

  2. Christian Martin

    Ich kann mich Sascha nur anschließen. Es geht um einen Rechtsanspruch der Studierenden, der in fast allen Diskussionen zum Thema fälschlicher Weise gegen die Studierenden ausgelegt wird.
    Auch dieser Artikel basiert auf diesen falschen Annahmen, weil diese Verkehrung sich in den meisten Köpfen schon fest gesetzt hat und so soziale Realitäten schafft (Leistungsdruck, psychische Belastungen, ect.). Statt den Studierenden zu erklären, was sie tun sollen, wenn sie drohen an der Regelstudienzeit zu scheitern, sollte man lieber den Druck von Studierenden nehmen, indem man ihnen erklärt, dass es gar kein Problem für sie ist, wenn sie die Regelstudienzeit nicht einhalten. Im Gegenteil, es gibt keinen vernünftigen Grund, warum es erstrebenswert sein sollte in der Regelstudienzeit fertig zu werden. Lasst euch nicht einreden, dass es eine Regelstudienzeit für Studierende gibt!
    Leider wurde die Regelstudienzeit für den Bafög-Bewilligungszeitraum zugrunde gelegt, um einen kostengünstigen Richtwert zu haben. Dieser hat jedoch nichts mit der Studienrealität zu tun und erzeugt unnötige Existenzängste. Es wäre sinnvoller, wenn sich die Beteiligten (z.B. Rektoren, Studierendenvertretungen, Hochschulsozialwerke, Kultusministerium) zusammen setzten und ein realistisches Konzept für das Bafög erarbeiten, statt darüber zu lamentieren, warum reale Menschen an erfundenen Zahlen scheitern!

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