w( )( )del – Wie seid ihr denn drauf?

Spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Idee aufkam, Studierende für die Stimmabgabe bei der anstehenden StuPa-Wahl mit Freibier zu belohnen, wurde der Niedergang der politischen Kultur an der Uni Wuppertal deutlich. Könnte man meinen. Vielleicht sind auch einfach nur die Strukturen der Studierendenvertretung nicht mehr zeitgemäß, wie wir aus dem Bildungsstreik lernen konnten. Ein Plädoyer für beides: Gremienarbeit und mündiges Eigenengagement.

Wuppertal, AStA-Büro am 17. Mai. Wie jede Woche tagt der AStA, um organisatorische Begebenheiten zu klären, über aktuelle Ereignisse an der Uni und in der gegenwärtigen Hochschulpolitik zu diskutieren und kommende Veranstaltungen zu planen. Die Wahl des Studierendenparlaments wirft ihre Schatten voraus; am letzten Tag möchten AStA, StuPa und Wahlausschuss wie eigentlich jedes Jahr eine Wahlparty veranstalten, auf der Kandidierende wie Wählende auf das Ende der Auszählung und die Ergebnisverkündung warten, um dann im Anschluss ihre Euphorie in Tanzschritte umzusetzen oder ihren Frust in kostengünstigem Bier aus dem AStA-Kühlhaus zu ertränken.

Die studentischen Gremien im allgemeinen und der AStA im speziellen kämpfen jedoch seit Jahren mit den immer gleichen Problemen: in AStA, StuPa und Fachschaften gibt es reichhaltige Möglichkeiten, die Studien- und Lebenssituation an der Hochschule positiv zu beeinflussen, jedoch sinkt die Bereitschaft, sich dort zu engagieren, mit der Wahlbeteiligung um die Wette. Kulturelle Veranstaltungen sind gut organisiert, hochwertig und für den studentischen Geldbeutel erschwinglich, locken jedoch nur eine verschwindend geringe Anzahl Studierender auf die für Veranstaltungen aller Art eigentlich hervorragend geeignete AStA-Ebene.

Um beiden Trends entgegenzuwirken, machte am besagten Dienstag ein skurriler Vorschlag die Runde: um Studierende zum Wählen zu bewegen und auf die anschließende Party zu locken, erhält jedeR StudentIn bei der Stimmabgabe einen Gutschein, die er oder sie am 1. Juli gegen ein Getränk seiner oder ihrer Wahl eintauschen kann. Wenn ernsthaft erwogen werden muss, Studierende mit derartigen Mitteln zur Wahl ihrer Vertretungen und zum Erscheinen bei studentischen Parties zu ködern, ergibt sich aus der Sicht der in den Gremien engagierten Studierenden eigentlich nur eine Frage: Wie seid ihr denn drauf?

Wie steht es also um die politische Partizipationsbereitschaft der Studierenden des Jahres 2011? In den Medien herrscht seit Jahren eine verbitterte Diskussion darüber, ob die Generation der 20- bis 30-Jährigen politik- bzw. parteiverdrossen ist oder ob sie sich schlichtweg nicht mehr von klassischen Arten der gesellschaftlichen Einflussnahme angesprochen fühlt. Das Engagement von Studierenden in Parteien, Gewerkschaften und anderen politischen Organisationen ist höher als bei ihren nicht studierenden AltersgenossInnen, nimmt aber dennoch stetig ab; ähnliches lässt sich für die Beteiligung bei Wahlen auf allen Ebenen beobachten. Zwischenzeitlich ist es der Piratenpartei gelungen, mit einer zugeschnittenen Thematik und offenen wie modernen Strukturen jüngere Menschen für sich zu gewinnen; bei Umfragen im U-30-Bereich konnte die Partei teilweise Werte im zweistelligen Prozentbereich für sich beanspruchen. Bei tatsächlichen Wahlen blieben die Piraten bislang jedoch nahezu bedeutungslos, was zum Teil der Fünf-Prozent-Hürde und der damit verbundenen Angst vieler potentieller WählerInnen, ihre Stimme zu verschwenden, zum anderen aber auch dem Umstand geschuldet ist, dass ihre Kernthemen (Datenschutz, Freiheitsrechte, Neue Medien) zwar gemeinhin als wichtig erkannt wurden, jedoch nur in den seltensten Fällen wahlentscheidend waren – zumal sich ihre Positionen in diesen Kernbereichen letztendlich nicht signifikant von denen etablierterer Parteien (v.a. Grüne, Linke, FDP) unterscheiden.

In vielen südeuropäischen Ländern – allen voran Griechenland und Spanien – würde sich wohl niemand über eine politikverdrossene Jugend beklagen. Hier reagieren Tag für Tag Zehntausende in den großen Städten auf das Krisenmanagement ihrer Regierungen, die häufig die VerursacherInnen und Profiteure der Finanzmisere der letzten Jahre mit einem blauen Auge davon kommen lassen und stattdessen soziale Leistungen und ArbeitnehmerInnenrechte zusammenstreichen. Auch hier sind es nicht länger politische Parteien, die ihre AnhängerInnen in Massen auf die Straßen mobilisieren; vielmehr organisieren sich die Menschen längst ohne übergeordnete Organisationen selbst und hierarchiefrei über persönliche Kontakte und das Internet.

Überhaupt haben E-Mails und so genannte soziale Netzwerke dem klassischen Flyer längst den Rang abgelaufen; das zeigen Anti-Atom-Mahnwachen in der Elberfelder Innenstadt ebenso wie eine Hamburger Schülerin, die ausversehen die ganze Facebook-Welt zu ihrem 16. Geburtstag einlud und innerhalb von einer Woche eine fünstellige Anzahl an Gästen erwartete. Bevor der Wahlausschuss zur StuPa-Wahl die Wahlzeitung veröffentlichte und den kandidierenden Listen Papier für Plakate zur Verfügung stellte, hatte der Wahlkampf im Internet schon begonnen. Die KandidatInnen stellten sich und ihre Ziele auf eigenen Seiten vor und üben auf Facebook schon mal die angeregte Debatte mit der politischen Konkurrenz; studentische Medienprojekte wie Engelszunge.info und Blickfeld berichten über die Arbeit des Wahlausschusses und die Außendarstellung der Listen. Es ist für Studierende deutlich leichter geworden, sich über ihre potentiellen VertreterInnen zu informieren, ebenso ist es jedoch für diejenigen, die sich nicht tagtäglich in der Arbeit der studentischen Gremien bewegen, schwieriger, überhaupt noch den Überblick zu behalten.

Ist es vielleicht aber eben auch die Struktur der studentischen Gremien, die mittelfristig einer Überarbeitung bedarf? Wenn Parteien an Zulauf verlieren, wenn sich Menschen – sofern sie sich politisch einbringen wollen – nicht mehr darauf einlassen, ihre demokratische Partizipation in regelmäßigen Abständen lediglich auf ein Kreuz auf einem Stimmzettel zu beschränken, wieso sollte dann die parlamentarische Vertretung im Mikrokosmos Hochschule noch zeitgemäß sein? Hat nicht der Bildungsstreik im Sommer 2009 gezeigt, dass sich mehr bewegt, wenn Studierende radikalere Formen der Demokratie leben und Vertretungsinstitutionen nur noch am Rande mitmischen?

Allein es fehlt der Widerspruch! StuPa und AStA sollen keinen Gegensatz zum eigenen Engagement darstellen; sie sollen es vielmehr durch ihre finanziellen und infrastrukturellen Möglichkeiten unterstützen. Und: Hochschulpolitik ist nicht immer Revolte. Zu den Aufgaben der studentischen Gremien zählen auch mäßig spannende (aber wichtige) Verwaltungsakte und die Mitarbeit in mäßig sinnvollen Arbeitskreisen wie der Studienstiftung der Universität. Man reibt sich auch mal an Satzungen oder diskutiert stundenlang über Angebote für Tische und Stühle, hat am Ende aber tatsächlich etwas zu bieten; sei es eine frischgedruckte AStA-Zeitung, eine Party, die nicht den BAföG-Höchstsatz für Getränke verschlingt, ein Ticket, mit dem man in ganz NRW auf verspätete Züge warten darf, eine Beratung für den Umgang mit zickigen Ämtern oder eben auch politisch interessierte VertreterInnen, die sich Gesetzesvorlagen des Ministeriums genau ansehen und es ihm gegebenenfalls um die Ohren hauen. Gebt dieser aussterbenden Gattung eine Chance, auch ohne Freibier! »bw«

Der Artikel wurde in der 9.Ausgabe (Juli 2011) der „n.n.“ – Zeitung des AStA der BU Wuppertal – veröffentlicht.

Gastautor: Bastian Wefes – »bw«

Bastian Wefes studiert Anglistik und Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität. In den letzten vier Jahren war er unter anderem Mitglied des Studierendenparlamentes, des Fachschaftsrats des Fachbereichs A und des AStA (als Referent für Hochschulpolitik, Vorsitzender und Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit).

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