Was ist neutrale Hochschulpolitik und woher kommt sie?

Ein Kommentar

Ein Gespenst geht um an der Bergischen Universität, das Gespenst der politischen Neutralität. Wo ist die hochschulpolitische Gruppierung, die sich nicht auf die Fahnen schreibt, politisch neutral oder gar unpolitisch zu sein? Wo ist der hochschulpolitisch aktive Studierende, der nicht beteuert, sich ganz „pragmatisch“, ohne „ideologische Scheuklappen“ oder was der Jargon der Neutralität noch an Formulierungen hergibt, für alle Studierenden gleichermaßen engagieren zu wollen? Woher aber kommt diese vermeintliche oder doch tatsächliche Neutralität, die so scheint es, nahezu alle im Munde führen und wie eine Auszeichnung vor sich hertragen?

Unabhängig davon, ob man diese Art der Hochschulpolitik als zu begrüßende Alternative zu einer von allgemeinpolitischen, weltanschaulichen Grabenkämpfen geprägten Hochschulpolitik begreift oder als Ausdruck einer allgemeinen Entpolitisierung kritisiert, muss man sich die Frage stellen, welches die Grundannahmen dieses Deutungsmuster sind und wie es zum weithin dominierenden in der Hochschulpolitik wurde. Ich möchte dazu im Folgenden einige Erklärungsansätze vorstellen, die mir schlüssig erscheinen.

Eine Grundannahme der neutralen Hochschulpolitik ist, dass es möglich und wünschenswert sei, die Interessen aller Studierenden gleichermaßen zu vertreten. Tatsächlich gibt es Interessen und Forderungen, die von nahezu allen Studierenden geteilt werden, so würde sich beispielsweise niemand gegen Verbesserungen in der Lehre aussprechen oder gegen Maßnahmen die das Studieren erleichtern. Verlässt man allerdings diese allgemeine Ebene, wird man feststellen, dass es sich bei den Studierenden mitnichten um eine homogene Gruppe handelt, sondern sie sich weit ausdifferenzieren anhand der über die Universität hinausgehenden Interessen eines jeden Einzelnen aber auch in fachbereichstypische Milieus. Dem könnte man durchaus berechtigt entgegnen, dass die Hochschulpolitik sich nur mit dem befassen sollte, was die Studierenden in ihrer Rolle als Studierende betrifft. Selbst die allgemeinsten Forderungen können jedoch von bildungspolitischen und auch weltanschaulichen Gegensätzen durchzogen sein. So kann jemand, dem ehrlich und aufrichtig daran gelegen ist, die Qualität der Lehre zu verbessern, in Studiengebühren eine Möglichkeit sehen, dies zu erreichen, womit er aber das Ziel, welches alle Studierenden teilen dürften, auf eine Weise zu erreichen versucht, die die Betroffenen im höchsten Maße polarisiert und sich damit letztendlich nicht für die Studierenden insgesamt einsetzt, sondern lediglich für jene, die seine Auffassungen teilen. Ähnliches ist bei konkreteren Themen zu beobachten. Einige sind begeistert von der möglichen Einführung einer Unicard, andere wiederum lässt sie völlig kalt, längere Bibliotheköffnungszeiten werden von den einen als Erleichterung des Studienalltags empfunden während sie von anderen gar nicht genutzt werden und somit uninteressant sind. Wie man es auch dreht oder wendet, Neutralität in der Hochschulpolitik mag zwar ein durchaus hehres Ziel sein, ist in der Praxis jedoch kaum umsetzbar, da man immer konkrete und allgemeine Schwerpunkte in der politischen Arbeit setzt, die von einigen befürwortet und von einigen abgelehnt werden. Dies gilt ebenso für die als Losgelöstheit von weltanschaulichen Positionen verstandene Neutralität, die in hochschulpolitischen Grundfragen ebenso wenig zu wahren ist, wenn es die Positionierung zu kontroversen Themen wie beispielsweise Studiengebühren betrifft.

Die Entstehung der neutralen Hochschulpolitik betreffend scheint mir die Erklärung nachvollziehbar, dass aufgrund der Überschaubarkeit der hochschulpolitisch aktiven Studierenden an der Bergischen Universität es schlicht nicht möglich ist, alle Positionen mit Leuten aus dem eigenen politischen Lager zu besetzen und so verstärkt die Zusammenarbeit mit hochschulpolitischen Gruppen aus anderen politischen Lagern gesucht wird. Dies führt in der Konsequenz natürlich auch dazu, dass aus der Notwendigkeit eine Tugend wird und man politische Auseinandersetzungen fürchtet, da der reibungslose Ablauf der hochschulpolitischen Arbeit damit insgesamt gefährdet ist. Ein Blick auf die hochschulpolitische Lage an anderen Universitäten offenbart andere Sichtweisen, die ihrerseits auch in anderen Voraussetzungen wurzeln. So trat beispielsweise an der Berliner Humboldt-Universität zu den diesjährigen StuPa- Wahlen eine Liste mit 49 Kandidaten an, was die Zahl der an der BUW insgesamt zur StuPa-Wahl angetretenen Kandidaten nur leicht unterschreitet. Ebenso scheinen an der HU die Listen in höherem Maße an verschiedene studentische Milieus gebunden zu sein. Der dortige RCDS besteht nahezu ausschließlich aus Jurastudenten während in der Linken Liste die Fächer Geschichte, Philosophie und SoWi dominieren. Auch die Wahlzeitung bietet ein völlig anderes Bild. Statt grafisch aufwändig gestalteter Seiten mit den Fotos der Kandidaten findet man dort nur in Textform gehaltene Beiträge, in denen die inhaltlichen Positionen der Listen vorgestellt werden. Ein solches Umfeld führt natürlich eher dazu, dass genuin politische Auseinandersetzungen geführt werden, man ist schließlich auf die anderen politischen Lager nicht angewiesen, um den hochschulpolitischen Alltagsbetrieb am Laufen zu halten.

Ob eine dieser beiden Arten, Hochschulpolitik zu betreiben, besser ist, sei dahingestellt, letztendlich ist die Art der hochschulpolitischen Arbeit von mehreren Faktoren abhängig, von der Anzahl der politisch Aktiven, der politischen Vielfalt, den allgemeinen Bedingungen an der Uni (Studierendenstadt oder Pendleruni? 10.000 Studierende oder 50.000? etc.) und nicht zuletzt davon, wie stark politisiert die Studierendenschaft selbst ist. Auch die Idee einer neutralen Hochschulpolitik ist ein Produkt all dieser Faktoren. »dk«

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