Der Ruhrtal-Radweg

Studentin oder Student der Bergischen Universität Wuppertal? Die Studentenbude erscheint zu klein? Das Konto ist knapp? Die Lust etwas zu unternehmen ist jedoch unverändert groß? Der Ruhrtal-Radweg hilft! Wir, zwei Studenten aus Wuppertal und Bochum, machen den Selbstversuch.

Der Ruhrtal-Radweg ist eine 230 Kilometer lange Fahrradroute, die sich von Winterberg nach Duisburg erstreckt. Der überwiegende Teil der Radwege führt abseits der Hauptverkehrsstraßen. Der Weg nach Winterberg ist mit nicht viel Aufwand zu bewältigen. Drei Zugverbindungen bringen den Reisenden von Wuppertal auf 667,9 m ü. NN zur beliebten Kleinstadt im Nordosten des Rothaargebirges. Wir haben nicht viel dabei. In unserem Gepäck befinden sich zwei NRW-Tickets und zwei Fahrkarten für die Fahrräder. 3,50€ pro Fahrrad haben wir investiert. Unsere Fahrt startet feierlich. Ein Junggesellenabschied. Für zwei Euro erstehen wir zwei Klopfer. Diesen müssen wir dann auch um 08.00 in der Frühe mit dem Noch-Junggesellen leeren. Diesen gewöhnungsbedürftigen alkoholischen Exkurs verdrängen wir mit Brötchen und Kakao, während uns der Zug unbeirrt weiter in Richtung unseres heutigen Bestimmungsortes fährt. In Wickede, dem Umsteigebahnhof nach Winterberg, erwartet uns ein geschotterter Bahnsteig. Wickede ist dörflich. Als Nicht-Einheimischer sollte man wissen, dass erst der nächste Zug in den Bahnhof einfahren kann, wenn man sich hinter den Schranken befindet! Der ein oder andere wissende Einheimische kann schon mal sauer werden, wenn man sich das als Tourist nicht denken kann. Die Fahrt von Wickede nach Winterberg gleicht der Fahrt durch eine märchenhafte Modellbauwelt. Willkommen im Märklin-Land. Durch sanfte Hügel, kleine Dörfer und weite Wiesen fährt die Dieselbahn auf dem einspurigen Gleis, das nach Winterberg führt. Es geht stetig bergauf. In Winterberg werden wir direkt vom Ruhrtal-Radweg willkommen geheißen.

Der Ruhrtal Radweg © murm

Nach einem ersten Hügel, der zum Warmmachen dienen soll, da sind wir uns einig, und etwa 15 Minuten Fahrzeit erreichen wir die Ruhrquelle. Ein kleiner Rinnsaal lässt hier nicht vermuten, wie breit und lang sich die Ruhr in ihrer endlichen Route von etwa 119 Kilometern erstreckt. Hier trifft man sich.

Wanderer, die sich auf der Wanderroute des Rothaarsteigs befinden. Spaziergänger, die sich fotografieren lassen. Fahrradfahrer, die sich vom ersten Hügel erholen müssen. Sie alle sitzen hier auf den Mauern, die den Rinnsaal umgeben, hören dem Plätschern zu, verspeisen den ersten Teil ihres Proviantes, berühren das Wasser und lassen sich fotografieren. Auch wir verewigen uns auf einem Bild. Die ersten drei bis vier Kilometer fühlen wir uns wie ein Teil einer Karawane. Links, rechts, vorne und hinten umgeben uns andere Fahrradfahrer. Einige haben reichlich Gepäck auf ihren Drahteseln. Andere sitzen auf Mountainbikes und versuchen sich möglichst schnell vom Fahrrad fahrenden Pulk abzusetzen. Auch wir ermitteln schnell unsere liebste Reisegeschwindigkeit und lösen uns so nach und nach von der Karavane. Es geht bergab. Das motiviert. Wir haben uns immerhin vorgenommen, die Strecke nach Hause an einem Tag zu bezwingen. Inzwischen haben wir das Gefühl, die einzigen Menschen in dieser Gegend zu sein. Wir fahren minutenlang und sehen kein einziges Gehöft. Nicht mal eine Scheune lässt auf Besiedlung in dieser Gegend schließen.

Kurz vor Olsberg lassen wir uns das erste Mal zu einer Pause hinreißen. Der eingepackte Proviant lockt. Unsere Vorspeise besteht aus Möhren. Den Hauptgang bildet Schwarzbrot, wahlweise mit Wurst oder Käse. Der Nachspeise wird nachgesagt, sie schließe den Magen. Ein Stück Gouda. Das Schönste an Fahrradtouren, so war es schon immer, sind die Pausen. Man klönt (plattdeutsch für erzählen), fachsimpelt, verschnauft, hält ein kurzes, sehr erholsames Schläfchen und schaut sich die Rösser an, die auf einen warten, bereit zur Weiterfahrt. Man ist eins mit sich und der Gesamtsituation. In der Nähe von Arnsberg werden wir von unserer Route abgelenkt. Fasziniert schauen wir den Segelflugzeugen zu. Sie sind groß, weiss, schlank und sehr leise. Von ihnen geht der Traum des Fliegens aus. Wäre ich nicht schon in meinem kleinen eigenen Abenteuer, würde mich das Fernweh packen.

Es geht weiter. Die Ruhr gewährt uns schöne und einsame Anblicke. Hier ein Fischreiher, der auf einen Imbiss wartet. Da eine Entenfamilie, die uns misstrauisch beäugt. Wer hätte das gedacht! Es gibt Stellen, an denen die Ruhr an eine kleine Schwester des Amazonas erinnert. Wir radeln und radeln. Befinden uns schon fast in einem tranceartigen Zustand. Der Geist schaltet ab. Die kleinen Maläste des Alltags verlieren sich. Wir lassen sie auf der Strecke. Ich summe ein Lied vor mich her. Stunde um Stunde vergeht. Jede Sekunde erscheint wertvoll.

Wir erreichen die südwestliche Grenze des Kreises Soest. Ein Ortsschild zeigt uns, dass wir ein zweites Mal am heutigen Tag in Wickede angekommen sind, der kleinen Stadt am Rande des Sauerlands. Die Ruhr, unsere stetige Begleiterin, macht hier ihren nördlichen Bogen. Sie könnte auch der Snake River sein. Zumindest lässt der hiesige Saloon darauf schließen. Rustikale Holztische- und bänke und ein Planwagen lassen mein reisendes Herz höher schlagen. Wie gut ein kleiner Snack an so einem Tag schmecken kann! Ein Eis wird zum besten Eis, das man jemals aß. Ein Apfel gleicht jenem Apfel aus dem Garten Eden.

Es ist 20.00 Uhr am Abend. Der Tacho zeigt uns 150 gefahrene Kilometer an. Erschöpft kommen wir zu Hause an. Wir sind uns sicher, die nächsten Tage garantiert nicht mehr schmerzlos sitzen zu können. Wir sind uns aber auch sicher, dass wir eine durch und durch schöne Route gefahren sind. Die körperliche Erschöpfung dürfte schon morgen vergessen sein. Die mentale Erholung wird anhalten. Dennoch ist es garantiert sinnvoll, die Route an mehr als an einem Tag zu fahren. Für Übernachtungsmöglichkeiten ist ausreichend gesorgt. Also: nur Mut! Ab in die Pedalen! »murm«

Interessiert an einem Kurzurlaub? Weitere Informationen gibt es unter: www.ruhrtalradweg.de

Titelbild: Unterwegs © murm

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  1. Ansgar und Angela König

    Mit großem Vergnügen sind wir den Ruhrtal-Radweg „mitgefahren“.
    Ein großes dankeschön der Autorin für das Lust machen auf ein
    wunderschönes Stück Heimat.
    Wer nur eine Etappe fahren will, dem sei die Strecke von Essen-Kupferdreh nach Hattingen empfohlen.Ich habe sie ausprobiert
    mit einer Gruppe von Oberstufenschülern im Rahmen einer Tagestour.
    Von Wuppertal aus sind wir mit der S-Bahn gefahren bis Kupferdreh und dann ging`s mit dem Drahtesel los.
    Also, wenn der Oktober golden wird, schwinge sich auf`s Rad wer kann und mag…..

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