Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Radfahren in Wuppertal und Umgebung sei fast unmöglich. Dass dies nicht so ist, beweist einmal mehr ein Radweg zwischen Wülfrath und Essen. Die Trasse zwischen dem Bergischen Land und dem Ruhrgebiet teilte das Schicksal vieler Bahntrassen rund um Wuppertal. Nach der Einstellung des Personenverkehrs wurde die Strecke für rudimentären Güterverkehr genutzt, bis auch dieser eingestellt wurde. Danach eroberte sich die Natur die Strecke zurück. Zwar gab es immer wieder Überlegungen die Trasse für den Personenverkehr wiederzubeleben, doch meist scheiterte dies an der Finanzierung. Um die Strecke als Ganzes zu erhalten, entschieden sich die anliegenden Kommunen die Niederbergbahntrasse als Rad- und Fußweg auszubauen. In Rekordzeit wurde zwischen 2009 und 2011 der Umbau der alten Bahntrasse geplant und durchgeführt. Seit Juli 2011 führt dieser Radweg nun von der Wuppertaler Stadtgrenze bis nach Essen-Kettwig. Auch eine Verbindung zur Solinger Korkenziehertrasse ist inzwischen ausgeschildert. Durch die Asphaltdecke ist die Strecke nicht nur für Radfahrer, sondern auch für Longboarder und (Inline)Skater interessant.
Stadt und Natur im Wechsel: Die Strecke im Detail
Von Wuppertal aus kann man den Weg direkt mit dem Fahrrad anfahren oder aber – je nach Laune oder sportlicher Verfassung – die S-Bahn bis zum Bahnhof Wülfrath-Aprath nehmen. Die eigentliche Bahntrasse beginnt am Oberdüssler Weg in der Höhe der Bahntrasse nach Essen. An dieser Stelle zweigte damals die Eisenbahnstrecke nach Wülfrath ab. Von dort aus führt die Strecke einige Kilometer durch den Wald. Kurz vor dem Zeittunnel in Wülfrath biegt die Hauptstrecke ab in Richtung Velbert. Eine Stichstrecke führt weiter in Richtung des ehemaligen Bahnhofes der Stadt und führt weiter in Richtung Flandersbach. Von dort aus kann man weiter durch das Angerbachtal bis nach Düsseldorf radeln. Mit sanfter Steigung schlängelt sich die Trasse den Berg hinauf. In Tönisheide ist der höchste Punkt der Strecke erreicht, danach geht es bis Essen fast stetig bergab. Die Trasse führt von hier aus durch die Städte Velbert und Heiligenhaus. In beiden Städten hat man in unmittelbarer Nähe der Trasse zahlreiche Möglichkeiten zur Einkehr. Von der Pommesbude bis zum Cafe ist alles in unmittelbarer Nähe der Trasse vorhanden. Wer sich die Verpflegung lieber selber mitbringt, kann eine der zahlreichen Picknickmöglichkeiten nutzen. Der Weg führt über Felder in die Stadt hinein. Leider ist die Trasse auf dem innerstädtischen Teil mehrfach kurzzeitig unterbrochen. Allerdings sind gute Umfahrungen eingerichtet. In Velbert wird das Stadtzentrum umfahren, trotzdem gibt es genug zu sehen. Der neue Südpark und die hohe Brücke über das Rinderbachtal sind nur zwei der Highlights der Trasse in diesem Abschnitt. Nach einigen Kilometern verlässt die Route das Stadtgebiet und führt durch den Wald nach Heiligenhaus. Auf diesem Teilstück ist deutlich weniger Betrieb, als in den innerstädtischen Abschnitten. Inzwischen nutzen diesen Teil viele Longboarder für eine Abfahrt. Auch in Heiligenhaus ist die Trasse leider an einer Stelle unterbrochen, da dort eine Brücke nicht erneuert wurde. Zum Leidwesen der Nutzer heißt es hier: Runter von der Trasse und über die Ampel, auf die andere Straßenseite. Vorbei am alten Bahnhof, an dem sich ein Kiosk mit Cafe angesiedelt hat, führt der Weg wieder für mehrere Kilometer durch den Wald. Durch tiefe Einschnitte und über drei hohe Viadukte mit großartiger Aussicht geht es gemächlich durch die Natur in Richtung Ruhr. In Essen-Kettwig endet der Radweg in der Nähe des Bahnhofs. Von hier aus kann man den Rückweg per S-Bahn über den Essener Hauptbahnhof bzw. über Düsseldorf antreten oder – und das wäre meine Empfehlung – über den Ruhrtalradweg bis Essen-Kupferdreh weiter radeln und von dort aus die S-Bahn nehmen. Das Semesterticket bietet innerhalb des VRRs übrigens die Möglichkeit, das Fahrrad kostenlos mitzunehmen und verhilft so zu einem kostenneutralen Tagesausflug in der Region.
Der Panoramaradweg: Eine Erfolgsgeschichte
Bereits ein Jahr nach der Eröffnung ist klar: Der Panoramaradweg ist ein großer Erfolg. An so manchem Wochenende wird es mitunter ziemlich eng auf dem rund fünf Meter breiten Weg. Zum einen zieht der Radweg viele Touristen aus der Region, aber auch aus den Nachbarländern (beispielsweise aus den Niederlanden) an, zum anderen bietet er einen neuen Typus von innerstädtischen Infrastruktur, die den Alltagsradverkehr in den anliegenden Kommunen deutlich ankurbelt: Der Weg führt (fast) querungsfrei durch die Stadt. Hier wird das Fahrrad nicht mehr ausschließlich als Freizeitgerät, sondern als Verkehrsmittel zur Arbeit oder zum Einkaufen angesehen und gerade für Jugendliche ermöglicht das Fahrrad selbstbestimmte Mobilität auf dem Weg zur Schule, zum Sport oder zum Besuch bei Freunden. Im Zuge des Ausbaus der Wuppertaler Nordbahn wird dieser Effekt hoffentlich auch verstärkt in Wuppertal zu beobachten sein. Langfristig soll der Panoramaradweg Niederberg Bestandteil eines rund 300 Kilometer langen Radwegenetzes durch das Bergische, Oberbergische und Sauerland werden.
Über den Autor
Christoph Grothe studiert Germanistik, Kunst- und Designwissenschaften sowie Politikwissenschaften auf Magister. Seit 2006 produziert er das studentische Videomagazin Engelszunge.info, das regelmäßig über studentische Themen in Wuppertal berichtet. Ferner ist er überzeugter Radfahrer und betreibt das Fahrradblog Talradler.de.
Weblinks
- Trassenkarte (ADFC – Wuppertal)
- Video von der Eröffnung (Talradler)
- Offizielle Webseite
- Beschreibung der Trasse bei Bahntrassenradlen.de
Galerie
Bildmaterial © Christoph Grothe