blickfeld: Wie ist die Idee für SafeNow entstanden?
Tilman Rumland: Die Idee zu SafeNow geht auf einen konkreten Vorfall sexueller Gewalt in einem Nachtclub zurück, obwohl Sicherheitspersonal ganz in der Nähe war. Ich habe mir daraufhin die Frage gestellt: Wie lässt sich das in Zukunft verhindern? In Clubs ist es oft schwierig, schnell Hilfe zu holen: Es ist zu laut, zu voll und zu unübersichtlich. Besonders in sensiblen Bereichen wie Toiletten, wo Schutzbedürfnis und Privatsphäre aufeinandertreffen, fehlen einfache Wege zur Alarmierung. Genau daraus entstand ein neuer Ansatz, mit dem Menschen selbst aktiv werden können, wenn sie sich unsicher fühlen.
blickfeld: Und das ist die Grundidee von SafeNow?
Tilman Rumland: Genau! Mit SafeNow können Menschen im Notfall sowohl ihr privates Umfeld, ihre Familie, Freunde oder Kollegen, als auch innerhalb von SafeNow Zonen das zuständige Sicherheitspersonal informieren. Hierzu bedarf es lediglich einen Knopfdruck, um die gewünschten Personen zu benachrichtigen. Auf deren Smartphone erscheint dann kein „Anruf in Abwesenheit“, keine Messenger-Nachricht, die erst Stunden später gelesen wird, sondern ein unmittelbarer Alarm, der sich auffällig und lautstark bemerkbar macht – sogar, wenn das Gerät eigentlich auf lautlos beziehungsweise „Nicht stören“ gestellt ist. Zudem kann die andere Seite sofort auf den digitalen Hilferuf reagieren und Unterstützung ankündigen.

„Silent Heroes“: SafeNow Zonen fördern eine neue Zivilcourage
blickfeld: Wie funktionieren SafeNow Zonen?
Tilman Rumland: In SafeNow Zonen, das können Clubs, aber auch Gebäude von Hotels oder Hochschulen sowie Bahnhöfe und größere Stadtfeste sein, werden im Falle eines Hilferufs das örtliche Sicherheitspersonal, aber auch das Awareness-Team sowie Ersthelfende verständigt. Da zugleich der eigene Standort geteilt wird, kann Hilfe schnell und zeitnah eintreffen. Das gilt nicht nur für eigene Notlagen, sondern auch für andere Menschen, für die ich als Mitmensch über die App unkompliziert Hilfe holen kann – ohne langwierigen Telefonanruf, Gang zum Sicherheitspersonal oder zu einer Notrufsäule.
Am Beispiel des Oktoberfestes 2024 lässt sich unser Konzept anschaulich erläutern: Sechs Tagesgäste bilden eine private SafeNow Gruppe. Wird einer Person schwindlig oder wird sie belästigt, kann per Knopfdruck die gesamte Gruppe benachrichtigt werden. Passiert das im Armbrustschützenzelt, wird automatisch, weil dieses eine SafeNow Zone ist, das Sicherheitspersonal vor Ort verständigt. Wechselt man im Laufe des Abends in die Festhalle Schottenhammel – auch eine SafeNow Zone – ist der dortige Security-Dienst für mich verantwortlich. Sobald ich mich auf dem Heimweg befinde, bleibt weiterhin die anfängliche Verbindung zu meiner privaten Gruppe und somit ein kurzer Draht in Notlagen bestehen.

blickfeld: Wo gibt es noch SafeNow Zonen und wie sind die dortigen Erfahrungen?
Tilman Rumland: SafeNow Zonen wurden unter anderem am Hamburger Hauptbahnhof und am Bahnhof Berlin Südkreuz erprobt. Die App wurde dort sowohl von Reisenden, DB-Mitarbeitenden als auch von Beschäftigten in den Bahnhofsshops genutzt, um Vorfälle wie Belästigungen, Messerattacken, Diebstähle und andere Notsituationen zu melden. In über 20 Monaten wurde die App am Hamburger Hauptbahnhof über 58.000 Mal geöffnet und mehr als 600 Alarme ausgelöst. Rund die Hälfte der Hilferufe, das zeigte die Studie in Südkreuz, kam nicht von Betroffenen selbst, sondern von sogenannten „Silent Heroes“ – also von Personen, die für andere Hilfe gerufen haben. Die durchschnittliche Reaktionszeit des Sicherheitspersonals lag bei etwa 2,5 Minuten. Es gab keine Fehlalarme oder technischen Ausfälle. Laut Umfrage fühlten sich 94 Prozent der befragten Nutzerinnen und Nutzer mit der App sicherer.
Neben dem Projekt mit der Deutschen Bahn kommt SafeNow an vielen anderen Orten zum Einsatz – beispielsweise beim Oktoberfest in München, bei der FIA World Rally Championship oder im Rahmen der Christopher Street Days in Zürich und New York. Auch das Medienunternehmen ProSiebenSat.1 nutzt SafeNow für Produktionen im In- und Ausland sowie auf dem eigenen Campus. In München setzen Clubs wie die 089 Bar, das Pacha und die Milchbar auf das System. Darüber hinaus betreiben wir in mehreren Städten dauerhaft SafeNow Zonen. Kürzlich haben wir außerdem die Partnerschaft mit dem Erstligisten SV Werder Bremen bekannt gegeben. Das Weserstadion wird ab der kommenden Saison das erste Fußballstadion sein, dass eine SafeNow Zone ist.
Campus-Sicherheit: So funktioniert die SafeNow App an Hochschulen
blickfeld: Wie kann SafeNow an Hochschulen genutzt werden?
Tilman Rumland: Bisherige Ansätze, wie punktuelle Kameraüberwachung, bei der ich mich auf jemand anderen verlassen muss, eine zentrale Telefonnummer oder sich auf dem Campus bewegendes Sicherheitspersonal, können einen Hochschulstandort mit zehntausenden Studierenden, Beschäftigten und Externen nicht abdecken – insbesondere Bereiche, die zum Schutz der Privatsphäre nicht überwacht werden können. Gleiches gilt für einen Business Campus. Vor diesem Hintergrund haben sich die Verantwortlichen des Macromedia Campus in München und des ProSiebenSat1 Business Campus in Unterföhring entschieden, SafeNow Zonen zu werden. Mit weiteren Hochschulen, Universitäten und Unternehmen befinden wir uns bereits in Gesprächen.
Mit der Einrichtung einer SafeNow Zone wird der meist nur wenige Personen umfassende Sicherheitsdienst durch die Augen und Ohren aller Hochschulangehörigen und Gäste verstärkt. Zudem kann eine Hochschule für ihre Zone festlegen, wer zusätzlich benachrichtigt werden soll. Oft gibt es unter den Beschäftigten ausgebildete Ersthelfer, die ebenfalls zielgenau alarmiert werden können und so womöglich lebensentscheidende Sekunden sparen. Auch können von Seiten der Hochschule Warnungen an alle SafeNow Nutzende am Campus versendet werden, wenn es etwa einen Feueralarm oder andere Gefahren gibt. Zu den Alarmierungen erfasste Daten, beispielsweise Reaktionszeiten und Einsatzorte, können zudem helfen, die Sicherheitslage zu analysieren und präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Zusätzlich können sich die Beschäftigten einzelner Fächer oder Verwaltungseinheiten sowie Studierende in SafeNow Gruppen organisieren und so Verantwortung füreinander übernehmen. Auf dem Weg ins Parkhaus oder zu anderen Orten kann die App aktiviert und der Button betätigt werden, der als Totmannschalter fungiert. Wird er losgelassen und nicht abgebrochen, folgt die Alarmierung.
blickfeld: Wie finanziert sich SafeNow und wie werden die erfassten Daten genutzt?
Tilman Rumland: Unser Grundsatz lautet: SafeNow bleibt für immer kostenlos – keine Werbung, kein Premium, kein Abo und kein Verkauf von Daten. Wir nutzen bewusst OpenStreet-Maps, erstellen keine Bewegungsprofile und erfassen nur die Daten, die für die Funktion der App essenziell sind. Die Finanzierung erfolgt durch diejenigen, die eine SafeNow Zone einrichten – ob dauerhaft, wie an Bahnhöfen und Hochschulen, oder temporär, etwa auf dem Oktoberfest. Zum Teil werden SafeNow Zonen auch durch Dritte gesponsort. Sie alle investieren in die Sicherheit ihrer Beschäftigten und Gäste und ermöglichen die Nutzung für weitere Communities, beispielsweise für Bewohnerinnen eines Frauenhauses im Südosten der Türkei. Wir bieten unsere weltweit genutzte App, die auch während Events in Warschau, Paris und New York zum Einsatz kommt, in mittlerweile 23 Sprachen an.
Sicherheit vs. Freiheit: Verantwortung auf die Gesellschaft übertragen
blickfeld: Welche Ziele verfolgst du mit SafeNow für die Zukunft?
Tilman Rumland: Ob beim Online-Dating, bei der Buchung von Unterkünften oder Fahr- und Lieferdiensten – in allen Bereichen nutzen wir Smart-Matching-Apps, nur in puncto Sicherheit nicht. Das schafft SafeNow und bietet so Menschen kostenlosen Zugang zur bestmöglichen Hilfe weltweit.
Wir arbeiten kontinuierlich daran, Alarmierungen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Wir haben zum Beispiel die App in die Smartwatch integriert. Bald werden wir einen physischen SafeNow Button herausbringen, der beispielsweise am Schlüsselanhänger getragen werden kann. Fest installierte Knöpfe zur Alarmierung, ähnlich wie ein Panikknopf, kommen bereits zum Einsatz.
Insgesamt geht es aber um mehr: Wir müssen das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit neu diskutieren. Prävention durch Überwachung mit mehr Kameras und zusätzlichem Sicherheitspersonal verfolgt den Ansatz „Big brother is watching you“. Mit SafeNow hingegen kehren wir es zu einem „Big Brother is there for you“ um. Wir geben Sicherheit in die Hand aller, jedes einzelnen Menschen, die so füreinander Verantwortung übernehmen und selbstbestimmt entscheiden können, wann Hilfe gebraucht wird. Es ist ein Ausdruck des Vertrauens für unsere Gesellschaft und in ihre Zivilcourage. »mw«
Das Gespräch führte Martin Wosnitza
Mehr zur SafeNow App
Die SafeNow GmbH wurde 2018 gegründet und entwickelt das gleichnamige Sicherheitssystem.
- Web: de.safenow.app
- Instagram: safenow_official
- TikTok: @safenow_official
- YouTube: @safenow
- LinkedIn: linkedin.com/company/safenow/
SafeNow für iOS oder Android herunterladen:




Danke für das tolle Interview und den Hintergrund zu SafeNow. So gut zu sehen, dass es Menschen und Firmen gibt, die sich so wichtigen Themen annehmen und solche Lösungen entwickeln, die wirklich das Leben von Menschen besser machen!