Als Fritz Berger 1987 nach Wuppertal kam, war die Bergische Universität noch eine Gesamthochschule im jungen Alter von 15 Jahren. Die Hauptmensa war gar noch jünger: lediglich 10 Jahre und damit genauso alt wie das Wohnheim „Burse“, das noch ohne den heutigen Zusatz „Neue“ auskommen musste. Die durch das Sozialwerk nach dem Konkurs des früheren Trägers Burse e. V. übernommene Immobilie war zugleich eine der ersten Stationen des neuen HSW-Geschäftsführers. Ein Besuch, der ihm in Erinnerung bleiben sollte: „Das gesamte Wohnheim war trotz der kurzen Lebenszeit bereits in einem baulich schlechten Zustand und nicht mehr zeitgemäß. Die gemeinschaftlichen Küchenbereiche, Duschräume und Toilettenanlagen sahen alles andere als einladend aus. Bierdeckelgroße Löcher zierten die Duschvorhänge. Darauf angesprochen, teilte mir der Hausmeister mit, dass er diese selbst reingeschnitten hat, damit die Vorhänge nicht geklaut werden….“
Die Wohnheime des Hochschul-Sozialwerkes: „energetisch vorbildlich, ökologisch nachhaltig und mit langen Lebenszyklen“
Seit dieser, möglicherweise „Initialzündung“, hat sich viel getan. Berger, der anfangs selbst auf 12 Quadratmetern in der Burse wohnte, machte aus ihr die „Neue Burse“: „Wir haben uns gemeinsam mit dem Architektur-Contor Müller Schlüter (ACMS) aus Wuppertal der Herausforderung gestellt, nicht nur für Studierende kostengünstigen und qualitativ hochwertigen Wohnraum zu schaffen, sondern auch energetisch vorbildlich, ökologisch nachhaltig und mit langen Lebenszyklen zu bauen.“ Sein Anliegen war seit jeher „in allen wesentlichen Belangen rund um das Studium Partner der Studierenden und der Wuppertaler Hochschulen zu sein.“
Die „Neue Burse“, ein westlicher Plattenbau der 70er-Jahre, bekam größere Zimmer, bodentiefe Doppelflügelfenster, die eine Balkonatmosphäre schaffen, und Parkett- statt PVC-Böden. Ihre Fassade wurde wartungsarm und leicht reinigbar gestaltet. „Zwei der vier Häuser erreichen einen Niedrig-Energiestandard, die übrigen zwei gar den Passivhaus-Standard. Dieser Umbau war damals ohne Beispiel, führt zu extrem niedrigen CO2-Werten und trägt zum Klimaschutz bei. Natürlich werden alle unsere Wohnheime darüber hinaus mit Ökostrom versorgt“, erläutert Berger. Es folgten für die „Neue Burse“ der Deutsche Holzbaupreis 2005 (2. Preis), der Architekturpreis Zukunft Wohnen 2004, der Deutsche Bauherrenpreis 2002 und die Auszeichnung guter Bauten 2000 (Bund Deutscher Architekten – Wuppertal).
Die Wohnanlage „Im Ostersiepen 9 – 11 / Max-Horkheimer-Str. 18“, die 2012 ebenfalls im Passivhaus-Standard und in direkter Nachbarschaft zur „Neuen Burse“ entstand, wurde mit fünf Architekturpreisen ausgezeichnet. Die 1994 in Betrieb genommenen Studierendenwohnheime „Albert-Einstein-Str. 4 – 12“ waren Deutschlands erste Wohnheime mit Blockheizkraftwerk (BHKW) und wurden 2016/2017 von innen saniert. Gemeinsam mit der „Neuen Burse“, der Wohnheime „Im Ostersiepen“ und der jüngsten Studierendenhäuser „Max-Horkheimer-Straße 160 – 168“, bei denen sich Mieter:innen in einem Urban Gardening Projekt engagieren können, sind gleich vier HSW-Bauten im aktuellen Architekturführer Wuppertal vertreten. Letztere wurden erst jüngst mit dem Architekturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. „Der alle drei Jahre vergebene Preis ist bereits die 12. Auszeichnung insgesamt für die Studierendenwohnheime des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal und zugleich ein schönes Abschiedsgeschenk für mich“, so Berger.
Uni-Mensa: Vom klassischen Eintopf zum breiten vegetarischen und veganen Angebot
Auch wurden in Bergers Zeit – in der er mit fünf der bislang sechs Rektoren der Bergischen Universität zusammenarbeitete – alle Cafeterien und Mensen am Campus mindestens einmal modernisiert. Das Angebot hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, wie Fritz Berger ausführt: „Während früher der klassische Eintopf beliebt war, sind die Speisen in der Mensa einerseits internationaler und andererseits vegetarischer und veganer geworden.“ Vegetarische und vegane Mahlzeiten hätten früher zwischen fünf bis zehn Prozent des verkauften Essens ausgemacht. „Seit der Umstellung in diesem Semester auf mehr vegane und vegetarische Angebote machen diese im Vergleich zu fleischhaltigen Mittagessen etwa die Hälfte aus“, berichtet Berger. Das Hochschul-Sozialwerk trägt so dem Wunsch seiner Gäste, wegen des Tierschutzes, des Klimawandels oder aus gesundheitlichen Motiven, häufiger vegan oder vegetarisch zu essen, Rechnung. „Gelungen ist zum Schluss auch die bauliche und konzeptionelle Modernisierung der Hauptmensa ME, worüber sich trotz der Corona-Beschränkungen seit Oktober schon tausende Mensagäste freuen konnten“, so Berger.
Auch die Art, wie in der Mensa bezahlt wird, hat sich über die Jahre verändert: „Erst haben Studierende Wertmarken erworben, dann konnte direkt mit Bargeld an der Kasse bezahlt werden und nachdem Bargeld- und Kartenzahlung parallel liefen, wird heute komplett bargeldlos per App oder Karte bezahlt.“
„Die Bundesregierungen und Ministerien haben sich nicht genug für das BAföG eingesetzt und über viele Jahre nichts gemacht“
Berger, selbst früher BAföG-Student, ist ein Verfechter der BAföG-Förderung und rät allen Studierenden, „einen Antrag zu stellen und sich den monatlichen Bezug ausrechnen zu lassen.“ Während zu seiner Anfangszeit rund 40 Prozent der Studierenden eine entsprechende Förderung erhielten, liegt der Anteil heute zwischen 10 bis 15 Prozent. Zu dieser Entwicklung äußert der HSW-Geschäftsführer deutliche Kritik: „Die Bundesregierungen und Ministerien haben sich nicht genug für das BAföG eingesetzt und über viele Jahre nichts gemacht. Das hatte zur Folge, dass eine ganze Studierendengeneration aus dem BAföG rausgewachsen ist. Eine Vereinfachung und Digitalisierung des Antragsverfahrens kamen nur zögerlich und insgesamt zu spät.“
Zudem würde das BAföG in seiner aktuellen Höhe nicht die tatsächliche Lebensrealität der Studierenden widerspiegeln: „Das Bundesverwaltungsgericht hält das Verfahren zur Bemessung der Leistungen der Bundesausbildungsförderung für grundgesetzwidrig und hat dies dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Eine vom Deutschen Studentenwerk bereits 2017 beim Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) beauftragte und 2019 aktualisierte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der BAföG-Grundbedarfssatz von damals aktuellen 399 Euro auf 500 bis 550 Euro steigen müsste, um die immer höheren Ausgaben der Studierenden decken zu können.“ Zudem braucht es laut Berger für den Bedarf valide Zahlen und nicht „Gefühlslagen, die darüber entscheiden, ob es eine BAföG-Erhöhung gibt oder nicht.“ Angesichts der insbesondere in deutschen Hochschulstädten immer stärker überhitzten Wohnungsmärkte sei laut Berger zusätzlich ein höherer Wohnzuschuss notwendig.
Was die BAföG-Digitalisierung angeht, habe der Bund mit der Plattform „BAföG digital“ zwar eine zentrale Anlaufstelle im Web geschaffen. Diese träfe aber je nach Bundesland auf verschiedene Bearbeitungsapplikationen in den BAföG-Ämtern. „Hier braucht es eine einheitliche Lösung, die auch das Führen einer digitalen Akte je BAföG-Bezieher:in und so den Austausch zwischen den verschiedenen Bundesländern ermöglicht. Derzeit müssen unsere Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter – trotz BAföG digital – viele Unterlagen ausdrucken und analog archivieren.“
Berger fiel auf Partys unter den Langzeitstudierenden nicht auf
Als Berger – damals jüngster Bewerber auf den Job des Geschäftsführers und heute seit sieben Jahren dienstältester Geschäftsführer – startete, war Helmut Kohl noch Bundeskanzler. Im politischen Raum lernte er neun Bundesbildungsminister:innen und sechs Landesminister:innen sowie fünf Oberbürgermeister:innen kennen. „Laut Shell-Jugendstudie erfolgt alle fünf Jahre ein Generationenwechsel, was bedeutet, dass ich in 35 Jahren insgesamt sieben studentische Generationen erlebt habe“, so Berger. Der Anteil an Pendler:innen und Jobber:innen unter ihnen sei schon immer sehr hoch gewesen, „zwischen 60 und 75 Prozent.“ Zu Anfang besuchte er gelegentlich die auf der AStA-Ebene stattfindenden und gar im gesamten Tal beliebten ASti-Parties: „Unter den Langzeitstudierenden bin ich nicht aufgefallen“, erinnert sich Berger. Schon damals profitierte die Uni-Kneipe durch die vielen Partygänger:innen, die sich vor der Feier noch stärkten.
Seitdem seien Studierende „fleißiger geworden und öfters an der Universität“, was aber aus seiner Sicht nicht das Wichtigste sei: „Ich nehme wahr, dass sich Studierende mehr auf Prüfungen und weniger auf sich, mehr auf Punkte und fachliche Kenntnisse und weniger auf Bildung und Erfahrung fokussieren. Dabei kann ich nur den Appell formulieren, sich während des Studiums Zeit für andere Aktivitäten zu nehmen, sich zu engagieren und einzumischen. Das zahlt sich nicht nur bei späteren Bewerbungen, sondern auch bei der persönlichen Entwicklung aus.“
Die offenen Punkte: Kinderbetreuung und Mobilität auf dem Campus
Für Fritz Berger war es immer ein besonderes Anliegen, ein offenes Ohr zu haben – sowohl für Mitarbeiter:innen, als auch für die Studierenden: „Ideen und Anregungen dürfen nicht abgeblockt werden. Die Frage darf nicht lauten ‚Warum?‘, sondern ‚Warum nicht?‘. Statt sich auf seinen ‚Lorbeeren‘ auszuruhen, braucht es eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Hierzu ist Ausdauer erforderlich. Manche Punkte auf meiner Liste der Dinge, die ich verändern wollte, konnte ich erst nach 10 oder 15 Jahren streichen.“
Andere Punkte sind noch immer offen: „Das Thema Kinderbetreuung am Campus lässt mich unzufrieden zurückblicken. Wir sind hier immer noch auf einen Stand von vor 20 Jahren, obwohl Lösungen da gewesen wären.“ Auch hätte er sich eine fahrradfreundlichere Universität gewünscht: „Es braucht Alternativen auf dem Weg zur Universität und dazu ein vernünftiges Radwegekonzept für den Campus. Es fehlt etwa eine Ladesäulen-Infrastruktur auf dem Gelände der Hochschule. Von der Hochschulleitung vermisse ich hier entsprechende Initiativen und Impulse.“ Das Sozialwerk hingegen verfügt im Bereich der Wohnheime über zwei E-Lastenfahrräder und zwei Rad-Servicestationen, die von den Studierenden genutzt werden können. „Wer ein E-Auto fährt, kann es am Sozialwerk auch kostenlos aufladen“, so Berger.
Fritz Berger hinterlässt „ein modernes, leistungsfähiges und nachhaltig ausgerichtetes Hochschul-Sozialwerk“
Trotz der offenen Punkte blickt Berger zufrieden auf fast 35 Jahre Geschäftsführung zurück: „Motiviert und gestärkt hat mich immer wieder das große Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde. Das machte es möglich, dass ich jetzt guten Gewissens ausscheiden kann – und ein modernes, leistungsfähiges und nachhaltig ausgerichtetes Hochschul-Sozialwerk hinterlassen kann.“ Seine Wohnung in Hilden wird er jetzt auflösen. In Bonn, seinem Hauptwohnsitz, hat der Volljurist einige Ideen für seinen Ruhestand: „Ich überlege, im Wintersemester Philosophie zu studieren und evtl. wieder eine Zulassung als Rechtsanwalt zu beantragen, um gelegentlich Mandate zu übernehmen.“ Auch möchte er sich wesentlich häufiger aufs Mountainbike schwingen.
„Ich gehe mit einem großen Gefühl der Dankbarkeit. Ich bin dankbar für die Chance, die mir 1987 mit 31 Jahren gegeben wurde. Auch für die Geduld, dass ich in diese große Aufgabe hineinwachsen und das Hochschul-Sozialwerk Wuppertal gemeinsam mit den Mitarbeitenden Schritt für Schritt weiter entwickeln konnte“, so Berger abschließend. »mw«