Hunderte Bewerbungen führten zum gemeinsamen Unternehmen

Lisa Nohl und Romy-Caren Faust haben sich kürzlich im Mio3 getroffen. Anlass war nicht nur das Interview mit der blickfeld-Redaktion. Ihr gemeinsames Unternehmen Grammar & Typo feierte auf den Tag genau sein halbjähriges Jubiläum. "Es läuft gut", sagen beide sichtlich zufrieden. Nicht nur im Hinblick auf ihr Start-up, sondern auch rückblickend auf ihre berufliche Vita - allen Widrigkeiten, gerade zum Berufseinstieg, zum Trotz. Denn nur so konnten sich beide kennenlernen und ihren Traum, ein eigenes Unternehmen zu gründen, gemeinsam verwirklichen. Den (langen) Weg dahin haben uns beide bei Kaffee und Cola erzählt.

Titelfoto: Lisa Nohl und Romy-Caren Faust (Foto: Christian Beier)

Lisa Nohl: Rund 230 Bewerbungen für drei Stellen

Lisa ist gebürtige Wuppertalerin, ein „Barmer Mädchen“, wie sie sagt, was lediglich drei Jahre mit Düsseldorf fremdgegangen ist – aus beruflichen Gründen. Schon in der Schule, genauer gesagt in der neunten Klasse, kam ihr Wunsch auf, Journalistin zu werden. Sie absolvierte ein Praktikum bei der Westdeutschen Zeitung, studierende von 2007 bis 2012 den Bachelor Germanistik und Geschichte, gefolgt vom Master in allgemeiner und vergleichender Literaturwissenschaft (AVL). Parallel arbeitete Lisa nach einem Praktikum fünf Jahre als freie Mitarbeiterin bei Radio Wuppertal und schrieb für das Portal RevierSport in Essen. „Eine super-geile und lehrreiche Zeit“, erinnert sich die 30-jährige Alumna der Bergischen Universität Wuppertal, fragte sich damals aber zugleich: „Hat Journalismus überhaupt eine Zukunft?“

Über 100 Bewerbungen, ein Vorstellungsgespräch, eine Stelle

Der Berufswunsch aus Schultagen brach mit den ersten hundert Bewerbungen auf, die in einem Vorstellungsgespräch und einer Stelle mündeten. Im ersten Job nach dem Studium fing sie als PR-Journalistin bei einem Bau- und Technikunternehmen an. Dort arbeitete sie ein knappes Jahr, bevor es nach weiteren hundert Bewerbungen (zum Teil in ganz Nordrhein-Westfalen) zum Deutschen Roten Kreuz (DRK) nach Düsseldorf ging. Beim DRK war sie von 2014 bis 2016 Referentin für Kommunikation und Marketing. „Ich habe mich da sehr wohl gefühlt, die Arbeit und das Team waren super“, erzählt die begeisterte Fußballspielerin. Da sie jedoch nur als Elternzeitvertretung befristet beschäftigt wurde, war nach zwei Jahren beim DRK Schluss.

Ihre Vita und die damit verbundenen Erfahrungen sind mit der Zeit gewachsen, was sich auch während der nächsten Bewerbungsphase deutlich bemerkbar machte: Da reichten acht Bewerbungen, die zu fünf Gesprächen führten und 2016 in einem Job bei den Solinger Stadtwerken mündeten – anfangs als Referentin für Unternehmenskommunikation und Marketing, seit 2017 als Pressesprecherin.

Romy-Caren Faust: 120 Bewerbungen und ein Jahr voller Nebenjobs

Auch Romy wusste früh, in welche Richtung sie beruflich gehen möchte: „Werbung ist mein Ding, ebenso wie Sprachen und die Leidenschaft fürs Schreiben.“ Anfangs hatte sie über ein Germanistikstudium nachgedacht. Da sie jedoch zügig von zu Hause ausziehen und auf eigenen Beinen stehen wollte, fing sie an, Bewerbungen für eine Ausbildung als Mediengestalterin, Werbe- und Medienkauffrau zu schreiben. Rund 130 Bewerbungen liefen jedoch ins Leere. Sie hielt sich ein Jahr mit Nebenjobs im Einzelhandel und einem Praktikum bei Radio Leverkusen über Wasser und verschob ihren Auszug aus dem Elternhaus auf ungewisse Zeit, bevor sie sich dann im Jahr 2005 erfolgreich bei den Solinger Stadtwerken für eine Ausbildung als Industriekauffrau bewarb. Ihre Hoffnung dabei war: Auf Grundlage der soliden Ausbildung wollte ich mich später auf jeden Fall im Bereich Marketing spezialisieren.“ So absolvierte sie von 2009 bis 2011 ein Abendstudium zur Marketing- und Vertriebsökonomin an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Wuppertal (VWA). Seit 2009 arbeitet sie bereits als Marketingreferentin bei den Stadtwerken.

Es liegt nicht an euch

Lisas und Romys gemeinsamer Rat für junge HochschulabsolventInnen, die einen Job im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit suchen: „Im Studium lernt ihr das Handwerkszeug, also die Recherche, das Verfassen von Texten usw. kennen. Doch Theorie braucht stets Praxis. Nur in Praktika könnt ihr den Umgang mit Menschen, die Entwicklung von Empathie und den Umgang mit Konflikten erlernen. Zweifelt zudem nicht an euch selbst, wenn sich die Bewerbungen stapeln. Es liegt nicht an euch. Der Einstieg ist schlicht nicht einfach.“

2016 lernen Lisa und Romy sich bei der Arbeit kennen

Sich nach dem Studium selbstständig machen – eine Idee, die beide bereits länger in sich trugen. Doch alleine? Zu groß waren die Bedenken und die damit verbundenen Unsicherheiten. Doch eine glückliche Fügung brachte Romy und Lisa zusammen. Lisa, die gerade neu in die Abteilung kam, in der Romy bereits arbeitete, lernte ihre künftige Geschäftspartnerin quasi an der Kaffeemaschine kennen. Schnell wurde beiden klar: „Wir ergänzen uns super, egal ob in puncto Meinungen, Humor oder Arbeitsweisen. Da war ad hoc ein direkter Draht da.“

Romy kümmert sich ums Marketing und Lisa um die Kommunikation: „Wir sind die Superhelden, wir sind Grammar und Typo“ – und schon war der Name geboren. Egal ob Konzept, Name, Logo oder Farbauswahl – in allen Punkten wurden sich beide sofort einig. Am 14. Februar 2018 war es dann auch soweit. Beide gründeten die hinter Grammar & Typo stehende GbR.

Grammar & Typo – Agentur für Kommunikation und Markting

Doch warum eine Unternehmensgründung, wenn beide sicher in Lohn und Brot stehen? „In unserem Start-up können wir uns persönlich weiterentwickeln, komplett eigenverantwortlich arbeiten und dabei verschiedene Branchen bedienen“, erklärt Romy. „Hier arbeite ich für ‚mein Baby“, was eine andere Leidenschaft und Begeisterung bei mir weckt“, ergänzt Lisa. Beide sind nebenberuflich selbstständig, gehen also weiterhin ihren Hauptjobs nach, was einige Vorteile hat: „Wir können uns die Themen aussuchen und mit KundInnen zusammenarbeiten, auf die wir Bock haben.“ Dabei können sich beide „neu erfinden, du kannst deine Arbeit verfeinern und bleibst – was in der Werbebranche absolut wichtig ist – stets am Ball.“

Groß werben müssen beide dafür nicht, ihre Dienste sprechen sich rum. Ihre Referenzen sind etwa der Aufbau und die Pflege des Corporate Blogs des Solinger Filmemachers Ulf Preising oder die Betreuung des Facebook-Auftritts des Wuppertaler Unterwäschegeschäfts „Schönes für drunter“ im Luisenviertel. „Beim Marketing-Club Bergisch Land e.V. kümmern wir uns um die Pflege der Auftritte in diversen sozialen Medien, wie Facebook, Instagram, Twitter und Xing“, fügen beide hinzu.

Grammar & Typo plant Workshops, Fortbildungen und Seminare

Wie kriegen sie Job und Selbstständigkeit unter einen Hut? „Durch effektives Zeitmanagement und einer engen Abstimmung untereinander“, erklären sie und betonen den Vorteil, zu zweit zu sein. Bleibt der Job womöglich auf der Strecke? „Im Gegenteil, wir starten dank unseres Jobs mit viel Erfahrung in unser Unternehmen und können umgekehrt Vieles, was wir in der Selbstständigkeit erlernen, wieder zurück in den Job tragen und dort nutzen.“

In Zukunft möchten beide zudem verstärkt Fortbildungen geben und Seminare anbieten. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist dabei das Motto und soll MitarbeiterInnen verschiedenster Unternehmen beispielsweise den Umgang mit den sozialen Medien vermitteln. Lisa hat in diesem Bereich bereits einiges an Erfahrung: „Ein bis zwei Mal im Jahr gebe ich entsprechende Workshops beim Deutschen Roten Kreuz und habe zudem einen Lehrauftrag im Bereich Öffentlichkeitsarbeit an der Bergischen Universität Wuppertal.“ Romy möchte einen weiteren Schwerpunkt in Bereich Moderation und Kreativitätstechniken setzen, damit „Unternehmen bei internen ‚Brainstormings‘ besser eigene Ideen entwickeln können.“

Beide mussten gerade zum Anfang ihrer Karrieren viel Geduld aufbringen, doch „rückblickend würden wir nichts anders machen“, betonen sie abschließend, denn: „Wir sind zufrieden dort, wo wir jetzt stehen.“ »mw«

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Titelfoto: Christian Beier

Dieser Artikel erschien in einer gekürzten Fassung in der Ausgabe der Westdeutschen Zeitung vom 26. September 2018.

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