Die Wupper – eine Reise ins Innere der Stadt

Stephan Müller nimmt nur noch Projekte an, die noch nicht abgeschlossen sind. Noch nicht abgeschlossen heißt für den Schweizer Regisseur, dass ein Stück bisher noch keine einmalig großartige Aufführung erhalten hat. Und diese will er nun Else Lasker-Schülers expressionistischem Drama Die Wupper bringen.

Zusammen mit mehreren Organisatoren aus Wuppertal wurde so eine Inszenierung auf die Beine gestellt, die Formen gewöhnlicher Bühnenaufführungen sprengt. Denn die „Reise ins Innere der Stadt“ ist hier wortwörtlich zu nehmen: Mit Bussen fährt das Publikum von Akt zu Akt und von Ort zu Ort: So wird mal eben eine ehemalige Bandweberei oder ein Friedhof zur Bühne umfunktioniert. Experten wie der ehemalige Stadtarchivar Uwe Eckhardt oder der Vorsitzende der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft Hajo Jahn begleiten dabei die Busreisen und schaffen für den Zuschauer die nötigen Kontaktpunkte zwischen den Akten.

Der Stadt Wuppertal bietet das Projekt eine ungewöhnliche Chance, ihre eigene Geschichte zu erzählen und Else Lasker-Schülers Worte und ihr Leben werden durch reale Orte zum Klingen gebracht. Ein Drama lässt sich so wieder frisch erleben – es ist gewissermaßen Kunst zum Anfassen und Einatmen.

Was für ein Theaterstück eine enorme Bereicherung darstellt, war für den Regisseur eine nervliche Geduldsprobe, denn ein Projekt dieser Art ist im großen Maß von den Gegebenheiten der Stadt abhängig und bestimmt von unplanbaren Faktoren – Stichwort: Aprilwetter! – und natürlich auch den zahlreichen Mitorganisatoren. Das sind vollkommen andere Herausforderungen als der geschlossene Kosmos eines Theaters einem Ensemble und den Verantwortlichen hinter der Bühne abverlangt. Glücklicherweise ist dies nicht Müllers erstes Stadtprojekt.

Das Stück selbst mag auf den ersten Blick banal erscheinen aber unter der Oberfläche malt Lasker-Schüler ein Bild von den Konflikten ihrer Stadt: von den Unterschieden der Klassen, die im Grunde nicht überwunden werden können, von dem Mangel der den Einzelnen plagt und ihn dazu bringt, einer paradiesischen Vollkommenheit hinterherzulechzen.

Es bleibt spannend, wie gut die Symbiose aus Realität und Fiktion in dieser Form funktionieren kann aber man ahnt jetzt schon, dass Die Wupper dieses Mal vielleicht ihre wirklich großartige Aufführung finden wird.

Wer Interesse hat, sich eine der Aufführungen vom 28. März bis zum 10. Mai anzusehen, kann unter wuppertaler-buehnen.de oder telefonisch (0202/ 563 7666) Karten für reguläre 29€ und ermäßigte 14,50€ kaufen. »lg«

Titelbild: „Die Wupper“ © Christoph Sebastian

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