Die Handlung des Thrillers ist in der fiktiven schottischen Stadt Aberlour angesiedelt, in der Kinder auf mysteriöse Weise verschwinden. So auch der neunjährige Kyle McGeady. Kyles Vater, Jack, unternimmt fortan alles, um seinen Sohn wiederzufinden. Er meldet das Verschwinden der Polizei, nimmt Kontakt zur ortsansässigen Mafia auf und erhält so die notwendigen Informationen, um Kyles Fährte aufzunehmen. Mit jeder Minute, die voranschreitet, gerät er tiefer in ein kriminelles Netzwerk, das weit über die Entführung seines Sohnes hinaus aktiv ist.
Gegen die Zeit
Insbesondere die Tatsache, dass Jack mit zunehmender Dauer das Vertrauen in den Rechtsstaat verliert und sich selbst als einzigen Akteur sieht, der seinen Sohn retten kann, führt zu einem andauernden Wettkampf gegen die Zeit.
Die Antagonistin des Romans, Miss Macmillan, entführt, dressiert und verkauft Kinder an einen festen Kundenstamm. Kyle ist nur einer von vielen, deren Alltag im Haus der Entführerin geschildert wird. An dem Tag, als Kyle verkauft werden soll, erfährt Jack den Aufenthaltsort seines Sohnes und wird von einer Mischung aus Wut und Hoffnung geblendet.
Altbekanntes im neuen Gewand
„Die Herren der kleinen Seelen“ ist ein vermeintlich klassischer Thriller mit neuem Anstrich. Die Geschichte einer Kindesentführung ist schon oft erzählt worden, doch insbesondere die Charaktere wachsen dem Leser ans Herz. Seien es Jack und Kyle, die beiden Ermittler, die Entführerin oder der Mafiainformant – alle Charaktere haben Ecken und Kanten, wirken plastisch und weisen eine nachvollziehbare Motivation für ihr Handeln auf. Auch deshalb leidet die Handlung nicht unter Logiklücken. Der schmale Band nimmt schnell Fahrt auf und bleibt durchgehend spannend.
Erst lachen, dann bluten
Der Roman nutzt an einigen Stellen humoristische Einlagen, um die allgemein bedrückende Atmosphäre aufzulockern, die die Geschichte durchzieht. Doch gerade zum Ende hin kommt es teilweise zu brutalen Szenen, die empfindliche Leser abschrecken könnten.
Der prinzipiell einfache Sprachstil nimmt sich an manchen Stellen die Zeit, um ausführlicher zu werden, überlädt den Leser dabei aber nicht mit Informationen. Rhetorische Mittel wie Metaphern oder Allegorien werden sparsam, aber passend eingesetzt.
Fazit
„Die Herren der kleinen Seelen“ ist ein in vielerlei Hinsicht typischer Thriller, was Segen und Fluch zugleich sein kann. Leser, die sich für Thriller und Krimis begeistern, können bedenkenlos zugreifen. Sicherlich hat der Roman das Genre nicht neu erfunden, allerdings weist er im Vergleich zu anderen Werken der Gattung erfrischende Perspektivwechsel auf, die Thriller-Leser erfreuen könnten. »sander«
Zum Gastautoren
Kilian Sander, ehemaliger Student der Bergischen Universität Wuppertal, absolviert derzeit sein Referendariat in Neuss. Der angehende Sozialwissenschaften- und Deutschlehrer interessiert sich nicht nur beruflich, sondern auch in seiner Freizeit für Literatur.