„Liebe löscht Rassismus nicht aus“

Lesung im Freibad Mirke: Alice Hasters mit "Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten"

Titelfoto © Marcel Smiatek

Inwiefern können Sparbüchsen rassistisch sein? Wie reagiert man in Alltagssituationen auf rassistische Bemerkungen? Und was ist eigentlich „white privilege“? Diesen und viele weiteren Fragen stellte sich die Journalistin und Autorin Alice Hasters. Am 3. September 2020 traf sie sich im Rahmen einer Lesung ihres Spiegel-Bestsellers gemeinsam mit rund 100 Zuhörer/-innen unter freiem Himmel im Becken des Mirker Freibades. Organisiert wurde der Abend vom Salon Knallenfalls, einem Format für Comedy-Kabarett und Literatur-Events für das Bergische Land, gegründet von Csilla Letay und Julian Dell.

Unterschiedliche Realitäten

Gleich zu Beginn der Lesung erklärt Hasters, dass es sich bei ihrem Buch nicht etwa um ein reines Sachbuch handele. Für sie sei es, aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen und „Expertise auf dem Gebiet des Rassismus“, auch als kreativer Text zu sehen. Außerdem betont sie, dass das Buch nicht explizit für weiße Menschen sei – wie der Titel vermuten ließe – sondern vor allem aus der Motivation heraus entstanden sei, andere BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) Mut schöpfen zu lassen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind.

Wie sehr sich die Realität schwarzer Menschen von der weißer Menschen unterscheidet, wird direkt am Anfang ihrer Lesung deutlich. Anhand prägnanter, rassistischer Erfahrung aus ihrem eigenen Alltag lässt sie die Zuhörer/-innen in den Alltag von BIPoC eintauchen. Da gibt es beispielsweise Kindheitserinnerungen, bei denen sie ein „exotisches“ Mitbringsel aus ihrer Heimat vorstellen soll, obwohl sie in Köln-Nippes geboren wurde. Sie berichtet von einer schriftlichen Arbeit aus ihrer Zeit an der Journalistenschule, die auf Kritik stieß, weil Rassismus gerade kein Weltgeschehen sei, obwohl sie ihn jeden Tag erlebt – oder aber auch eine Sparbüchse in einem Café in Nippes, die einen schwarzen Mann als „Geldschlucker“ nach Ende der Sklaverei in den USA darstellt. „Das ist doch ein wenig rassistisch, oder?“, merkt Hasters nach langer Überlegung gegenüber der Bedienung vorsichtig an und befürchtet gleichzeitig, ihr mit dieser Bemerkung die Freude an ihrer Sparbüchse zu nehmen.

Lesung im Freibad Mirke © jr & hvn

Ansprechen oder Schweigen?

Bei all diesen Vorkommnissen fiele es ihr schwer zu entscheiden, ob sie schweigen – um niemanden anzugreifen und Diskussionen zu vermeiden – oder ob sie den Rassismus ansprechen sollte. Hasters beschreibt hier die Täter/-innen-Opfer-Umkehr, durch die sie das Gefühl bekommt, sich dafür entschuldigen zu müssen, ihre Mitmenschen auf rassistische Verhaltensweisen und Bemerkungen aufmerksam gemacht zu haben.

An Hasters Seite führte Cecil Arndt durch den Abend. Sie ist Referentin der politischen Bildung beim projekt.kollektiv bei IDA-NRW und beschäftigt sich aus postmigrantischer und (queer-)feministischer Perspektive, vorzugsweise mit den Schwerpunkten Rassismus- und Machtkritik. Zum Ende der Lesung gaben Hasters und Arndt den Zuhörer/-innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Dabei ging es nicht nur darum, wie man als BIPoC Rassismus im Alltag gegenübertreten kann, sondern auch darum, wie weiße Personen antirassistisch handeln können.

Privileg des Weißseins

Die Rassismus-Problematik fängt dabei laut Hasters nicht erst in den USA an, wie teilweise angenommen. Alleine die momentane Flüchtlingskrise in Europa sollte zum Umdenken anregen. Es gäbe im Kampf gegen Rassismus kein „Heilmittel“ – vielmehr brauche es aus Hasters Sicht eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Thema „Rassismus“, aus der ein Diskurs in der Gesellschaft resultiere. Sie könne weißen Menschen nicht die Leichtigkeit und das Privileg ihres Weißseins nehmen. Vielmehr käme es darauf an, sich dieser weißen Privilegien bewusst zu sein, sich fortzubilden und sich für ein solidarisches Handeln in der Gesellschaft zu entscheiden. Dies sei zwar anstrengend, am Ende des Tages sollten sich aber alle fragen: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? »jr & hvn«

Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen

  • Preis: 17 Euro (Buch) und 12,99 Euro (E-Book)
  • Broschiert: 208 Seiten
  • Verlag: hanserblau
  • ISBN-10: 3446264256
  • ISBN-13: 978-3446264250

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