Mit Melancholie, vielsagender Kunst und überraschender Ehrlichkeit überzeugt
Noch bevor der Vorhang fiel, wurde das komplexe und abstrakte Stück als Herzensangelegenheit vorgestellt. Zahlreiche Zuschauer hatten sich im hell erleuchteten Kronleuchtersaal des Opernhauses versammelt, um dem Einführungsgespräch zwischen dem Opernintendanten Berthold Schneider und den Mitwirkenden von AscheMOND zu lauschen. Unter ihnen auch Helmut Oehring, der Komponist des 2013 bereits in Berlin uraufgeführten Stückes. „So kurz vor einer Premiere bin ich natürlich nervös“, erzählt der Autodidakt Oehring dem Publikum. Und gerade das macht ihn und seine Kollegen von Anfang an sympathisch. Offenheit, Ehrlichkeit und eine tiefe Verbundenheit zur Kunst lassen das Ensemble so menschlich und bodenständig wirken. „Alles, was ich möchte, ist eine Geschichte zu erzählen, Bilder zu malen und die Musik als Treibstoff zu nutzen. Ich möchte die Menschen mit der Musik berühren, etwas auslösen.“ – Spätestens mit diesen Worten hat sich der gebürtige Berliner direkt in die Herzen der Zuschauer katapultiert.
„Musik soll für eine Weile all deinen Kummer stillen.“
Als sich dann zwischen dem Pro- und Epilog von AscheMOND eine Welt auftat, in der neben der melancholischen und verängstigten Seite der Menschheit auch Shakespeare zitiert und die heilende Wirkung der Musik thematisiert wurde, wurde das Publikum in den Bann des Stücks gezogen. Frei nach Purcell‘s Klassiker „Music for a while“ begann der Countertenor, Leben auf die Bühne zu bringen.
Trotz fehlender Handlung und vieler offener Fragen wurde deutlich, dass es hier nicht um das menschliche Individuum, sondern um das Kollektiv geht. „Alles hat mit allem zu tun“, erklärt Berthold Schneider. So sind es die Verbindungen zwischen der Menschheit, der Natur, dem Mond, der Sonne und so vielen anderen Instanzen dieser Welt und des Universums.
Ein Wechselbad der Gefühle
Neben dem Wechsel und der Überlagerung der gigantischen Barockmusik von Purcell aus dem 17. Jahrhundert und den modernen Kompositionen von Oehring selbst, war es nicht nur das Spiel der Musik, das den Zuschauer mitgerissen hat. „Man muss es sehen, nicht nur hören“, erklärt ein Besucher der Vorstellung. Nicht nur das alte Bahnhofsgebäude, das gekonnt als Bühnenbild inszeniert wird, auch die Masse an Schauspielern, die sowohl in ihrer Gesamtheit als auch einzeln überzeugen, verleihen dem Stück das gewisse Etwas. Da bietet die für viele ungewohnte Gebärdensprache einen zusätzlichen visuellen Genuss.
Abrupte Stimmungswechsel und eine Kassandra Wedel, die nicht besser hätte spielen können, lassen das Publikum in der fast dreistündigen Oper zwischen Gruselshow und sanfter Melancholie schwelgen. Verstärkt wird dieses Gefühl nicht zuletzt durch die raue, geheimnisvolle Stimme aus dem Off, die jede neue Jahreszeit in geisterhafter Atmosphäre ankündigt, wobei der Frühling als neuer Hoffnungsträger bewusst ausgelassen wurde.
Da war es nur die verdiente Belohnung für das Ensemble, am Ende den tosenden Applaus entgegen zu nehmen.
Weitere Vorstellungen finden am 03.02., 05.03. und 18.03. im Opernhaus in Barmen statt. Karten können über die Kulturkarte unter (0)202 563 7666 bestellt werden. Studierende erhalten über die Bühnenflatrate Tickets zum Nulltarif. »lyh«
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Titelbild: „Mit Melancholie, vielsagender Kunst und überraschender Ehrlichkeit überzeugt“ © Wil van Iersel