Auf der Suche nach dem verlorenen Subjekt

Übersetzer als Mittler zwischen Sprachen und Kulturen

Es duftet nach Curry und einer ungeahnten Vielfalt anderer intensiver Gerüche. Aus jedem der fremden Gewürze spricht und entfaltet sich eine völlig andere Welt. So hält diese Einzug in eine Studentenwohnung mitten in Wuppertal; es drängen sich fünfzehn aufgeregt in Hindi, Deutsch, Englisch oder in wilden Gebärden kommunizierende Studenten um eine lange Tafel. Jeder einen anderen Teller vor sich, der die wohlriechenden Köstlichkeiten trägt, sprechen und lachen sie. Ebenso, wie das bunt zusammengewürfelte Geschirr, ist die Gruppe eine Bunte. Jeder der Sprecher hat eine andere Tonfärbung, jeder eine eigene Muttersprache und Kultur, kaum einer dieselbe.

Was hier in diesem bunten Beisammensein geschieht, ist Teil eines Projektes der BUW:

Das vom DAAD (Deutscher Akademischer Austausch Dienst) geförderte Projekt ‚Literarische Übersetzung als Mittel der Kulturvermittlung‘ im Rahmen der Programmlinie ‚A New Passage to India‘ findet als solches erstmalig in Wuppertal statt, wird jedoch im Laufe der nächsten Jahre als feste Instanz etabliert, wie es vormals in Berlin der Fall war. Initiatorin des Projektes, Frau Prof. Dr. Ursula Kocher, hat dieses vom DAAD ausgezeichnete Projekt mit ihrer Berufung hierher gebracht und damit ein Stück indischer Kultur.

Alle der Teilnehmer studieren in einem literaturwissenschaftlichen Studiengang an der BUW, haben Interesse an kulturellem Austausch und Übersetzungsarbeit und eine gehörige Portion Neugierde mitgebracht. Sie belegen einen Hindi-Intensivkurs, der sie auf eine harte Probe stellt; schließlich ist es nicht einfach, eine völlig fremde Schrift zu lernen, die mit vielen kleinen Häkchen und Strichen eine Sprache abbildet, die lautlich eine ganz andere ist, als es die unseren Studenten bekannten sind.

Einmal in der Woche findet ein Kolloquium statt, zu dem sich sowohl die indischen Studierenden, als auch der hiesige Teilnehmerstamm des Projektes einfinden. Hier werden Probleme diskutiert, die bei der Übersetzung entstehen, häufig geht es hoch her …

Foto: Birte Fritsch

Ausgangspunkt des Projekts, das in Kooperation mit der Delhi University realisiert wird, ist die Annahme, dass sich ein Indienbild auch aufgrund von übersetzter Literatur in Deutschland etablieren lässt. Die bisher übersetzte Literatur beschränkt sich jedoch hauptsächlich auf englische Vorlagen und damit auf halbwegs bekannte Autoren oder Texte, die eben nicht in einer der zahlreichen indischen Sprachen verfasst wurden. Dieses Vorgehen hat in erster Linie marktstrategische Gründe, bewirkt aber eine verzerrte Wahrnehmung indischer Kultur. Ziel des Projekts ist es daher, Übersetzungen wichtiger Bücher zu erstellen, die aufgrund ihrer indischen Originalsprache weniger Chancen haben, in Deutschland wahrgenommen zu werden. Wichtiger als das ist bei dem Projekt allerdings der Prozess des gemeinsamen Übersetzens. In enger Zusammenarbeit indischer und deutscher Studierender wird ein direkter kultureller Austausch ermöglicht. Durch gemeinsame Arbeit an einer Übersetzung und damit einem intensiven interkulturellen Dialog findet eine Verständigung überkulturelle Spezifika und Differenzen statt, die über das Endprodukt der Arbeit, die Übersetzung, greifbar wird. »bf«

Ablauf

  • Hindi-Intensivkurs für die deutschen Teilnehmer
  • Deutschlandaufenthalt der indischen Übersetzungsgruppe in Wuppertal
  • deutsch-indische Tandems besprechen in regelmäßigen Treffen die sukzessive angefertigte Rohübersetzung des Romanes
  • wöchentlich ein Kolloquium unter der Leitung von Prof. Dr. Ursula Kocher zur Besprechung von Fragen und Hindernissen
  • ‚Gegenbesuch‘ der deutschen Seite: Im folgenden Semester reisen die Teilnehmer für drei Monate nach Delhi, um dort die Übersetzung zu überarbeiten
  • Kolloquien an der Delhi University unter der Leitung von Prof. Dr. Shaswati Mazumdar
  • Möglichkeit, Seminare der jeweils studierten Fachrichtungen an der Delhi University zu besuchen und somit eine völlig fremde universitäre Umwelt kennenzulernen

TIPP: Ilija Trojanow Der Weltensammler

Der Roman in drei Teilen erzählt aus dem Leben des historischen britischen Offiziers Sir Richard Burtons (1821-1890), der im 19. Jahrhundert die englischen Kolonien bereist. Doch anstatt dort seine westlichen Lebensgewohnheiten beizubehalten, taucht er wie im Rausch in die fremden Sprachen und Kulturen ein.
Just in Indien spielt der erste, brillanteste Teil der Erzählung, der jedem seiner Leser nicht nur das Land selbst, sondern auch die Neugierde an den Geheimnissen der Fremde nahe bringt. Ein bunt gewebter Teppich aus Faszination und Exzentrik, aus Geschichte und Abenteuer in dem viel Wahrheit steckt. »Leseprobe«

Titelbild: Das deutsch-indische Kolloquium © Birte Fritsch

Gastautorin: Birte Fritsch – »bf«

Foto: Birte Fritsch

Birte Fritsch studiert derzeit Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität. In den letzten Jahren war sie unter anderem Mitglied des Studierendenparlamentes, des Fachschaftsrats des Fachbereichs A, der FSRK und des AStA (als Referentin für Kultur und Shop).

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