Autonomes Zentrum: „Wir machen nicht für einen Faschisten Platz“

Über die Bedeutung des Autonomen Zentrums in Wuppertal

Aufgrund der geplanten Erweiterung der DITIB-Moschee, die etwa ein Gemeindezentrum, eine Kita und studentischen Wohnraum beinhaltet, soll das Autonome Zentrum (AZ) an der Gathe weichen. Was bedeutet das für die Menschen aus dem AZ? Worin sehen sie die Bedeutung des Zentrums und wie fühlen sie sich von Politik und Presse behandelt? Davon berichten Lena, Tom, Molly und Medya, deren Namen für den Artikel verändert wurden.

Das AZ in Wuppertal - Foto: Wolf Sondermann

Kostenlose Freizeitmöglichkeiten im Autonomen Zentrum

In Gesprächen wird deutlich: Das AZ ist vor allem ein vielfältiger Ort. Hier können Besucher:innen, unabhängig von der eigenen finanziellen Situation, ihren Hobbys nachgehen. Für Molly bedeutet es, Schlagzeug zu spielen und mit seiner Band auftreten zu können. Menschen bekommen hier durch die geringen Preise und dem fehlenden Konsumzwang eine Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe, die ihnen ansonsten, insbesondere in Zeiten steigender Preise, oftmals verwehrt wird, berichtet Tom. Es gibt zum Beispiel Proberäume für junge Bands, viermal die Woche Kickboxtrainings und dazu werden Tanz-, Kletter-, und Siebdruckworkshops angeboten.

Ein Ort der persönlichen Entfaltung also? Nicht nur das. Molly hat sich technisches Wissen durch eine Technikgruppe im AZ angeeignet. Eine weitere Person, die namentlich nicht genannt werden möchte, erzählt, dass sie durch Informationsveranstaltungen beispielsweise einiges über Erste-Hilfe und Epilepsie gelernt hat. Und das alles kostenlos, was es so an keinem anderen Ort in Wuppertal gäbe.

„Für mich und viele andere ist das Autonome Zentrum der zentrale Ort in Wuppertal was Freizeitaktivitäten und politischen Aktivismus angeht“, erzählt Tom. „Es gibt politische Diskussionen, die bei der Entwicklung eines kritischen Blickes beitragen und kritische Kultur ist gerade heutzutage wichtig“, ergänzt Molly.

Ein zentraler Ort in Wuppertal für Freizeitaktivitäten und politischen Aktivismus – Foto: Wolf Sondermann

Autonomes Zentrum: Zusammenhalt ohne Hierarchien

Vielfältige Gründe führen die Menschen ins AZ. Lena kommt seit fast vier Jahren. Zuerst als Gast, mit der Zeit hat sie Tresen- und Türschichten übernommen. Für sie wurde das AZ zu einem Raum, in dem sie ihre Ideen umsetzen und anderen Menschen bei ihren unterstützen kann. Durch die Option, Veranstaltungen zu planen oder Projekte umzusetzen, würden gerade Jüngere lernen, Verantwortung für andere zu übernehmen. „Es bekommt niemand Geld für seine Arbeit, es ist ein großes gemeinsames Zusammenarbeiten, bei dem es möglichst keine Hierarchien gibt“, berichtet Lena. Tom führt dazu aus: „Für Menschen, die Bezug zu autonomer Politik oder Subkultur haben, ist das AZ als der erste Anlaufpunkt in Wuppertal naheliegend. Hier können wir uns frei von den hierarchischen Strukturen und neoliberalen Dogmen organisieren, die unsere Gesellschaft ansonsten dominieren.“

Safe-Space im AZ für Minderheiten und Außenseiter:innen

Eine weitere Person betont die Wichtigkeit einer Subkultur in Wuppertal, die ansonsten im Tal fehle. So ist auch die Zukunft der Metalkneipe Underground aufgrund der Planungen für das Pina-Bauch-Zentrum ungewiss. Als sie neu in der Stadt war, hat sie im AZ Anschluss gefunden und wurde dort mit offenen Armen aufgenommen. Zudem war es der erste Ort, wo „meine Ängste nicht runtergespielt wurden.“ Das AZ sei extrem wichtig für Minderheiten und Außenseiter:innen, es stelle einen Safe-Space dar, den es sonst nirgendwo in der Stadt gäbe. Das AZ versuche, ein „herrschafts- und diskriminierungsfreier Raum“ zu sein, so Tom, rassistisches, homophobes oder übergriffiges Verhalten werde hier nicht toleriert.

Für was das AZ steht, hält Lena zusammenfassend fest: „Linke Politik, antikapitalistisches Denken und Handeln, Konsumzwang entgegenwirken, kulturelles Angebot auch für Menschen mit geringem Einkommen, Bandproberäume, veganes Essen gegen Spende und wie unglaublich gut dieses schmeckt, eine soziale Struktur, welche sich umeinander kümmert, feministisch und queer, radikal für ein gutes Leben für alle kämpfen, sich einsetzen für Menschen ohne Lobby.“

Diskussionsveranstaltung im Autonomen Zentrum – Foto: Wolf Sondermann

„Gehört das AZ doch nicht nach Wuppertal?“

Von Bedeutung sei das AZ auch für den Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein und den Viyan-Kurdischer FrauenVerein. „Es ist wahrscheinlich der einzige Ort in Wuppertal außerhalb unseres Vereins, wo unsere Fahne an der Wand hängt“, sagt Medya vom Viyan. Sie beschreibt die Autonomen als einen wichtigen Partner gegen den Faschismus. Deswegen kritisiert sie das in den Medien oft verwendete Narrativ „Moschee-Gegner“, da die Abwehr sich gegen DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) richte und nicht gegen Moscheen im Allgemeinen. „Dabei wären die Menschen aus dem AZ die ersten, die kommen und sich solidarisieren würden, wenn Rechtsradikale bei der DITIB-Moschee auftauchen würden – trotz aller Diskrepanzen“, sagt sie weiter.

Tom beschreibt das Framing „Moschee-Gegner“ als eine Täter-Opfer-Umkehr, da es die DITIB sei, die ihr Zentrum „plattmachen“ wolle. Bei der WDR 5-Sendung „Stadtgespräch“, die am Donnerstag, 15. Juni, stattgefunden hat, wurde seitens des AZ angemerkt, wieso man nicht weiter Nachbarn sein und gemeinsam auf dem Grundstück koexistieren könne. Für Ersin Özcan, Vorsitzender der DITIB Wuppertal, sei das keine Option, da beispielsweise die Konzerte die Gebete stören würden. Die gesamte Diskussion innerhalb des Stadtgesprächs kann hier angehört werden

„Wir machen nicht für einen Faschisten Platz“, sagt Molly und merkt an, dass die Kritik an DITIB in der Presse nicht im Fokus stehe. Tom sieht es ähnlich: „Beispielsweise wird nicht – oder kaum – darüber berichtet, dass die DITIB unser Gebäude nicht überplant. Es könnte stehenbleiben, aber die DITIB will uns nicht als direkte Nachbarn. Deshalb sollen wir verschwinden.“

Das Anarcho-Zeichen – Foto: Wolf Sondermann

Medya vom Viyan-Kurdischer FrauenVerein findet daher den Titel des Stadtgesprächs „Gehört der Islam doch nicht hierher?“ falsch gewählt. Viel eher sollte es heißen: „Gehört das AZ doch nicht nach Wuppertal?“ Sie äußert Besorgnis gegenüber den neben der Moschee zusätzlich geplanten Angeboten für Kinder, Jugendliche und Senioren, auch Tom sorgt sich um den zunehmenden Einfluss der DITIB, „ein Instrument des türkischen, autokratischen Regimes“.

Will Wuppertal kein Autonomes Zentrum in der Stadt?

Medya beschreibt das AZ als einen geschichtsträchtigen Ort, der ein Teil der Wuppertaler Stadtgeschichte sei. Zusammen mit Mampferando und Tacheles hat das Autonome Zentrum Kundgebungen mit Essensausgabe und Sozialberatung zu den steigenden Lebensmittel- und Energiekosten an unterschiedlichen Stellen im Tal organisiert. „Das autonome Zentrum ist ein Ausdruck des Wirkens autonomer Politik in dieser Stadt.“

Safe-Space im AZ für Minderheiten und Außenseiter:innen – Foto: Wolf Sondermann

Doch die Stadt Wuppertal scheint die Autonomen nicht da haben zu wollen – so scheint es allen Vieren. „Das AZ soll ersatzlos weg, die Stadt und DITIB möchten uns verdrängen“, sagt Lena. Alternative Angebote gebe es bis bisher nicht. Tom fühlt sich daher nicht ernst genommen: „Bisher gab es keinen wirklichen konstruktiven Fortschritt. Die treffen sich mit uns, um in der Presse zu verkünden, man sei im Gespräch. Es ist eine klassische Hinhaltetaktik“. Dabei gäbe es, so Molly, viele leerstehende Gebäude. Lena versteht den Sinn hinter einem Standortwechsel nicht: „Es gibt ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn und dem Viertel, es gibt keinen Grund warum wir da wegsollen, außer dass die DITIB uns nicht als Nachbarn haben will.“ »nkl«

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  1. Markus Durchlaub

    Und da sehe ich den Kicker Tisch.

    50.000 türkische Staatsbürger zzgl. Deutsche mit türkischer Herkunft wohnen in der Umgebung

    5000qm DITIB Gebäude (das ist keine Moschee, denn es wird auf türkisch gepredigt. Allah kann nur arabisch. Nur wo arabische Predigt da Moschee).

    ca 500. DITIB Mitglieder.

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