„Physikerin des Monats“: Minori Nohara fasziniert die Schnittstelle zwischen Physik und Philosophie

Gastartikel der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften

Minori Nohara studiert Physik im Kombinatorischen Bachelor of Arts (Kombi B. A.) an der Bergischen Universität Wuppertal. Ihr zweites Fach ist Philosophie. Zudem ist sie als studentische Hilfskraft am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschafts- und Technikforschung (IZWT) tätig. Dort unterstützt sie im Graduiertenkolleg 2696 "Transformationen von Wissenschaft und Technik seit 1800“ Promovierende in der Fertigstellung ihrer Dissertationen, welche unter anderem im Bereich der Wissenschaftsphilosophie/Philosophie der Physik zu verorten sind. Im Rahmen der Reihe "Physikerin des Monats" der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften stellt sie sich und ihren Studienalltag vor.

Minori Nohara - Foto: Verena Senger

Fakultät: „Was war beziehungsweise ist deine Motivation, Physik zu studieren?“

Minori Nohara: „Ich habe mich für die Kombination aus Physik und Philosophie entschieden, weil ich gehofft hatte, dadurch ein umfassendes Bild der Welt zu erhalten. Es erschien mir sinnvoll, die beiden ältesten und grundlegendsten Fächer ihrer jeweiligen Disziplinen zu studieren, um dieses Ziel zu erreichen. Meine Motivation war reines Interesse und Neugier. Jetzt, da ich im Studium aber schon etwas weiter fortgeschritten bin, konkretisiert sich dieses Interesse immer mehr auf bestimmte Fachbereiche.“

„Ich finde es wichtig und spannend, wissenschaftlichen Theorien kritisch gegenüberzutreten“

Fakultät: „Welche Fachrichtung begeistert dich am meisten? – Um was geht es da und was begeistert dich daran besonders?“

Minori Nohara: „Besonders fasziniert mich die Schnittstelle zwischen Physik und Philosophie. Einordnen lässt sich diese im Bereich der Wissenschaftstheorie, welche grundsätzlich die Analyse von (natur-)wissenschaftlichen Theorien thematisiert. Die ‚Philosophie der Physik‘ erfasst konkret Gegenstände der modernen Physik und physikalische Konzepte. Ich finde es wichtig und spannend, wissenschaftlichen Theorien kritisch gegenüberzutreten und Aussagen sinnvoll zu reflektieren beziehungsweise zu hinterfragen. Dadurch kann letztlich gewährleistet werden, dass der Anspruch an Wissenschaftlichkeit und Richtigkeit jener Theorien gerechtfertigt ist. Genau das ist unter anderem Aufgabe der Wissenschaftstheorie.“

Fakultät: „Was würdest du einem:einer Studieninteressierten raten, der:die überlegt, Physik an der Bergischen Universität Wuppertal zu studieren?“

Minori Nohara: „Ich denke, dass Physik als Studiengang viele Studieninteressierte verunsichert, weil er als schwierig gilt, was vermutlich primär der Mathematik geschuldet ist. Es ist tatsächlich nicht einfach, aber es ist auf jeden Fall zu schaffen, wenn man wirklich interessiert ist. Da ich in der Schule Physik früh abgewählt hatte, war ich zu Beginn recht planlos – ich dachte bis zum ersten Übungsblatt in Experimentalphysik 1, dass Zeit ein Vektor sei … Die Vorlesungen und vor allem die Übungen helfen aber schnell, um sich einzufinden. Was ich auf jeden Fall auch empfehle, ist der Mathematik-Vorkurs. Dieser sorgt für einen angenehmeren Übergang zwischen Schul- und Uni-Mathematik. Was ich speziell an der BUW schätze, ist, dass die Uni nicht riesig, aber auch nicht zu klein ist und gerade die Physik in sich gut vernetzt ist, sodass der Einstieg wahrscheinlich deutlich einfacher ist als in einem größeren Studiengang. Darüber hinaus finde ich Einrichtungen wie die Mathe-Werkstatt sehr cool, da gerade wir als Kombi B.A.-Studierende meiner Meinung nach nicht mit ausreichend Mathematik versorgt werden, um alle Physik-Module reibungslos zu meistern. Da dadurch auch viel selbstständig erarbeitet werden muss, hilft eine Anlaufstelle, bei der man Fragen stellen kann sehr.“

„Ich denke, dass Philosophie und Physik mehr miteinander zu tun haben, als es auf den ersten Blick für viele erscheint.“

Fakultät: „Mit welchem Klischee möchtest du aufräumen?“

Minori Nohara: „Oft herrscht das Narrativ, Frauen seien grundsätzlich weniger rational, scharfsinnig und kompetent als Männer. Attribute, die wir einem typischen Physiker zuschreiben würden, stimmen nicht unbedingt damit überein, wie wir uns eine typische Frau vorstellen, nämlich emotional, intuitiv und gemeinschaftsorientiert. Durch diese überholte Stereotypisierung der Frau entsteht die – schwachsinnige – Idee, dass Frauen für Wissenschaften wie Physik nicht geeignet sind. Auf der anderen Seite werden Frauen, die dann tatsächlich in der Physik tätig und erfolgreich sind, mit anderen Stereotypen konfrontiert: sie seien zu karriereorientiert, kalt oder gar unweiblich. Man ist also entweder eine gute Physikerin oder eine „gute Frau“. Beides gleichzeitig geht dieser Logik nach nicht. Ich finde es schwierig, dass Frauen an dieser Stelle mit vielerlei Klischees zu kämpfen haben und verschiedenen Anforderungen gleichzeitig gerecht werden müssen, vor allem, da diese teilweise in sich widersprüchlich sind. Dennoch denke ich, dass schon einiges dafür getan wird, junge Frauen zu ermutigen, sich auch für „klassisch männliche“ Studiengänge zu entscheiden. Das finde ich wichtig, damit deutlich wird, dass das Geschlecht bei der Wahl des Studiengangs nicht im Weg stehen muss und darf. Und wenn wir schonmal dabei sind: auch die Philosophie ist sehr klischeebehaftet und gilt für viele – gerade Naturwissenschaftler – als „Laberfach“ oder als eine Disziplin ohne Bezug zur Realität. Das sind meiner Meinung nach unbegründete Vorurteile, denn tatsächlich ist die Logik – auch als philosophische Teildisziplin – ein substanzielles Kernstück der Philosophie und vor allem Fragen aus der praktischen Philosophie sind auch im Alltag von hoher Relevanz. Ich denke, dass Philosophie und Physik mehr miteinander zu tun haben, als es auf den ersten Blick für viele erscheint.“

„Was für mich außerdem hilfreich ist, ist der Austausch mit Kommilitoninnen“

Fakultät: „Was möchtest du anderen, insbesondere Frauen, in der Physik mit auf den Weg geben?“

Minori Nohara: „Häufig werden Frauen in männerdominierten Studien- oder Berufsfeldern stigmatisiert und sehen sich dadurch mit Vorurteilen belastet. Bedenklich dabei ist unter anderem, dass diese Art von Vorurteil sich tatsächlich negativ auf die Leistung von weiblichen Studierenden oder Arbeitnehmerinnen auswirken kann(!). Mehr dazu lässt sich unter dem Begriff „stereotype threat“ finden. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern dieses Phänomen tatsächlich Anspruch auf Wissenschaftlichkeit hat, aber falls es tatsächlich in der Realität wirksam ist, finde ich das äußerst problematisch. Mir hat es sehr geholfen, sich mit dem Thema und der ganzen Debatte um Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Schlagworte dabei sind zum Beispiel „gender bias“ oder auch die „leaky pipeline“. Was für mich außerdem hilfreich ist, ist der Austausch mit Kommilitoninnen. Dadurch fühlt man sich in einem Studiengang mit deutlich höherem Männeranteil weniger allein und lässt sich auch von Misserfolgen nicht so schnell entmutigen. Daher würde ich sagen, dass wir uns gegenseitig unterstützen und nicht zu viel an uns zweifeln sollten. Das gilt natürlich nicht nur den weiblichen Studierenden.“

Fakultät: „Was ist dein Ausgleich in der Freizeit?“

Minori Nohara: „Tatsächlich würde ich sagen, dass meine Fächer sich innerhalb des Studiums gegenseitig schon ganz gut ausgleichen. Ich lese gerne, aber häufig bleibt dafür keine Zeit, und, wie einige es vielleicht kennen, fehlt nach einem Tag voller Vorlesungen und Übungsblättern manchmal einfach die Lust dazu. Im Philosophiestudium ist das Lesen und Durcharbeiten von Texten essenziell. Dadurch komme ich dann immer auf mein Pensum, auch wenn nicht alle Texte immer spannend sind. Wenn es aber zu viele komplizierte Wörter oder Theorien werden, wende ich mich doch auch gerne wieder den Übungsblättern zu. Ansonsten mache ich Ballett, was mir auch viel Spaß macht. Was andere sportliche Aktivitäten angeht, bin ich nicht sonderlich begabt. Daher bleibt es meistens bei einem Spaziergang mit dem Hund oder einem Treffen mit Freunden.’“

Fakultät: „Vielen Dank für das Interview, Minori!“

Mehr zum Interdisziplinären Zentrum für Wissenschafts- und Technikforschung (IZWT) gibt es unter:

Zur Reihe „Physikerin der Monats“

Im Rahmen eines Projekts auf den Kanälen der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften werden regelmäßig Physikerinnen vorgestellt, um die Sichtbarkeit der Wissenschaftlerinnen zu erhöhen und das Interesse am Physikstudium zu fördern.

Die Physikerinnen stellen sich und ihr Forschungsgebiet oder besonderes ihr Interesse an der Physik vor. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Physikerin im Bachelor-, Master- oder Lehramtsstudiengang studiert oder bereits als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Professorin tätig ist.

Diese Idee ist inspiriert von der Initiative „Physikerin der Woche“ des Arbeitskreises Chancengleichheit (AKC) der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG).

Das Interview mit der Studentin Minori Nohara ist an dieser Stelle im Rahmen einer Kooperation zwischen der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften und der CampusZeitung blickfeld erschienen.

Weitere Interviews der Reihe sind abrufbar unter:

Ansprechpartnerin für das Projekt ist:

Anzeige:

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert