Offener Brief: Gemeinnütziger Journalismus in die Abgabenordnung!

"Die Stärke unserer Medienlandschaft liegt in ihrer Vielfalt aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk, privaten Medien und Verlagen und gemeinnützigem Journalismus", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während der Eröffnung der "Medientage Mitteldeutschland" in Leipzig. Eine entsprechende gesetzliche Regelung für einen gemeinnützigen Journalismus steht - obwohl von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP im Koalitionsvertrag festgeschrieben - aus. Vor diesem Hintergrund fordert das "Forum Gemeinnütziger Journalismus" (erneut) in einem offenen Brief, Rechtssicherheit für einen gemeinnützigen Journalismus zu schaffen. Wir als blickfeld schließen uns dieser Forderung an.

Sehr geehrte Bundesministerinnen und Bundesminister,

der uns vorliegende Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 (Arbeitsstand 27. März) klammert Neuregelungen zum Gemeinnützigkeitsrecht aus. Als Forum Gemeinnütziger Journalismus e. V. möchten wir sie als Mitglieder der Bundesregierung und Vertreter:innen der Bundesministerien an die Koalitionsvereinbarung erinnern, in der die Schaffung von „Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus“ als Ziel genannt wird (KoaV S. 123).

Gemeinnützige Medien agieren in Deutschland in einer Grauzone, sie sind auf das Wohlwollen von Finanzbehörden angewiesen, da Journalismus in der Abgabenordnung (AO) nicht unter den steuerlich begünstigten Zwecken aufgeführt wird. Medienhäuser wie das Recherchenetzwerk CORRECTIV erlangen Gemeinnützigkeit über andere Zwecke. Sie bieten Bildungsprogramme, firmieren als Bildungsträger – andere Redaktionen berufen sich auf Kunst- und Kulturförderung oder den Verbraucherschutz. Auch eine untergesetzliche Regelung in einem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO), wie sie jetzt offenbar von Finanzministerium und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien vorbereitet wird, würde, aufgrund abweichender Auslegungen des Erlasses, nicht die beabsichtigte Rechtssicherheit schaffen.

Das Forum Gemeinnütziger Journalismus hat im Herbst einen Vorschlag für die Beratungen des JStG 2024 in der interministeriellen Arbeitsgruppe vorgelegt: Journalismus soll als Unterfall der Volksbildung in die Abgabenordnung aufgenommen werden. Für Journalist:innen und Medienmacher:innen, für engagierte Bürger:innen und Stiftungen wäre das ein Signal in einer sich dramatisch ausdünnenden Presse- und Nachrichtenlandschaft. Unlängst wurde ein Zusammenhang zwischen Lokalzeitung und Wahlergebnissen wissenschaftlich belegt: Wo Lokalredaktion fehlen, verzeichnen demokratiefeindliche Parteien höheren Zuspruch. Publiziert wurde das von der ebenfalls gemeinnützig geführten KONTEXT:Wochenzeitung aus Stuttgart.

Nicht nur das Recherchenetzwerk CORRECTIV und KONTEXT:Wochenzeitung belegen die Relevanz von gemeinnützigen Medien: Gemeinwirtschaftlich organisierte Redaktionen befassen sich mit Spezialthemen der Auslandsberichterstattung, mit Kulturjournalismus oder Lokalthemen mit einer natürlich begrenzten Zahl an Leser:innen. Sie können aufwändiger, nachhaltiger recherchieren und die Ergebnisse barrierefrei allen Bürger:innen zur Verfügung stellen, weil sie einzelne journalistische Beiträge nicht vermarkten müssen. Gemeinnützige Medien – zu denen auch NETZPOLITIK.org, nachtkritik.de oder finanztip.de zählen – agieren als eine dritte Säule des Journalismus neben öffentlich-rechtlichem Rundfunk und neben dem klassischen Pressemarkt und damit nicht in Konkurrenz zu den privatwirtschaftlichen Zeitungsverlegern.

Als Forum erhoffen wir uns von der Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus einen Schub für demokratierelevanten Journalismus. Es bieten sich neue Chancen für neue Medien, für Medienmacher:innen, Impulse für Demokratie und Öffentlichkeit. Propagandamedien können nicht Nutznießer einer Gemeinnützigkeit von Journalismus werden. Das schließen die Vorgaben der Abgabenordnung aus (Extremismusverbot, Förderung von Toleranz und Völkerverständigung §51, 3; Allgemeinwohl §52, 1).

Die Ermöglichung von gemeinnützigem Journalismus würde eine nachhaltige Wirkung entfalten für Öffentlichkeit, Diskurs und Demokratie.

Für weitere Rückfragen, Konsultationen stehen wir gerne jederzeit zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen
i.A. Christoph Schurian (gf)
Forum Gemeinnütziger Journalismus e. V.

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