Akademia:
Wie frei ist Kunst noch?

„Wir sind im System eingeklemmt. Grenzen und Zensur scheinen die Kunst zu dominieren. Künstler schaffen fremdbestimmt. Kunst scheint nicht mehr frei zu sein.“

Foto: Louisa Heerde

Akademia ist eine Oper über die jüngste Geschichte der Kunstakademie Düsseldorf, die im Juni 2019 im Park des Künstlervereins Malkasten in Düsseldorf aufgeführt wird.

Kunstschaffende – an der Akademie und überall – fühlen sich zunehmend von dem sie umgebenden System eingeengt. Wie frei ist Kunst noch? Gibt es Möglichkeiten, auszubrechen? Was muss passieren? Diese Fragen möchte Akademia aufwerfen – und behält es sich vor, keine Antworten geben zu können.

Die „Kluft zwischen eigenen Idealen und vorherrschendem System“

Plot: Nach dem Abitur erhält Lara Wittenberg eine Zulassung zur Kunstakademie. Nach und nach lernt sie die dort wandelnden Figuren und Institutionen kennen und wird bald mit der Kluft zwischen eigenen Idealen und vorherrschendem System konfrontiert. Was als Ort von Autonomie und Freiheit angepriesen wird, entwickelt sich für Lara nach und nach zum Schauplatz eigener Zweifel, hochschulpolitischer Machtkämpfe und Hürden, die ihrer Kunst im Weg stehen.

Das Projekt wurde unter der Leitung der Künstlerin Aylin Leclaire in einem freien Austauschprozess mit über 100 Freiwilligen und über zwei Jahre entwickelt. Akademia wird auf fünf eigens gebauten Installationen inszeniert. Dabei entscheidet das Publikum, welche Szene es besuchen und in welcher Reihenfolge es diese erleben möchte.

Interview mit Aylin Leclaire, Künstlerische Leiterin, Produzentin und Initiatorin von Akademia

Foto: Louisa Heerde

blickfeld: Worum geht es dir bei Akademia?

Leclaire: Es geht um die jungen Künstlergenerationen. Darum, dass in diesem komplexen, kapitalistischen, “demokratischen“ System Strukturen existieren, die die künstlerischen Freiheiten, die im Grundgesetz ja zu Recht verankert sind, einschränken. Da gibt es verschiedenste Formen von Einschränkung und Zensur: Zum einen gibt es Lobbyismus, der an ganz vielen Stellen greift, zum anderen Versicherungen, die durch Auflagen, etwa im Brandschutz, die künstlerische Arbeit einschränken.

Wenn wir in Richtung Political Correctness und Diskriminierung gehen, ist das natürlich auch ein zweischneidiges Schwert. Dann darf ich nicht diskriminieren oder Cultural Appropriation (Dt.: Kulturelle Aneignung) begehen. Heißt, eigentlich darf ich nur über das reden, was ich kenne und was ich bin, mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und dann ist natürlich der Radius, in dem ich mich bewegen kann, wesentlich kleiner, als er sein könnte.

Dann ist es so, dass man sich denkt: ‚Vielleicht schaffe ich es ja, weil meine Arbeit sich einfügt in dem, wo es am besten gesellschaftlich hin sollte …‘ – Stichwort: Systemkonformität. Einfach nur aus Zufall heraus, dass es gerade so passt, dass es in einer Galerie stehen kann und ich die passenden Kontakte geknüpft habe.

Aber wenn ich dann mit den Leuten rede und vielleicht eine kritische Arbeit machen würde, die auch reinhauen soll: Wie kann ich das vermitteln, ohne ihnen sehr hart entgegen zu treten? Ich muss das ja verkaufen. Ich muss zu den Leuten nett sein, ich muss den Leuten ja irgendwie das anbieten können und sie dazu bringen, es haben zu wollen. Das heißt, ich kann mit der Kunst tatsächlich gar nicht mehr so richtig aggressiv, fordernd oder radikal sein, was dann auch einschließen würde, dass einiges davon überspitzt ist. Alles, was aggressiv ist, darf moralisch dann nur total richtig sein und muss dann letztendlich alle bauchpinseln.

blickfeld: Welche Kritik hast du am System und seinen Institutionen?

Leclaire: Das Problem ist, dass durch die Komplexität des Systems, es nicht das eine schwarze Schaf gibt oder den einen, der Schuld ist. Das heißt: Keiner hat Schuld und alle haben Recht. Oder alle haben Schuld und keiner hat Recht. Dadurch kann man natürlich super schwer anfangen, in einem Protest oder einer Bewegung anzusetzen, um etwas zu verändern.

Dieses Dilemma zeigt die Oper letztendlich auf. Dazu kommen Fragen zur Kunstfreiheit und zum Kapitalismus, die beim Künstler selbst ansetzen, der sich überlegen muss: ‚Okay, wie finanziere ich mich denn? Wie finanziere ich meine weiteren Arbeiten?‘. Dazu gehört auch der Kunstmarkt, der erheblich mitbestimmt, was Kunst ist und für welche Kunst es Geld gibt. Es scheint eben diesen vorgegeben Weg zu geben, von der bildenden Kunst ausgehend zum Beispiel: Ich mach dann Arbeiten, die ich in eine Galerie stellen kann oder die in bestimmten Formen im Museum stehen können, wobei Museen schon eine relativ freie Form der Institution wären. Aber wenn es in einer Galerie steht, muss es verkauft werden und dann muss eine Arbeit in einem gewissen Sinne auch verkäuflich sein, sie muss irgendwo gefallen und auch einem Trend folgen – wie bei allem anderen, etwa in der Mode.

Da scheint es auch eine vorgegebene Strategie zu geben: Wie folge ich diesen Regeln, diesem Netzwerk? So, so und so musst du das machen. Da braucht man ein bisschen Glück, die richtigen Kontakte und das passende Auftreten. Am Ende schränkt sich das natürlich immer weiter ein, was man eigentlich machen kann. Die einen Dinge finden Platz in einer Galerie und werden verkauft, aber das Gleiche funktioniert an einem anderen Ort so nicht oder nur in abweichender Form. Hier und da passt sie wegen Sicherheitsauflagen und weiteren Einschränkungen nicht.

Foto: Louisa Heerde

blickfeld: Akademia ist in einem Austauschprozess entstanden. Wie lief dieser ab?

Leclaire: So viele Leute machen mit, weil sie sich an irgendeinem Punkt mit dem Thema identifizieren können und merken, dass sie eine Hilflosigkeit spüren und keine Lösung haben. Da ist die Oper eben ein Moment, an den man zumindest anknüpfen konnte. Weil die Oper keine Lösung vorgibt oder von jemandem die Lösung fordert und somit zunächst einmal alle diese Möglichkeit haben, zusammen zu kommen und zu sagen, dass sie alle dieses Problem sehen und es so existiert. Oft scheitert das Sehen des Problems schon daran, dass alle von vornherein vorgefertigten Meinungen über Dinge haben, die sich so schnell auseinander bewegen, dass das Erkennen des gemeinsamen Problems nicht mehr gegeben ist.

Sehr schön ist, dass die Oper zumindest eine Art von Ansatz geliefert hat, wie es funktionieren kann. Bei so vielen Idealen und Meinungen durch ein gemeinsames Arbeiten einen Konsens zu schaffen, ist etwas, was ich zuvor als Utopie bezeichnet hätte, die wünschenswert wäre, von der ich mir aber nicht erträumt hätte, dass es so gut funktionieren würde. Niemand hatte das Gefühl, nur angestellt zu sein, Dinge auszuführen, die andere tun. Alle sahen sich als Künstler in dieser Oper.

blickfeld: Was will Akademia erreichen? Wie geht es weiter?

Leclaire: Ich bin gespannt, was sich nach der Oper daraus entwickelt. Ich denke schon, dass diese sehr viele Spuren bei allen hinterlassen hat, die dabei waren. Ich hoffe eben, dass sich das ‚Danach‘ nicht wieder in die Erfahrung, die man da gemacht hat, zerläuft. Und vielleicht wachsen daraus wieder andere Projekte, inszeniert von anderen Leuten als von mir.

Durch das, was entstanden ist, ist ein ganz großer Teil, den ich mir für das Projekt gewünscht habe, in Erfüllung gegangen. Sinnbildlich steht so bereits die erste von zwei Skulpturen. Die zweite ist dann die Aufführung, in der das Ganze in die Öffentlichkeit getragen wird. Und das wird nochmal ein ganz spannender Moment, wie so eine Öffentlichkeit damit umgeht, wenn sie eine so ernsthafte Thematik in einer Oper, in einem Stück präsentiert bekommt, wie sich das vermittelt und anschlägt. Was die Betrachter dann davon mitnehmen. »red«

Akademia – Eine Oper

Akademia wird aufgeführt im Park des Künstlervereins Malkasten (Jacobistraße 6a, 40211 Düsseldorf). Tickets sind erhältlich unter: akademiaoper.com/tickets (VVK: regulär 15 Euro, ermäßigt 7,50 Euro)

Aufführungen:

  • 11. Juni 2019 (Premiere)
  • 14. Juni 2019
  • 15. Juni 2019
  • 16. Juni 2019
  • 18. Juni 2019
  • 20. Juni 2019

Dauer:: jeweils von 18:30 bis 23:00 Uhr (Einlass ab 18 Uhr)

Weitere Informationen

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