In seiner Anfangszeit verstand sich das TalTonTHEATER als reiner Gastspielbetrieb, der bis 2009 im Forum Maximum Rex-Theater, das erst später zum Kino wurde, auftrat. „Als das Rex von jetzt auf gleich schloss, konnten wir mit bereits vier bis fünf Produktionen im Jahr nicht einfach aufhören, sondern haben uns entschlossen, das Theater weiterzuentwickeln und so den nächsten großen Schritt zu wagen“, blickt Jens Kalkhorst zurück. Nach einer Zwischenlösung in der Wuppertaler börse fand das Privattheater 2011 eine neue Heimat in der ehemaligen und nun denkmalgeschützten Gummibandweberei Gold-Zack, die 2022 zu den Wiesenwerken unter dem Dach der Urbanen Nachbarschaft Mirke gGmbH wurde, unterstützt von der Montag Stiftung Urbane Räume.
Im kulturellen Bewusstsein angekommen
Die Wiesenwerke liegen unmittelbar an der Nordbahntrasse. Mit TalTonTHEATER und Bahnhof Blo sowie Nachbarn wie Utopiastadt oder dem Tanz- und Kulturzentrum „ADA“ prägen sie das Mirker Quartier. „Seit der Eröffnung unseres Theaters Anfang 2012 am neuen Standort konnten wir uns einer immer größer werdenden Beliebtheit erfreuen. 2019, vor Beginn der Pandemie, war unser erfolgreichstes Jahr. Wir sind im Quartier und im kulturellen Bewusstsein der Stadtgesellschaft angekommen“, so Kalkhorst. Dahin muss das Theater nun wieder zurück, wie der künstlerische Leiter ergänzt: „Bis sich nach Pandemie und Lockdowns alles normalisiert, wird es noch ein, zwei Jahre dauern.“
Gäste erwartet aktuell ein Spielplan mit Aufführungen etwa aus den Genres Drama, Komödie und Thriller – bis Mai 2024, denn dann ruht der Theaterbetrieb temporär, bis er zur neuen Spielzeit am Ende der zweiten Jahreshälfte wieder aufgenommen wird. „Als die Urbane Nachbarschaft Mirke die Fabrik von der Stadt Wuppertal übernahm, war diese in einem stark sanierungsbedürftigen Zustand. In den Räumen des Theaters müssen Geschossdecken, Wände und Fenster komplett ersetzt werden. Dieser Umbau ist eine Chance für uns“, ist sich Jens Kalkhorst sicher. Ein größerer Zuschauersaal mit Platz für 120 statt 86 Gäste, ein Barbereich mit offenem Foyer, Barrierefreiheit und eine Seitenbühne seien viele der Vorteile, die im Zuge der Sanierung entstehen würden. „Unser Theaterbetrieb wird sich vergrößern“, fasst Kalkhorst zusammen.
Aufgrund des Theaters in Wuppertal geblieben
Mit dieser Vergrößerung steigen auch die Möglichkeiten für das ehrenamtliche Ensemble, das laut Jens Kalkhorst keine Laienspieltruppe ist, sondern „so professionell wie möglich an die Produktionen“ herangeht, sich zugleich aber auch als soziokulturelles Projekt versteht, „das Menschen zusammenbringt.“
Niklas Selz, Alumnus der Bergischen Universität, ehemaliges Mitglied des Uni-Theaters und beruflich Lehrer in den Fächern Deutsch und Erziehungswissenschaft, ist seit Ende 2018 im TalTonTHEATER aktiv. Hier verfolgt er den Wunsch, sein Hobby zu professionalisieren. „Beim Uni-Theater habe ich gemerkt, wie ich das Theater gesucht habe, ohne zu wissen, dass ich es gesucht habe. Vor ein paar Jahren habe ich den nächsten Entwicklungsschritt gesucht und im TalTonTHEATER gefunden“, fasst Niklas Selz zusammen, der unter anderem wegen des Theaters in Wuppertal wohnen geblieben ist.
In Rollen abseits des eigenen Lebens schlüpfen
Für ihn gehört Theater zu seiner persönlichen Leidenschaft, Erfüllung und Entfaltung. Er strebt nicht das Profitheater an, aber ein Theater auf professionellem Niveau. Das bietet ihm das TalTonTHEATER und noch mehr, wie er erzählt: „Wir arbeiten nicht nur zusammen, sondern sind ein familiäres Ensemble, das sich gegenseitig schätzt und gerne gemeinsam auf die Bühne tritt.“ Derzeit umfasst das TalTon-Team 30 bis 35 Menschen im darstellenden Bereich. Mit den engagierten Kräften an der Bar, beim Bühnenbild und in der Maske sind rund 50 Personen ehrenamtlich am Theater tätig.
Jens Kalkhorst begrüßt in seinen Reihen viele Menschen mit Vorkenntnissen, die zum Teil eine schauspielerische Ausbildung absolviert haben, setzt diese aber nicht voraus: „Es gibt Menschen mit Talent, für die eine Schauspielschule nicht das Richtige gewesen wäre. Wichtiger ist, dass es passt.“ Menschen kämen mit unterschiedlicher Motivation zum TalTonTheater. Manche würden sich gegen den Gang in die Kunst entscheiden und einen „soliden“ Beruf ausüben. „Sie haben jedoch den inneren Drang, sich schauspielerisch auszudrücken, wollen sich ausprobieren und weiterentwickeln“, so Kalkhorst. Dazu ergänzt Selz: „Ich kann Rollen spielen, die im echten Leben sehr weit weg von mir sind und Dinge tun, die ich sonst nicht tun darf.“
„Für mich ist das Stück immer eine kleine Reise in einen Abgrund“
Im Thriller „Blinde Rache“ verkörpert Niklas Selz die Figur Ty, einen Vater, dessen Tochter entführt, missbraucht und grausam getötet wurde. Ty sieht die Schuld beim Strafverteidiger des Täters und Serienmörders Langford Jackson und möchte sich nun blutig an ihm rächen. Auf der TalTonTHEATER-Webseite heißt es zur Produktion:
Die letzten Vorstellungen finden am Wochenende 9 und 10. März 2024 statt. „Für mich ist das Stück immer eine kleine Reise in einen Abgrund. Die Rolle ist super interessant, eben weil sie so weit weg von mir ist, aber ich bin auch immer froh, danach wieder in der Realität anzukommen”, so Selz. „Mich fasziniert die Frage nachdem, was Gerechtigkeit ist beziehungsweise ob es Verbrechen gibt, in denen es einfach kein Recht mehr in der Gerechtigkeit geben kann. Mit zunehmender Handlung verschwimmen die Grenzen zwischen dem, was gefühlte Gerechtigkeit und was gefühltes Recht ist. Die spannende Frage bleibt: Wie werden die Figuren sich letztlich entscheiden? Durch das Einfügen von Tanztheater-Elementen konnten wir die emotionale Wucht der Handlung künstlerisch verschärfen, was für mich einen neuen Zugang zu einem Sprechtheater-Stück bot. Es war eine sehr reizvolle Erfahrung und ich hoffe, dass der Zuschauer es auch so erlebt”, ergänzt Jens Kalkhorst, der beim Stück die Regie führt.
Die Wartezeit beim Märchenfestival überbrücken
Im Herbst dieses Jahres, pünktlich zum 20-jährigen Jubiläum des TalTonTHEATERs, soll es nach den umfangreiches Sanierungsarbeiten wieder öffnen und nicht nur mit dem Spielplan, sondern auch mit neuen Formaten bei den Zuschauer:innen punkten, wie Jens Kalkhorst verspricht: „Geplant sind Formate wie zum Beispiel ein Kneipenquiz, Karaokeabende und mehr Gastspiele anderer Theatergruppen.“ Um die Wartezeit zu überbrücken, soll das preisgekrönte Märchenfestival des Theaters erneut stattfinden. „Dabei werden Schauspieler:innen in hochwertigen Kostümen und Märchenerzähler:innen einen öffentlichen Ort – beispielsweise Parkanlage, Burg, Schloss oder Freilichtmuseum – mit einer vollendeten Inszenierung in eine Bühne für Fabelwesen und Märchengestalten verwandeln“, so Kalkhorst. Sein Ziel und das des gesamten gemeinnützigen TalTonTHEATER-Vereins: „Wir wollen einen Ort schaffen, an dem Menschen den Alltag vergessen können.“
Wer an der Zukunft des TTTs, wie die griffige Abkürzung des TalTonTHEATERs lautet, beteiligt sein will, kann dies über eine Mitgliedschaft im Förderverein „Unterstützer und Freunde des TalTonTHEATER“ oder einen Beitrag über die Spendenplattform „BetterPlace“ realisieren. Interessierte können zudem die Umbaupläne sowie das dazugehörige Modell im TTT-Foyer begutachten, sich ausführlich informieren und eine Barspende hinterlassen. „Mit dem Erwerb von Theatergutscheinen kann sowohl Freunden und Familie als auch uns etwas Gutes getan werden“, heben Niklas Selz und Jens Kalkhorst gemeinsam hervor und freuen sich auf viele Gäste in der neuen Spielstätte. »mw«
Mehr zum TalTonTHEATER e.V.
Anschrift:
- TalTonTHEATER e.V.
- Wiesenstraße 118, 42105 Wuppertal (GoogleMaps)
Kontakt:
- E-Mail: info (at) taltontheater.de
- Internet: www.taltontheater.de
- Facebook: /taltontheater
- Instagram: @taltontheater