Delhi Daily #1

Liebe Freunde,

seit nunmehr einer Woche haben meine Füße keinen deutschen Boden mehr betreten. Die Reise hierher, nach Delhi, war sehr mühsam und raubte, neben 30 Stunden Lebenszeit, Schlaf und Nerven. Angekommen kam es erstmalig zum Schock: ein Zimmer, klein und ohne Fenster, mit einem Bad, klein und ohne Fenster, mit auf dem Boden stehenden Wasser – eine Petrischale für die in der Schwüle gedeihenden Keime. Nein, hier würde ich nicht bleiben. Doch dann schon fiel der Vorhang der Nacht und die Schlaftrunkenheit ließ mich kurzweilig vergessen.

Heute, eine Woche später, bin ich wohler. Es geht mir besser. Ich atme die warme, staubige Luft, spüre den Schweiß, meinen treuen Begleiter, kaum mehr auf der Haut. Tagsüber ist es wahrlich sehr warm und es ist gut, kann man sich dann und wann in klimatisierte Räume flüchten.

Zwischen dem Aufstehen und dem Zubettgehen liegt eingebettet ein ganzer Tag voller Leben und ein, einem Schwarm Fische gleichender, Sog aus Menschen. Alle bewegen sich durch den Moloch und jeder kommt an sein Ziel. Klein und wendig, vorbei an den anderen, durch den Verkehr, über Grenzen, in die Gegenrichtung. Ströme teilen sich, fließen zusammen. Wie Bienen brummt die Stadt emsig.

Schwarze Brett – Foto: bf

Die Universität hier soll, laut der Angaben über Studierendenzahlen, eine der größten weltweit sein. Am Nordcampus spüre ich davon kaum etwas – der Bereich der Germanic and Romance Studies der Arts Faculty ist, relativ betrachtet, recht winzig, aber, so kennen wir es gleichsam aus Wuppertal, ein sehr freundlicher, familiär Anmutender.

Nach sieben Tagen Delhi und drei Tagen Uni ist noch immer kein Alltag in Sicht – und ich frage mich, ob das wohl so bald der Fall sein wird. Vermutlich nie.

„Eat, Pray, Love“ habe ich übrigens weder gelesen noch eingesteckt. Doch vielleicht kaufe ich es hier auf Englisch – Bücher sind hier nämlich, welch ein Glück, auch recht billig.

In Wuppertal, so habe ich gehört, herrscht Indian Summer – wie schön, dass die Ferne durch Videochat und soziale Netzvernetzung immer näher rückt. In der nächsten Woche gibt es noch mehr Heimat in Delhi. Also neben der, die wir uns hier selbst erlebt haben. Vier Wuppertaler Professoren werden im Rahmen des Programms Vorträge und Workshops halten – ganz wie daheim.

Noch bin ich voller Spannung und Erwartung, Anspannung und Ungeduld. Diese Rastlosigkeit mündet in eine Schlaflosigkeit. Schlafen und Wachen wechseln einander in sehr großer Unregelmäßigkeit ab – auf verschwitzte und durchwachte Nächte folgen wieder schlaflose zitternde. Noch bin ich nicht hier, nicht allzu fern von daheim. Noch bin ich Gast und bleibe hier auf unbestimmte kurze Zeit. Abwarten, was sein wird, bin ich länger hier und begreife all das. Das Land, meinen Aufenthalt… Vielleicht lese ich dann „Eat, Pray, Love“ – vielleicht schreibe ich jedoch mein eigenes.

Bald schreibe ich Euch erneut. »bf«

Gastautorin: Birte Fritsch – »bf«

Foto: Birte Fritsch

Birte Fritsch studiert derzeit Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität. In den letzten Jahren war sie unter anderem Mitglied des Studierendenparlamentes, des Fachschaftsrats des Fachbereichs A, der FSRK und des AStA (als Referentin für Kultur und Shop).

Du bist demnächst auch im Ausland oder warst dort und möchtest gerne (rückblickend oder regelmäßig) darüber berichten? Dann kontaktiere einfach den zuständigen Ansprechpartner in der blickfeld-Redaktion, Martin Wosnitza: mw@blickfeld-wuppertal.de

Titelbild: Faculty of Arts – Nordcampus Dehli University © bf

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