Hochschul-Sozialwerk Wuppertal: „Bafög muss schnellstens reformiert werden“
Die Statistik ist eindeutig: Die Studierendenzahl an der Bergischen Universität ist von 17.672 (WiSe 2012/13) auf 22.349 (WiSe 17/18) gestiegen – das sind über 4.500 Studierende mehr. Die Zahl der BAföG-Geförderten wuchs hingegen nur um knapp 130 Studierende, genauer gesagt von 3.987 (WiSe 2012/13) auf 4.114 (WiSe 2012/13). Die Förderungsquote sank damit sogar von 22% auf nur noch gut 18%.
Fritz Berger, Geschäftsführer des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal (HSW), sieht als Ursache für diese Entwicklung „die jahrelang verschleppte – und danach nicht ausreichende – Anpassung des BAföG.“ Dazu führt Berger aus: „Noch nie waren so viele Studierende eingeschrieben, aber noch nie wurden so wenige davon mit öffentlichen Mitteln gefördert. Das Bundes-Ausbildungsförderungs-Gesetz muss kontinuierlich an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Eltern-Einkommen angepasst werden. Das hat die Bundesregierung versäumt.“
Wuppertaler Studierende jobben überdurchschnittlich viel neben dem Studium
Die Folge aus Bergers Sicht ist: „Immer mehr Studierende müssen nebenher jobben. Wuppertals Studierende lagen bei der letzten Sozialerhebung 2016 mit einem Anteil von 75% bundesweit beim Jobben in der Spitzengruppe. In Nordrhein-Westfalen waren durchschnittlich 71% der Studierenden erwerbstätig, bundesweit im Mittel 69%.“ Mit 405 Euro im Monat verdienten Wuppertaler Studierende auch mehr als ihre Kommilitonen an anderen Uni-Standorten: im Landes- (361 Euro) und Bundesdurchschnitt (385 Euro). Zugleich bekämen sie auch weniger Unterstützung durch ihre Eltern (441 Euro) als andere Studierende in NRW (541 Euro) oder bundesweit (538 Euro).
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Verbesserung des BAföG vereinbart. Die neue Ministerin Anja Karliczek lasse sich laut Berger damit aber offenbar Zeit.
Das sagen Wuppertaler Bundestagsabgeordnete zur BAföG-Kritik des HSW
Die CampusZeitung blickfeld hat die drei Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Manfred Todtenhausen (FDP), Jürgen Hardt (CDU) und Helge Lindh (SPD) mit der Bafög-Kritik des HSW-Geschäftsführers Fritz Berger konfrontiert und um Stellungnahme gebeten:
Jürgen Hardt (CDU)
„Seit 2015 haben wir das BAföG reformiert, 110.000 Studierende kommen dadurch zusätzlich in den Genuss der Förderung. Seit Anfang 2015 übernimmt der Bund dauerhaft den Finanzierungsanteil der Bundesländer (1,2 Milliarden Euro/Jahr). Im Gegenzug haben sich die Bundesländer verpflichtet, 1,2 Milliarden Euro in die Bildung zu investieren. Diese weitreichende Reform war notwendig und ich halte sie für gelungen“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) und ergänzt: „Und auch in dieser Legislaturperiode genießt das Thema Bildung starke Priorität. Trotz der letzten BAföG-Reform besteht weiterer Verbesserungsbedarf. Bei unseren Koalitionsverhandlungen haben wir uns darauf geeinigt, das BAföG weiter auszubauen und die Leistungen erheblich zu verbessern, um damit den Kreis der BAföG-Empfänger zu erweitern. Für die Reform des BAföG stellen wir eine Milliarde Euro als prioritäre Ausgabe zur Verfügung.“ Schon anhand der Einstufung als prioritäre Maßnahme sei zu erkennen, „wie wichtig uns die BAföG-Reform ist. Daneben wollen wir übrigens auch mehr in die Studienplätze und die Qualität in Forschung und Lehre investieren.“
Manfred Todtenhausen (FDP)
„Herr Berger hat mit seiner Analyse leider völlig recht, dass durch die nicht erfolgten Anpassungen der BAföG-Grenzen und -Freibeträge an die Lohnentwicklung und die Inflation die Zahl der BAföG-Empfänger beständig sinkt. Dadurch haben zuletzt viele Studierende einen BAföG-Anspruch verloren, obwohl sie die Unterstützung dringend nötig hätten“, stellt Manfred Todtenhausen (FDP) fest, der weiter ausführt: „Diesem Problem – das es in der Vergangenheit unter den verschiedensten Bundesregierungen leider immer wieder gegeben hat – wollen wir Freie Demokraten durch eine elternunabhängige Ausbildungsförderung für volljährige Schüler, Auszubildende und Studierende begegnen:
Junge Menschen sind eigenständige Persönlichkeiten, die sich selbst für ihren Ausbildungsweg entscheiden wollen. Die Wahl der Ausbildung stellt für sie die Weichen für die Zukunft. Schüler, Auszubildende und Studierende sollen ihren Talenten folgen und müssen ihre Wahl frei und ohne Geldsorgen treffen können. Deshalb darf die Finanzierung auch für niemanden an den Vorstellungen der Eltern oder deren Einkommen scheitern. Die Förderung soll aus einem Zuschuss in Höhe von 500 Euro sowie einem Darlehensangebot bestehen. Die Refinanzierung des Zuschusses erfolgt über die Verlagerung von Steuervergünstigungen der Eltern hin zu den Schülern, Azubis und Studierenden. Für den Teil, der als Darlehen gewährt wird, sollen sich die Rückzahlungsmodalitäten am späteren Einkommen orientieren.“
Helge Lindh (SPD)
„BAföG ist eine Erfolgsgeschichte sozialdemokratischer Bildungspolitik, aber viel wichtiger: Das BAföG war immer ein wirksames Instrument der Selbstermächtigung und des sozialen Aufstiegs. Auf diese Qualität dürfen wir nicht verzichten, auf sie kommt es an. Sehr erfreulich ist die wachsende Zahl an Studierenden an der Bergischen Universität. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nach wie vor die soziale Herkunft ausschlaggebend für die Aufnahme eines Studiums ist“, schreibt uns der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh, der weiter ausführt: „Eine sinkende Gefördertenquote beim BAföG ist in dieser Hinsicht sehr alarmierend. Sie drängt uns dazu, schnell zu handeln, bevor Menschen aus finanziellen Gründen von einem Studium abgehalten werden. Dafür braucht es eine deutliche Erhöhung der Fördersätze, der Freibeträge, aber insbesondere auch der Wohnkostenpauschale. Denn hohe Mieten werden für immer mehr Studierende zum Problem. Auch eine Erhöhung der Höchstbeträge der Sozialpauschalen wird notwendig sein. Gleichzeitig müssen wir das BAföG modernisieren: Wir brauchen eine Öffnung der Altersgrenzen und flexiblere Förderansprüche, zum Beispiel für ein Teilzeitstudium.“
Die Förderung muss aus Sicht von Lindh „mit der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land Schritt halten und gerade bei steigenden Lebenshaltungskosten den Bedarf von Schülern_innen und Studierenden decken. Einem Absinken des Lebensstandards von BAföG-Empfängern_innen stelle ich mich entgegen.“ »mw«