Das Semesterticket in Nordrhein-Westfalen ist nach dem Solidarmodell organisiert. Alle Studierende einer Hochschule beziehen und bezahlen es unabhängig von der individuellen Nutzung. Dafür erhalten sie ein Ticket für den Nahverkehr, das preislich deutlich unter anderen Ticket-Angeboten liegt. Das war zumindest bislang so: Mit dem bundesweit gültigen Deutschlandticket für 49 Euro schrumpft der Abstand zum Semesterticket. An der Bergischen Universität kostet die NRW-weit gültige Fahrkarte umgerechnet rund 37 Euro im Monat (220,02 Euro für das Wintersemester 2023/2024).
Das Problem: Die geringe Preisdifferenz zwischen Deutschland- und Semesterticket
Das macht das Semesterticket aus Sicht der Studierendenvertreter:innen in NRW juristisch angreifbar: Die Preisdifferenz war bislang der entscheidende Faktor, über den das Semesterticket als Solidarmodell gar vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Das Semesterticket ist über die „verfolgten Gemeinwohlbelange gerechtfertigt“ und bietet eine „Verbesserung der sozialen Situationen der Studierenden“ – so das Bundesverfassungsgericht (blickfeld zur Geschichte des Semestertickets).
Vor diesem Hintergrund sprach die blickfeld-Redaktion mit Lea Hochkirchen, der amtierenden AStA-Vorsitzenden, über die Zukunft des Semestertickets an der Bergischen Universität.
blickfeld: Hallo Lea, wie sehen die AStA-Mitglieder die Zukunft des Semestertickets in NRW?
Lea: Auch wir sorgen uns um die Rechtssicherheit unseres Semestertickets. Neben dem Gutachten des Dortmunder AStA haben wir ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, dass die rechtlichen Bedenken bestätigt. Entsprechend machen wir uns selbstverständlich Gedanken über die Zukunft unseres Semestertickets. Leider ist die Situation im Moment an vielen Stellen sehr unklar, was es uns erschwert, die richtige Entscheidung für unsere Studierenden zu treffen.
Die Diskussion: Ein deutschlandweit gültiges Semesterticket im Solidarmodell
blickfeld: Welche Lösungen bzw. Modelle werden derzeit diskutiert?
Lea: Eine bundesweite Lösung lässt auf sich warten. Die bisher bekannten Modelle sind alle an den Preis des Deutschlandtickets gebunden. Im Moment sind 60 Prozent des Deutschlandtickets im Solidarmodell ein fairer Deal (rund 176 Euro im Semester, Anm. d. Red.). Sollte der Preis des Deutschlandtickets aber in den nächsten Jahren steigen, könnte die finanzielle Belastung für unsere Studierenden über die des aktuellen Semesterticket hinauswachsen, was wir in Zeiten der ohnehin steigenden Preise gerne verhindern möchten. Auch dass der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) als bundesweite studentische Vertretung bisher nicht in die Planungen involviert wurde, kritisieren wir scharf.
Grundsätzlich ist es ein Problem, dass für nahezu alle Gruppen, beispielsweise Schüler:innen, inzwischen Lösungen gefunden wurden und nur Studierende wieder hintenanstehen. Die verschiedenen Akteur:innen auf bundes- oder landespolitischer Ebene und bei den Verkehrsverbünden verbringen ihre Zeit hauptsächlich damit, die Verantwortung hin- und herzuschieben.
Das Druckmittel: Die Kündigung des Semestertickets
blickfeld: Ein Druckmittel ist die Kündigung der bestehenden Semesterticketverträge, wie sie die FH Dortmund vollzogen hat und wie sie andere Hochschulen bzw. Studierendenschaften bereits planen. Wie bewertet der AStA diesen Weg?
Lea: Die rechtliche Grundlage für eine außerordentliche Kündigung ist derzeit noch nicht gegeben. Für eine ordentliche Kündigung sehen wir auf Grund der Satzung der Studierendenschaft an der Bergischen Universität Wuppertal die Notwendigkeit einer Urabstimmung, zu der alle Studierenden aufgerufen wären. Dies wurde uns auch von der Hochschulleitung und dem von uns beauftragten Anwalt bestätigt.
Hinzu kommt, dass die bundesweite Situation im Moment sehr unklar ist. Wir haben Sorge, dass unsere Studierenden ganz ohne Ticket dastehen, wenn wir jetzt kündigen und die bundesweite Lösung scheitert oder nicht hinnehmbar ist. Dennoch diskutieren wir die Option einer Kündigung immer wieder und verstehen alle ASten, die sich für diesen Schritt entschieden haben.
Das Ziel: Ein bundesweites 129-Euro-Semesterticket
blickfeld: Was würde verloren gehen, wenn es am Ende der Diskussion kein Semesterticket mehr gibt?
Lea: Bei der aktuellen Diskussion lohnt es sich, in Erinnerung zu rufen, dass es bei der Frage nach der Zukunft des Semestertickets um nicht weniger als die Frage nach der Mobilität der meisten Studierenden geht. Das Solidarmodell hat sich 30 Jahre lang bewährt: Wir verhandeln selbst und sind damit unabhängig von wechselnden bundespolitischen Entscheidungen. Weil wir direkter Vertragspartner der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) und des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) sind, haben wir die Möglichkeit, Probleme direkt zu lösen und weitestgehend eine gute Anbindung der Standorte sicherzustellen. Ob die Stadtwerke sich die aktuelle Anzahl an E-Bussen auch ohne unsere Beiträge leisten können, würde sich zeigen.
blickfeld: Welches Ziel verfolgt der Wuppertaler AStA in puncto Semesterticket?
Lea: Unser wichtigstes Anliegen ist es, dass Mobilität weiterhin für alle Studierenden finanzierbar bleibt. Dafür braucht es Lösungen! Die mit dem Deutschlandticket entstandene Unsicherheit wird für uns nicht langfristig tragbar sein, deshalb verbringen wir sehr viel Zeit bei verschiedenen Semesterticket-Konferenzen, Bündnis-Treffen oder am Verhandlungstisch. Wir fordern gemeinsam mit dem Landes-ASten-Treffen (LAT NRW) die Einführung eines bundesweiten 129-Euro-Tickets nach dem Solidarmodell (Petition). Entsprechend schließen wir uns auch der letzten Positionierung des LAT an.
Die Entscheidung: Per Urabstimmung aller Studierender
blickfeld: Bleibt die Kündigung des jetzigen Semestertickets als „ultima ratio“?
Lea: Sollten unsere Bemühungen weiterhin keinen Erfolg haben, wird es auch bei uns auf die Vorbereitungen einer Kündigung hinauslaufen. Doch ob der Ausstieg aus dem aktuellen Semesterticket oder der Einstieg in ein bundesweiteres Solidarmodell: In beiden Fällen werden die Studierenden der Bergischen Universität im Rahmen einer Urabstimmung darüber entscheiden können, was passiert.
blickfeld: Vielen Dank für das Gespräch! »mw«
Der Städtetag hat neulich auch auf das Problem hingewiesen: https://www.staedtetag.de/presse/pressemeldungen/2023/studierendentickets-in-deutschlandticket-integrieren
„das preislich deutlich unter anderen Ticket-Angeboten liegt“
FALSCH
Vielmehr wird der Preis danach kalkuliert, was der VRR glaubt – oder besser schätzt -, wieviel 23.000 Studierende den ÖPNV nutzen – also mehr ein Pauschal-Ticket-Sharing-System mit Win-Win-Win-Win-Situation:
Win – jedeR Studi kann den ÖPNV nutzen,
Win – sollte dies auch tun, der Umwelt zuliebe und nicht zuletzt
um was für seine/ihre 37€ pro Monat rauszubekommen,
wenn nicht: selbst schuld: wirklich soli-mäßig,
Win – der VRR bekommt die Nutzung seines Angebots adäquat bezahlt weil alle zahlen und
Win – der VRR hat fixe Einnahmen von rund 9Mio Euro p.a.,
was etwa 9.300 Monatsticket zu 80€ entspräche
„Das Problem: Die geringe Preisdifferenz zwischen Deutschland- und Semesterticket“
FALSCH
Das ist die Lösung: allen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, sollte es „so gut geh’n“ (sry) wie den Studis: 37€ im 6-Monats-Abo für das Monatsticket, etweiterbar um 12€ pro Monat zum Deutschlandticket, bezahlt von allen, die es sich leisten können: weniger als 0,5% gelten unter den Studis als „soziale Härte“ – im Bezug des Semestertickets – für die die restlichen 99,5% mit bezahlen.
„Ein Druckmittel ist die Kündigung der bestehenden Semesterticketverträge“
FALSCH
Die Studis müssen ja trotzdem zur Uni und werden sich, wie schon vor 1993, ein Ticket kaufen – wie auch immer das heißen mag – gemäß ihrer individuellen und subjektiven Bedürfnisse: es müssen ja nur die o.g. 8.300 Monatstickets sein und es bleibt für den VRR kein Unterschied.
Wer’s sich leisten kann wird mit MIV kommen und die Parkplatzsituation an und um die Uni wieder auf das Niveau zu Beginn der 90er Jahre bringen – ääh, nee: die Studizahlen haben sich seitdem um 40% erhöht, glaub‘ ich, und damit wohl dann auch dieses Problem.
„Unser wichtigstes Anliegen ist es, dass Mobilität weiterhin für alle Studierenden finanzierbar bleibt.“
FALSCH
Entweder ein Semesterticket für Studis oder ein Deutschlandticket für alle (die’s wollen) – die eierlegende Wollmilchsau ist ein ebensolcher Mythos wie „freie Fahrt“ deutschlandweit für 49€.
„…Ausstieg aus dem aktuellen Semesterticket oder der Einstieg in ein bundesweiteres Solidarmodell…In beiden Fällen werden die Studierenden der Bergischen Universität im Rahmen einer Urabstimmung darüber entscheiden können, was passiert.“
FALSCH
Die Studis können bestenfalls entscheiden, ob sie das Semesterticket behalten wollen oder eben nicht … das andere wird wer anderes entscheiden – also was darf’s sein: Spatz oder Taube und nicht Brust oder Keule?
„Bei der aktuellen Diskussion lohnt es sich, in Erinnerung zu rufen, dass es bei der Frage nach der Zukunft des Semestertickets um nicht weniger als die Frage nach der Mobilität der meisten Studierenden geht.“
RICHTIG
und kann nicht genug betont werden.
Das Solidarmodell hat sich 30 Jahre lang bewährt: Wir verhandeln selbst und sind damit unabhängig von wechselnden bundespolitischen Entscheidungen.
RICHTIG
und das sollte nicht durch schnödes Profit-Denken verspielt werden…
…denn gesetzt den Fall: es hätte nic ein 9€- oder 49€-Ticket gegeben; welche Chance hätte die Frage nach dem Sinn des Semestertickets?
Keine: hab’s mehr als einmal probiert.
t.t.