„Ich möchte, dass ich von dem was mir Spaß macht, leben kann“

Der Glücksbuchladen hinter dem Rathaus strahlt neben Gemütlichkeit wahre Wertschätzung für Bücher aus. Kerstin Hardenburg spricht über die Entscheidung den Buchladen zu öffnen, ihren Umgang mit dem Lockdown und die Auswirkungen der Digitalisierung auf ihr Geschäft.

Titelbild: Die Inhaberin des Glücksbuchladens Kerstin Hardenburg im Interview © sg

blickfeld: Wie kam Ihnen die Idee, eine Buchhandlung zu eröffnen?

Hardenburg: Ich war immer affin zu Büchern, seit der Kindheit. Zuvor arbeitete ich im Antiquariat meines damaligen Partners. Aber der Markt war schwierig und das zusätzliche Angebot durch Bücherschränke oder caritative Einrichtungen groß. Als der Gewinn zu stark sank, war ich gezwungen, mir etwas Neues zu suchen. Zuerst war ich planlos. Ich wollte etwas Richtiges machen und nicht nur jobben. Jedoch wusste ich nicht in welchem Bereich. Jemand riet mir drei Sachen aufzuschreiben. An die ersten beiden Punkte, die ich später auf einen Zettel schrieb, erinnere ich mich genau: 1. Ich möchte, dass ich von dem was mir Spaß macht, leben kann. 2. Ich möchte wissen, was mir Spaß macht. Zwei Stunden, nachdem ich den Zettel in die Hosentasche gepackt hatte, kam mir der Gedanke: ‚Ich möchte eine Buchhandlung eröffnen.‘ Ich eröffnete am 1. August 2014, weniger als zwei Monate, nachdem ich den Zettel in die Hosentasche steckte. Mir ist alles zugefallen. Ich hatte das Glück, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Leuten gesprochen hatte. Das heutige Ladenlokal, welches damals gerade frei wurde, tauchte direkt vor meinem inneren Auge auf. Ich hatte jedoch kein Kapital in Aussicht, um die verlangte Summe zu bezahlen. Eine Freundin lieh mir überraschend einen hohen Euro-Betrag.

„Mein Herzstück sind die Veranstaltungen.“

Es hat sich alles von selbst ergeben. Mein heutiges Herzstück sind die Veranstaltungen. Ein Autor kam auf mich zu und sagte: „Ich finde es toll, dass sie eine Buchhandlung eröffnet haben! Ich lese hier.“ Ich dachte zuerst, „Oh Gott, was muss ich jetzt alles vorbereiten?“. Es wurden dann ein paar Stühle gekauft. Es kamen 20 Leute. Das war die erste Lesung. Als nächstes kam ein Schauspieler aus Wuppertal. Besuchertechnisch ein totaler Flop. Aber ich habe das erste Mal gehört, was es heißt, wenn ein Schauspieler liest. Ich spürte das Potential für weitere Veranstaltungen. Er riet, `Ringelnatz` auszuprobieren, das schlug dann ein wie eine Bombe. Diese Veranstaltung war fast immer ausverkauft, ich wiederholte sie um die 30 Mal. Der Erfolg war umwerfend und hat viel Werbung gemacht.

blickfeld: Welche Schauspieler und Autoren waren da?

Hardenburg: Ich hatte sogar den damaligen Bürgermeister hier, Andreas Mucke, dann Andreas Bialas (Landtagsabgeordneter der SPD, Anm. d Red.), Bernd Kuschmann, Julia Wolf ist regelmäßig hier und mein Lieblingsregisseur, Uwe Neubauer.

blickfeld: Und das, obwohl die Buchhandlung erst seit sechs Jahren existiert?

Hardenburg: Ja, mittlerweile finden die Veranstaltungen wöchentlich statt. Im Sommer letzten Jahres haben wir sie auf Grund des Lockdowns Open-Air aufgeführt. Ein Kunde und Autor hatte diese Idee. Das waren wunderschöne Veranstaltungen, obwohl sie teils auch im Regen stattfanden. Das Meiste war super.

blickfeld: Wie können z. B. Studierende von Ihren Veranstaltungen erfahren?

Hardenburg: Ich habe einen monatlich erscheinenden Newsletter der Veranstaltungen, ansonsten gibt es einen eigenen Bereich auf der Website, im Laden liegen Flyer aus.

blickfeld: Offensichtlich war die Resonanz auf die Eröffnung sehr groß und das Feedback äußerst positiv. Gleichzeitig hat der Buchmarkt in den letzten Jahren einige Probleme: Zunehmende digitale Angebote, weniger Zeit der Konsumenten. Haben Sie dies auch erlebt?

Hardenburg: Nein. Im Vergleich zu der Zeit im Antiquariat vor sechs Jahren hat sich der Buchmarkt nicht verschlechtert. Wir kleinen Buchhandlungen haben alle einen obligatorischen Großhandel hinter uns. Was die meisten Leute nicht wissen: Wir sind genauso schnell wie z.B. amazon. Wir können genauso am nächsten Tag liefern.

Der Glücksbuchladen in der Friedrichstraße 52 in Wuppertal © sg

blickfeld: Ich vermute, besonders jüngeren Menschen ist dies nicht klar. Wird das an Ihrer Hauptzielgruppe deutlich?

Hardenburg: Das stimmt, meine Hauptzielgruppe ist etwas älter. Durchaus um die 50 Jahre.

blickfeld: Haben Sie versucht das zu ändern?

Hardenburg: Ich unternehme aktiv nichts, um eine jüngere Zielgruppe anzuziehen, da dies automatisch durch die Veranstaltungen passiert, welche in verschiedene Bereiche gehen. So sind es neben Lesungen mittlerweile auch Konzerte, welche jüngere Menschen anziehen.

„Ich mache alles alleine, das ist der Vorteil aber auch der Nachteil.“

blickfeld: Wie viele Mitarbeiter hat Ihre Buchhandlung?

Hardenburg: Ich mache alles alleine, das ist der Vorteil aber auch der Nachteil. Nur wenn ich einige Tage Auszeit brauche, habe ich Aushilfen.

blickfeld: Welche Produkte werden besonders nachgefragt?

Hardenburg: Mein Schwerpunkt liegt auf Belletristik, sozusagen normale Unterhaltungsromane. Ich kann natürlich auch alles andere bestellen: Fachbücher, Spiele, DVDs …

blickfeld: Schätzen die Kunden auch Ihre Beratung?

Hardenburg: Ja, mehr als ich dachte. Das hatte ich sehr unterschätzt. Mindestens zwei Drittel der Kunden wollen Beratung haben.

blickfeld: Da ist sicherlich auch ihre Erfahrung und Leidenschaft vorteilhaft.

Hardenburg: Ja. Ich lese jede freie Minute.

blickfeld: Können Sie einschätzen, wie viele Bücher ihrer Buchhandlung Sie gelesen haben?

Hardenburg: Die Hälfte bis zwei Drittel. Zusätzlich lese ich Rezensionen. Generell bemühe ich mich, zu jedem Buch etwas sagen zu können.

blickfeld: Warum haben Sie Sich dafür entschieden, einen Onlineshop einzurichten?

Hardenburg: Das ist mittlerweile obligatorisch im Buchgeschäft. Dieser wird vom Großhandel verwaltet. Mir würde die Zeit fehlen, die Bücher selbst einzupflegen. Der Onlineshop ist ja auch gleichzeitig meine Website, auf der ich selbst Informationen für die Kunden hochladen kann.

blickfeld: Kann man also auch direkt dort bestellen?

Hardenburg: Der Onlineshop hat mehrere Bewandtnisse. Sie können sich die Bücher vom Großhändler nach Hause bestellen, oder zur Abholung in den Laden. Die dritte Option ist der lokale Bringdienst: Ich habe Fahrradfahrer, die ausfahren … und bei der Kälte fahre ich auch selbst mit dem Auto aus.

Deutlicher Gewinnanstieg seit April 2020

blickfeld: Gab es Veränderungen des Gewinns seit April 2020 ?

Hardenburg: Der Gewinn stieg um 20 Prozent an. Die Leute lesen mehr, spielen mehr, auch DVDs, aber vor allem Bücher werden mehr geschätzt.

blickfeld: Also reagieren Sie auf die Nachricht, dass die Geschäfte auf Grund des verlängerten Lockdowns bis voraussichtlich Ende Januar schließen müssen entspannt?

Hardenburg: Ja mittlerweile. Vor dem ersten Lockdown war ich absolut schockiert und panisch. Ich hatte Angst, dass meine Existenz wegbricht. Der Buchladen ist meine einzige Einnahmequelle und er reichte nicht für großartige Rücklagen. Wir haben sofort angefangen auszuliefern. Das sprach sich so schnell rum, dass wir innerhalb von zwei Wochen normalen Umsatz hatten. Wir konnten damals nur ausliefern. Wir hatten täglich vier Radfahrer. Es war eine tolle Zeit. Zwar anstrengend, weil ich morgens um 6 Uhr schon die Sachen zusammenpacken musste. Aber es war auch unglaublich schön zu sehen, dass die Kundschaft da ist, wenn ich Sie brauche. Es war eine intensive Zeit. Ich habe Bücher für 300 -, 700 Euro verkauft. Solche Preisklassen habe ich danach nie mehr gesehen.

blickfeld: Wie schnell haben Sie damals im Lockdown Mitarbeiter für die Auslieferung gefunden?

Hardenburg: Tatsächlich musste ich gar nicht nach neuen Mitarbeitern suchen. Mein Sohn hat mich unterstützt, auch Freundinnen sagten: „Gib mir die Bergtouren, mein Fitnessstudio hat zu.“

blickfeld: Toll, das so ein Zusammenhalt entstanden ist.

Hardenburg: Definitiv, ja.

blickfeld: Eine Frage zum Abschluss: Wie sieht die Zukunft des Buchmarktes aus?

Hardenburg: Das E-Book als Buchersatz kann ja auch in jedem Buchhandel oder Onlinehandel bestellt werden. Es ist besser beleuchtet und praktisch. Leider kann man Lieblingsbücher nicht mehr Freunden zum Lesen in die Hand drücken. Alleine einen Buchladen zu führen, sehe ich finanziell unbedenklich. Jedoch vermute ich, dass größere Geschäfte starke Probleme haben werden, ihre Personalkosten zu decken. Ein wichtiges Standbein ist der Schulbuchmarkt, der wird digitaler und deswegen werden auch hier Bestellungen wegbrechen. Es wird deutlich weniger werden. Allerdings denke ich, dauert diese Entwicklung zeitlich noch an. Ich denke nicht, dass dies zu meinen Lebzeiten passieren wird. »sg«

Das Gespräch führte blickfeld-Redakteurin Sarah Großmann

Weitere Informationen zum Glücksbuchladen in Wuppertal

Anschrift:

  • Kerstin Hardenburg
  • Friedrichstraße 52 in 42105 Wuppertal

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