Tal-Radler: „Berge im Kopf abbauen!“

Christoph Grothe studierte bis 2014 Literaturwissenschaft, Kunst und Design im Magister an der Bergischen Universität Wuppertal. Viele Jahre engagierte er sich im AStA und gab die engelszunge – das heutige CampusTV an der BU Wuppertal – heraus. Engagiert ist er bis heute: Als überzeugter Fahrradfahrer hat er die beliebte Critical Mass sowie die Interessengemeinschaft Fahrradstadt Wuppertal mitinitiiert. Sein Blog „Tal-Radler“ gehört deutschlandweit zu einem der beliebtesten Fahrradblogs. Wie es um die Mobilität mit dem Zweirad im Tal steht, hat er blickfeld-Redakteur Martin Wosnitza während einer kleinen Tour auf der Nordbahntrasse geschildert.

Christoph Grothe arbeitet an der Fahrradstadt Wuppertal

Mittags in Wuppertal: Christoph und ich treffen uns am Mirker Bahnhof, der Utopiastadt, einem der Wuppertaler Zentren für Kunst, Kultur und bürgerschaftliches Engagement. Trotz dichter Wolkendecke und Temperaturen, die – sagen wir mal – nicht spontan zur Fahrradtour einladen, ist die Trasse gut gefüllt. Wer kein Fahrrad hat, wird schnell versorgt – dank der Mirker Schrauba. Sie haben nicht nur schnell einen fahrbaren Untersatz für mich parat, sondern helfen auch bei der Reparatur des eigenen Drahtesels. „Wir fahren mal Richtung Barmen“, wirft mir Christoph entgegen. Julian von den Schrauba hat auch schon den (nicht ganz) passenden Unterbau für mich gefunden. Nach zwei Fahrrädern, mehreren Sitzverstellungen und einer Beinahe-Kollision geht es dann auch endlich los. Erster Halt: Die Lego-Brücke an der Schwesterstraße.

Das Lastenrad Fienchen auf der Wuppertaler Critical Mass – rechts Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke © Talradler

Mit dem AStA-Spreck aufs Fahrrad

Fahrradfahren in Wuppertal? Auch in Zeiten immer voller werdender Fahrradständer am Campus Grifflenberg schauen die meisten Studierenden erst einmal etwas verdutzt. Bei Christoph fing es nach dem AStA an: „Nach langen Sitzungen und Redaktionsabenden ging es oft anschließend in die UniKneipe.“ Zu oft und zu lecker, weswegen am Ende für Christoph gefühlt ein paar Pfunde zu viel da waren. Es folgte die Frage: Fitnessstudio oder Fahrradfahren. Er entschied sich für Letzteres und fand heraus: „Das geht in Wuppertal überraschend gut und schnell.“ Ob Luisenviertel, Uni oder andere Orte – es gibt angenehme Wege, auch wenn es meist nicht die direkten sind.

Mit dem Lasterrad unterwegs: Julian von den Mirker Schrauba (l.) und Christoph mit Fiendchen (r.)

Der Tal-Radler startet im Web zur Critical Mass

Christoph fing an, seine Erfahrungen und Eindrücke niederzuschreiben. Anfangs in seinem privaten Blog, später unter dem Label Tal-Radler als eigenständiges Portal. Welche Routen gibt es im Tal, wo sind (temporäre) Probleme und welche Sehenswürdigkeiten lassen sich unterwegs entdecken – nur eine kleine Auswahl an Themen des Blogs, das dauerhaft unter den TOP 100 Fahrradblogs bundesweit gelistet ist. Der Tal-Radler schaute sich auch außerhalb Wuppertals um. 2011 ging es zur Critical Mass nach Essen – er berichtete mit Text, Bild und Wort und stieß damit die Wuppertaler Diskussion an, die zur lokalen Critical Mass führte, bei der er von Anfang an dabei war. Beim ersten Mal mit 24 Gleichgesinnten, im August letzten Jahres mit dem bisherigen Höchststand von fast 600 Tal-Radlern und dazwischen mit gut 300 FahradfahrerInnen im Schnitt. „Damit ist Wuppertal ganz vorne dabei“, weiß Grothe, denn in der Millionenstadt Köln sind es im Schnitt 600 – beim bisherigen Höhepunkt knapp 1000 – Starter. In Relation zur Einwohnerzahl schneidet Wuppertal somit gut ab.

Diskussion in der IG Fahrradstadt © Talradler

Interessengemeinschaft Fahrradstadt Wuppertal mitgegründet

Christoph und ich fahren weiter in Richtung ehemaliges Viadukt. Ein toller Aussichtspunkt, von dem aus man ganz Barmen überblicken kann. „Wenn man gemütlich in die Pedale tritt, braucht man rund 15 Minuten vom Bahnhof Mirke bis zum Alten Markt“, weiß Christoph. Er fährt die vier Kilometer lange Strecke oft. Wenn Freunde ihn im Tal besuchen, treffen sie sich in Vohwinkel, um die gesamte Trasse abzufahren. Wie lange das dauert, kann jeder mit dem Nordbahntrassen-Express (NBTX) online errechnen. Eine von vielen Akzenten, die die IG Fahrradstadt Wuppertal gesetzt hat. Mit dem BikeCounter erfasste die Initiative den Wuppertaler Radverkehr statistisch. „Die Zahlen sind begehrt und haben bereits Eingang in viele wissenschaftliche Publikationen gefunden“, ergänzt Christoph. Im breiten Projekt-Portfolio der Fahrradstädter kam kürzlich Fienchen hinzu. Das Lastenrad, das per Crowdfunding finanziert wurde, steht nun allen WuppertalerInnen kostenfrei zur Verfügung und wird laut Christoph auch rege angenommen: „Es gibt schon rund 100 registrierte und verifizierte NutzerInnen. Das Lastenrad ist heiß begehrt.“ Gestemmt wird das Ganze von 20 bis 25 ehrenamtlichen Aktiven der Fahrradstadt, die daneben noch mit der Stadtverwaltung um Verbesserungen im Radverkehr ringen, am runden Fahrrad-Tisch der Stadt beteiligt sind sowie ein breites Informationsangebot für angehende Fahrradfahrer im Tal aufbauen. „Wir arbeiten an einer urban bike map, die zeigen soll, wie man sich gut im Tal fortbewegen kann, ohne steile Wege nutzen zu müssen“, denn – und da spricht Christoph aus Überzeugung – man müsse lediglich die „Berge im Kopf abbauen!“ Ich jedenfalls werde nun zeitnah mein Fahrrad aus der alten Heimat nach Wuppertal überführen. »mw«

Titelbild: Top-Kombination: Christoph auf dem Lastenrad und Martin auf dem Faltrad © Julian Busch

Mit dem Rat zur Uni

Eine gemeinsame Produktion von
Tal-Radler, Uni-Radler Wuppertal und IG Fahrradstadt Wuppertal

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