Das neue Hochschulgesetz kehrt inhaltlich wieder zum Hochschulfreiheitsgesetz von 2006 zurück, das durch die damalige CDU/FDP-Mehrheit im Landtag verabschiedet wurde und am 1. Januar 2007 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz wurde die Autonomie der Hochschulen erhöht und die Verantwortung des Landes entsprechend reduziert. Mit der späteren SPD/Grünen-Mehrheit wurde dann im September 2014 das Hochschulzukunftsgesetz beschlossen, das im Oktober 2014 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz wurde die politische Mitsprache und Verantwortung des Landes im Hochschulwesen wieder ausgebaut. Dieses wird nun durch das neue Hochschulgesetz ersetzt.
Das neue Gesetz schafft die politische Steuerung der Hochschulen durch das Land weitgehend ab und reduziert die Kompetenzen des zuständigen Ministeriums im Wesentlichen auf eine reine Rechtsaufsicht. Anstelle des bisherigen, übergeordneten Verhältnisses zwischen Land und Hochschule soll ein partnerschaftliches treten.
Nachfolgend die wichtigsten Änderungen im Einzelnen:
Verhältnis zwischen dem Land und den Hochschulen
Das Land und die Hochschulen werden aufgrund des neuen Hochschulgesetzes durch entsprechende Verträge als gleichrangige Partner miteinander kooperieren. Alle bisherigen Mechanismen zur Steuerung der Hochschulen durch das Land entfallen. Im neuen Gesetz sind die Rahmenvorgaben durch das Land, der verbindliche Hochschulentwicklungsplan und mögliche Landesvorgaben für die Hochschulplanung ersatzlos gestrichen worden. Die Hochschulen verfügen sogar optional über eigene Kompetenzen im Hochschulbau. Die Aufgaben und Befugnisse der Hochschulorgane sind angepasst und zum Teil neu austariert worden. So muss zum Beispiel anstelle des zuständigen Ministeriums nun der Hochschulrat dem Hochschulentwicklungsplan zustimmen.
Umstritten bleibt die Abschaffung der bisher verbindlichen Zivilklausel, nach der die Hochschulen ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt leisten und friedlichen Zielen verpflichtet sind, was eine militärisch orientierte Forschung unterbindet. Das neue Hochschulgesetz ermöglicht den Hochschulen zwar die Festlegung einer entsprechenden Zivilklausel in ihren Grundordnungen, verpflichtet sie jedoch nicht mehr dazu. Die Bergische Universität Wuppertal hat zum Beispiel in ihrer Grundordnung bisher eine Zivilklausel festgelegt.
Lehre und Studium: Studienverlaufsvereinbarung und Anwesenheitspflicht
Im neuen Hochschulgesetz sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Lehre und das Studium fortentwickelt worden. Diese sollen, unter Berücksichtigung der Vielfalt der Studierenden, die Verbesserung der Lehre und des Studienerfolges ermöglichen. Mit neuen Instrumenten soll auch die Studienabbrecherquote reduziert werden.
Die Hochschulen haben nun die Möglichkeit, mit ihren Studierenden konkrete Studienverlaufsvereinbarungen zu schließen. An diesen kann dann der Studienverlauf der Studierenden gemessen und bei Problemen von Seiten der Hochschule eingegriffen werden. Studierende können aufgrund ihres Studienverlaufs verpflichtet werden, eine Fachstudienberatung aufzusuchen. Falls trotz Bedarf keine Vereinbarung zustande kommen sollte, können auf Basis des Beratungsergebnisses und unter Berücksichtigung der persönlichen Situation der bzw. des Studierenden einseitig von Seiten der Hochschule verbindliche Fristen für die Erbringung von Prüfungsleistungen festgelegt werden. Wenn Hochschulen solche Maßnahmen anwenden wollen, müsse sie diese in den Prüfungsordnungen regeln.
Allerdings ermöglicht das neue Hochschulgesetz nach Auskunft des zuständigen Ministeriums keine unmittelbaren Rechtsfolgen, wenn Studierende die festgelegten Verpflichtungen nicht oder nur teilweise erfüllen. Die Hochschulen können daher auch in den Prüfungsordnungen nicht regeln, dass Studierende die Prüfungen in solchen Fällen endgültig nicht bestanden hätten und daher exmatrikuliert werden könnten.
Besonders umstritten bleibt die Abschaffung des grundsätzlichen Verbotes einer Anwesenheitspflicht für Studierende bei Lehrveranstaltungen. Nach der neuen Rechtslage können sich Lehrende und Studierende selbst darauf verständigen, wo eine Anwesenheitspflicht sinnvoll ist und wo nicht. Allerdings bestand bereits nach dem bisherigen Hochschulrecht bei allen Veranstaltungen, in dessen Rahmen auch Leistungsnachweise und Prüfungsergebnisse zu erbringen sind (Praktika, Seminare, etc), eine Anwesenheitspflicht. Jetzt kann die Anwesenheitspflicht auch auf Veranstaltungen ausgedehnt werden, in deren Rahmen keine Leistungsnachweise oder Prüfungsergebnisse erbracht werden müssen, wie beispielsweise Vorlesungen.
Weitere Änderungen durch das neue Hochschulgesetz
Das neue Hochschulgesetz ermöglicht die Anwendung von neuen Technologien in der Organisation und Verwaltung der Hochschulen. So können die amtlichen Bekanntmachungen der Hochschulen in elektronischer Form erfolgen. Abstimmungen und Wahlen innerhalb der Hochschulen und der Studierendenschaften können ebenfalls in dieser Form durchgeführt werden.
Durch den Landtag neu eingefügt wurde, dass Hochschulen zum Zwecke des Wissenstransfers die berufliche Selbstständigkeit oder Unternehmensgründungen von ihren Studierenden für die Dauer von bis zu drei Jahren fördern können. Diese Fördermöglichkeiten bestehen auch für befristet beschäftigtes Hochschulpersonal, für Absolventinnen und Absolventen und für ehemalige Beschäftigte der Hochschulen.
Ebenfalls wurden durch den Landtag Regelungen zu Ordnungsverstößen und Ordnungsmaßnahmen durch die Hochschulen eingefügt. Das war bisher eine rechtliche Grauzone, so dass hier nun klare Regeln vorliegen. Im Falle von Verstößen gegen die Hochschulordnung oder mit strafrechtlicher Relevanz können Studierende gerügt, ihnen die Exmatrikulation angedroht, sie von bestimmten Hochschulleistungen ausgeschlossen oder exmatrikuliert werden.
Eine Hochschule ist berechtigt, zur Erfüllung von Hochschulaufgaben mit anderen Hochschulen oder juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvereinbarung oder in bestimmten Fällen durch eine Ordnung, eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Anstalten, Stiftungen, Verbände) zu errichten. So können zum Beispiel Fachhochschulen und Universitäten sogenannten Promotionskollegs gründen. Diese gliedern sich in Fachbereiche und können sogar das Promotionsrecht übertragen bekommen. Auf diese Weise kann das Promotionsrecht organisationsrechtlich weiter entwickelt werden.
Fazit von Andreas Schwarz
Die nun gesetzlich verankerte Erhöhung der Autonomie der Hochschulen auf Kosten der bisherigen Kompetenzen des Landes ist nach meiner Auffassung grundsätzlich positiv zu bewerten. Inwieweit die geplante Autonomie der Hochschulen unter Zurücknahme der bisherigen Landeszuständigkeiten sinnvoll und zweckmäßig oder zu weitgehend ist, muss sich jetzt in der Praxis zeigen. Allerdings muss das Verhältnis zwischen einer hohen Hochschulautonomie und der notwendigen Verantwortung des Landes für Wissenschaft, Forschung, Lehre und Studium gut austariert sein. Doch auch hier wird die zukünftige Entwicklung zeigen, ob dies gelungen ist oder neu bewertet werden muss.
Die Streichung der Zivilklausel und des Verbotes der grundsätzlichen Anwesenheitspflicht als verbindliche Vorgaben für die Hochschulen ist natürlich im Sinne einer höheren Hochschulautonomie konsequent. Es liegt nun in der Kompetenz der Hochschulen – unter Beteiligung ihrer Mitglieder in den Hochschulgremien – eine entsprechende Zivilklausel oder das Verbot einer grundsätzlichen Anwesenheitspflicht zu beschließen. Gleichwohl sollten nach meiner Auffassung die Wissenschaft und Forschung immer friedlichen Zwecken dienen. Anderenfalls müssten sie sich vor ihren Mitgliedern und der Gesellschaft rechtfertigen. Daher werden die meisten Hochschulen aus meiner Sicht bereits aus ihrem Selbstverständnis heraus an einer entsprechenden Zivilklausel festhalten.
Zudem ist die grundsätzliche Anwesenheitsfreiheit, um bewusst nicht vom Verbot einer Anwesenheitspflicht zu sprechen, ein Ausdruck der hochschulgesetzlich verankerten Studienfreiheit. Dennoch halte ich auch hier die Hochschulen und ihrer Mitglieder für kompetent genug, eine geeignete Regelung zu finden. Denn jede Einschränkung der Anwesenheitsfreiheit muss in den Gremien, in denen Lehrende und Studierende sitzen, und vor allem vor den betroffenen Studierenden gerechtfertigt werden.
Das neue Hochschulgesetz berücksichtigt eine sich im Wandel befindliche Hochschulkultur in einer sich verändernden Gesellschaft und die technologische Entwicklung. Damit eröffnet das Hochschulgesetz neue Möglichkeiten, trotz der genannten, kritischen Punkte. Wie diese genutzt werden, hängt wieder stärker von den Hochschulen selbst ab. Aufgrund der sehr viel höheren Autonomie haben sie auch eine sehr viel größere Verantwortung gegenüber ihren Studierenden und der Gesellschaft. So ergeben sich daraus verbindliche Rahmen für die Ausübung dieser Hochschulautonomie.
Nach seinem Inkrafttreten muss sich das neue Hochschulgesetz in der Praxis bewähren. Dabei sollte es unter kritischer Beobachtung bleiben und nach einer angemessenen Zeit bewertet werden. Ich selbst wünsche mir, dass die Hochschulen in NRW die Entwicklung und Pflege der Wissenschaften durch Forschung, Lehre und Studium zum Wohle der gesamten Gesellschaft im Rahmen des neuen Hochschulgesetzes erfolgreich und verantwortungsbewusst wahrnehmen werden.
Gastautor: Andreas Schwarz – »schwarz«
Andreas Schwarz hat Physik (mit Schwerpunkt Astrophysik) an der Bergischen Universität Wuppertal studiert. Während seiner Studienzeit war er neben anderen Tätigkeiten in der Selbstverwaltung der Hochschule und der Studierendenschaft Mitglied des Studierendenparlaments (StuPa) sowie Referent für Hochschulrecht und Mitglied im Vorsitz des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Als Referent für Hochschulrecht war er für die rechtliche Organisation der Studierendenschaft und der Fachschaften sowie für deren Satzungen und Ordnungen verantwortlich. Auch an verschiedenen Neufassungen der Satzung und der Wahlordnung der Studierendenschaft hat er maßgeblich mitgewirkt. Heute führt er Lehraufträge in Astrophysik, Physik, Chemie und Mathematik durch und hält Vorträge zu allen Gebieten der Astronomie und Astrophysik (www.astromare.org). Des Weiteren schreibt er unter anderem für das deutschsprachige makedonische Nachrichtenportal „Pelagon“ (www.pelagon.de) und engagiert sich für eine Lösung im sogenannten Namensstreit zwischen Griechenland und Makedonien. Grundlegende Arbeitsschwerpunkte sind hierbei die „Internationalen Beziehungen“ und das „Völkerrecht“.