NRW-Landesregierung beschließt neues Hochschulgesetz

Am 18. Dezember 2018 beschloss die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen einen Entwurf für ein neues Hochschulgesetz. Dieses wurde nun dem Landtag zur Beratung weitergeleitet. Bis zum seinem endgültigen Beschluss durch das nordrhein-westfälische Landesparlament kann es noch Änderungen erfahren. Inkrafttreten soll das Hochschulgesetz zum Wintersemester 2019/2020.

Mit dem Gesetzesentwurf kehrt die Landesregierung inhaltlich wieder zum Hochschulfreiheitsgesetz vom 31. Oktober 2006 zurück, welches durch die damalige CDU/FDP-Mehrheit im Landtag verabschiedet wurde und am 01. Januar 2007 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz wurde die Autonomie der Hochschulen erhöht und die Verantwortung des Landes entsprechend reduziert. Mit der späteren SPD/Grünen-Mehrheit wurde das zurzeit noch gültige Hochschulzukunftsgesetz vom 16. September 2014 beschlossen, welches am 01. Oktober 2014 in Kraft trat und die Kompetenzen des Landes wieder erweiterte.

Der Entwurf der Landesregierung für das neue Hochschulgesetz schafft die politische Steuerung der Hochschulen durch das Land weitgehend ab und reduziert die Kompetenzen des zuständigen Ministeriums weitgehend auf eine reine Rechtsaufsicht. Anstelle des bisherigen, übergeordneten Verhältnisses des Landes soll ein partnerschaftliches mit den Hochschulen treten.

Nachfolgend die wichtigsten Änderungen im Einzelnen:

Verhältnis zwischen dem Land und den Hochschulen

Das Land und die Hochschulen sollen nach dem neuen Entwurf eines Hochschulgesetzes durch entsprechende Verträge als gleichrangige Partner miteinander kooperieren. Alle bisherigen Mechanismen zur Steuerung der Hochschulen durch das Land entfallen. So werden im neuen Gesetz Rahmenvorgaben durch das Land, der verbindliche Hochschulentwicklungsplan und mögliche Landesvorgaben für die Hochschulplanung ersatzlos gestrichen. Die Hochschulen bekommen sogar optional eigene Kompetenzen im Hochschulbau. Die Aufgaben und Befugnisse der Hochschulorgane werden angepasst und zum Teil neu austariert. So muss zum Beispiel anstelle des zuständigen Ministeriums nun der Hochschulrat dem Hochschulentwicklungsplan zustimmen.

Umstritten ist allerdings die Abschaffung der bisher verbindlichen Zivilklausel, nach der die Hochschulen ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt leisten und friedlichen Zielen verpflichtet sind. Der Entwurf des neuen Hochschulgesetzes ermöglicht den Hochschulen zwar die Festlegung einer entsprechenden Zivilklausel in ihren Grundordnungen, verpflichtet sie jedoch nicht dazu.

Lehre und Studium: Studienverlaufsvereinbarung und Anwesenheitspflicht

Der Hochschulgesetzesentwurf der Landesregierung entwickelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Lehre und das Studium fort, in dem unter Berücksichtigung der Vielfalt der Studierenden die Lehre und der Studienerfolg verbessert werden sollen. Mit neuen Instrumenten soll auch die Studienabbrecherquote reduziert werden. Neu wird die Möglichkeit sein, dass mit Studierenden konkrete Studienverlaufsvereinbarungen geschlossen werden können. An diesen kann dann die Studienverlaufsentwicklung der Studierenden gemessen und bei Problemen von Seiten der Hochschule eingegriffen werden.

Besonders umstritten ist die Abschaffung des grundsätzlichen Verbotes einer Anwesenheitspflicht. Nach dem Hochschulgesetzentwurf sollen sich Lehrende und Studierende selbst darauf verständigen, wo eine Anwesenheitspflicht sinnvoll ist und wo nicht. Allerdings besteht bereits nach jetziger Rechtslage eine Anwesenheitspflicht bei allen Veranstaltungen, in dessen Rahmen auch Leistungsnachweise und Prüfungsergebnisse zu erbringen sind (Praktika, Seminare, etc). Bei einem Wegfall des Verbots könnte die Anwesenheitspflicht auch auf Veranstaltungen ausgedehnt werden, in deren Rahmen keine Leistungsnachweise oder Prüfungsergebnisse erbracht werden müssen, wie z.B. Vorlesungen.

Rückkehr zur Anwesenheitspflicht? © vk

Fazit von Andreas Schwarz

Die Erhöhung der Autonomie der Hochschulen auf Kosten der bisherigen Kompetenzen des Landes ist nach meiner Auffassung grundsätzlich positiv zu bewerten. Inwieweit die geplante Autonomie der Hochschulen unter Zurücknahme der bisherigen Landeszuständigkeiten sinnvoll und zweckmäßig oder zu weitgehend ist, soll an dieser Stelle noch offen bleiben. Allerdings muss das Verhältnis zwischen einer hohen Hochschulautonomie und der notwendigen Verantwortung des Landes für Wissenschaft, Forschung, Lehre und Studium gut austariert sein.

Die Streichung der Zivilklausel und des Verbotes der grundsätzlichen Anwesenheitspflicht als verbindliche Vorgaben für die Hochschulen ist natürlich im Sinne einer höheren Hochschulautonomie konsequent. Es liegt nun in der Kompetenz der Hochschulen unter Beteiligung ihrer Mitglieder in den Hochschulgremien eine entsprechende Zivilklausel oder das Verbot einer grundsätzlichen Anwesenheitspflicht zu beschließen. Gleichwohl sollten nach meiner Auffassung die Wissenschaft und Forschung immer friedlichen Zwecken dienen. Dieses dürften die meisten Hochschulen ebenso sehen. Anderenfalls müssten sie sich vor ihren Mitgliedern und der Gesellschaft rechtfertigen. Daher werden die meisten Hochschulen aus meiner Sicht auch aus ihrem Selbstverständnis heraus an einer entsprechenden Zivilklausel festhalten.

Zudem ist die grundsätzliche Anwesenheitsfreiheit, um bewusst nicht vom Verbot einer Anwesenheitspflicht zu sprechen, ein Ausdruck der hochschulgesetzlich verankerten Studienfreiheit. Dennoch halte ich auch hier die Hochschulen und ihrer Mitglieder für kompetent genug, eine geeignete Regelung zu finden. Denn jede Einschränkung der Anwesenheitsfreiheit muss ja in den Gremien, in welchen Lehrende und Studierende sitzen, und vor allem vor den betroffenen Studierenden gerechtfertigt werden.

Das geplante Hochschulgesetz eröffnet neue Möglichkeiten, trotz der kritischen Punkte. Das letzte Wort zu diesem Gesetz ist auch noch nicht gesprochen. Denn über das neue Hochschulgesetz entscheidet letztendlich der Landtag. Bis dahin gibt es auch weiteren Diskussionen. Änderungen sind also noch möglich.

Gastautor: Andreas Schwarz – »schwarz«

Foto: Andreas Schwarz

Andreas Schwarz hat Physik (mit Schwerpunkt Astrophysik) an der Bergischen Universität Wuppertal studiert. Während seiner Studienzeit war er neben anderen Tätigkeiten in der Selbstverwaltung der Hochschule und der Studierendenschaft Mitglied des Studierendenparlaments (StuPa) sowie Referent für Hochschulrecht und Mitglied im Vorsitz des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Als Referent für Hochschulrecht war er für die rechtliche Organisation der Studierendenschaft und der Fachschaften sowie für deren Satzungen und Ordnungen verantwortlich. Auch an verschiedenen Neufassungen der Satzung und der Wahlordnung der Studierendenschaft hat er maßgeblich mitgewirkt. Heute führt er Lehraufträge in Astrophysik, Physik, Chemie und Mathematik durch und hält Vorträge zu allen Gebieten der Astronomie und Astrophysik (www.astromare.org). Des Weiteren schreibt er unter anderem für das deutschsprachige makedonische Nachrichtenportal „Pelagon“ (www.pelagon.de) und engagiert sich für eine Lösung im sogenannten Namensstreit zwischen Griechenland und Makedonien. Grundlegende Arbeitsschwerpunkte sind hierbei die „Internationalen Beziehungen“ und das „Völkerrecht“.

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