Deutschlandweites Semesterticket gescheitert? Eine verpasste Chance für Studierende

Die Verhandlungen zum deutschlandweiten Semesterticket sind gescheitert. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) konnten nicht zu einer Einigung bewegt werden. Dadurch haben Studierende möglicherweise die Chance auf unbegrenzte Mobilität verpasst. Auch das bisherige solidarische Semesterticket könnte juristisch scheitern.

Warum gibt es Verhandlungen über das Semesterticket?

Die aktuell gültigen Semesterticket-Verträge sind laut mehreren Rechtsgutachten nicht mehr rechtssicher. Mit dem Deutschlandticket gibt es nun eine unwesentlich teurere Alternative, welche individuell erworben werden kann. Dadurch steht die Verhältnismäßigkeit für ein verpflichtendes Semesterticket für alle immatrikulierten Studierenden in Frage. So legt unter anderem ein Gutachten der Beratungsgesellschaft Ernst&Young im Auftrag des Verkehrsministeriums NRW eine Verpflichtung der Studierendenvertretungen nahe, Verhandlungen mit den Verkehrsbetrieben aufzunehmen. Mehrere Studierendenschaften in Berlin haben ihre Semesterticketverträge bereits zum Wintersemester gekündigt.

Die Verhandlungen über das Semesterticket und ihre Schwierigkeiten

Die Verhandlungen zum Semesterticket gestalten sich als äußerst komplex und herausfordernd. Verschiedene Interessengruppen wie Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde und politische Entscheidungsträger sind an den Verhandlungen beteiligt.

Auf unsere Anfrage bei der Pressestelle des Verkehrsbund Rhein-Ruhr (VRR), welche Position im Hinblick auf ein deutschlandweites Semesterticket vertreten wird, bekamen wir die Antwort, dass es aus Sicht des VRR wünschenswert wäre, am derzeitigen Solidarmodell festzuhalten. Das Deutschlandticket kann jedoch nicht einfach in ein Solidarmodell überführt werden, da die Verbünde an die Tarifbestimmungen von Bund und Land gebunden sind. Eine Bundeslösung wird angestrebt, sollte diese jedoch scheitern, wird eine Lösung auf Landesebene erörtert. Weitere Lösungsansätze würden derzeit mit den ASten diskutiert.

Wann kommt ein deutschlandweit gültiges Semesterticket?

Gescheiterte Verhandlungen zum deutschlandweit gültigen Semesterticket

Trotz intensiver Bemühungen und langer Verhandlungen konnten die unterschiedlichen Interessengruppen in der jetzigen Verhandlungsrunde keine Einigung erzielen. Die Studierendenvertretungen üben Kritik und fühlen sich im Stich gelassen.

Pablo Fuest, Vorstand beim freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) dazu: „Die Hinterzimmerberatungen sind gescheitert. Unseren Informationen zufolge war es die Vertretung des bayerischen Verkehrsministeriums, die die Zustimmung zur Beschlussvorlage der Länder verweigert hat. Das politische Geschacher um die Mobilität von drei Millionen Studierenden findet damit seinen vorläufigen Höhepunkt. Wir werden nicht tatenlos abwarten, ob auf der nächsten Verkehrsministerkonferenz im September die CSU einlenkt und Bundesverkehrsminister Wissing seine Zustimmung gibt. Wenn die Politik mittelfristig nicht liefern kann, müssen Verkehrsbetriebe und Studierendenschaften gemeinsam einen Entwurf ausarbeiten.“

Die bisherige und bislang gescheiterte Beschlussvorlage des Koordinierungsrates des Deutschlandtickets sag ein Semesterticket nach dem Solidarmodell vor, was deutschlandweit gilt und 176,40 Euro pro Semester kosten sollte (blickfeld berichtete).

Die möglichen Auswirkungen

Das Scheitern eines möglichen deutschlandweiten Semestertickets und eine Auflösung des bestehenden Solidarmodells hätte erhebliche Konsequenzen: Die Mobilität würde für Studierende fühlbar teurer werden. Auch die Zahlungsrückforderungen der Studierendenvertretungen könnten diese in eine Zahlungs- und Handlungsunfähigkeit befördern. Ohne eine zeitnahe, rechtssichere Lösung bleibt jedoch nichts anderes übrig.

Amanda Steinmaus, Koordinatorin des Landes-ASten-Treffens NRW, erklärt: „In ganz NRW steht die Zukunft des Semestertickets infrage. Dabei ist es entscheidend, Studierenden günstige Mobilität zu ermöglichen. Dreißig Prozent aller Studierenden und sogar achtzig Prozent der alleinlebenden Studierenden sind arm. Sie sind daher auf das Semesterticket angewiesen. Sollte es also wegfallen, stehen sie vor großen Problemen. Ebenfalls wichtig ist das Ticket für die Verkehrsbetriebe, die damit in NRW einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag einnehmen. Dabei handelt es sich um Zahlungen, die verlässlich jeden Monat eingehen.“

Das Gutachten, verfasst von den Rechtsanwälten Wilhelm Achelpöhler und Julius Altmiks, eröffnet dem Semesterticket aber auch eine Zukunftsperspektive. Wenn Preis und Gesamtkonditionen des Tickets in Verhandlungen angepasst werden würden und so in einem günstigeren Verhältnis zum 49-Euro-Ticket stünden, würde das das Semesterticket rechtlich stützen. Wenn Verkehrsverbünde und Landesregierung den Preis des NRW-Semestertickets senken und die Einführung eines bundesweit gültigen Semestertickets beschleunigen, wäre eine Weiterführung des solidarisch finanzierten Semestertickets rechtlich möglich, so das Landes-ASten-Treffen NRW.

Und jetzt: Quo vadis Semesterticket?

Das bisherig Scheitern der Verhandlungen zum „Semester-Deutschlandticket“ ist zweifellos eine große Enttäuschung für Studierende. Die verpasste Chance auf bezahlbare und unbegrenzte Mobilität innerhalb Deutschlands bedeutet, dass viele Studierende eventuell größere finanzielle Hürden auferlegt bekommen. Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft neue Verhandlungen aufgenommen werden und eine Lösung gefunden werden kann, die den Bedürfnissen der Studierenden gerecht wird und ihnen die Möglichkeit gibt, mobil zu sein, ohne dabei finanziell überfordert zu sein. »sb«

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