Ein Semesterticket nur für diejenigen, die es brauchen?

Vom 15. bis 19. Januar 2018 findet die nächste Wahl zum Studierendenparlament (StuPa) statt. Die Forderungen der 65 KandidatInnen, die sich auf fünf Wahllisten verteilen, sind in der Wahlzeitung zusammengefasst.

Hintergrundinformationen zum Semesterticket an der Bergischen Universität Wuppertal

Für eine Wahlkampf-Kontroverse sorgt derzeit das Semesterticket. Zankapfel ist eine Forderung der Liberalen Hochschulgruppe (LHG), die ein Semesterticket fordern, dass „freiwillig und bei Bedarf bezogen werden kann.“ Die Jusos weisen dies als „leichtsinnigen und unsolidarischen Vorschlag“ zurück und verweisen darauf, dass der Preis des Tickets „nur über die Menge zu halten“ sei, „sprich, wenn alle das Ticket abnehmen.“

Vor dem Hintergrund dieser Debatte hat die blickfeld-Redaktion ein kleines FAQ zum Thema „Semesterticket“ angefertigt:

Wie funktioniert das Semesterticket?

Derzeit haben alle Wuppertaler Studierenden die Möglichkeit, für rund 190 Euro pro Semester („Mobilitätsbeitrag“, den alle Studierenden über den Semesterbeitrag zahlen – Stand: WiSe 2017/18) durch ganz NRW zu reisen. Grundlage dafür sind zwei Verträge, die die Studierendenschaft mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) abgeschlossen hat. Für den Bereich des VRR besteht diese Möglichkeit schon seit 1993, die Erweiterung auf ganz Nordrhein-Westfalen folgte an der Bergischen Universität im Sommersemester 2009. Damit ist die Uni Wuppertal nicht allein, denn die gleichen Verträge haben 35 weitere Hochschulen im Bereich des VRR unterzeichnet (Stand: Wintersemester 2015/16). Weitere Hochschulen können den Semesterticket-Vertrag samt NRW-Erweiterung ebenfalls mit dem VRR abschließen.

Wie kam es zu der Unterzeichnung beider Semesterticket-Verträgen?

Das VRR-Semesterticket wurde infolge einer Urabstimmung eingeführt. Bei dieser konnten Anfang der 1990er alle Studierenden darüber entscheiden, ob es an der Wuppertaler Hochschule ein Semesterticket nach einem Solidar-Modell geben soll. Rund 45 Prozent der Studierenden nahmen teil, davon stimmten ca. 87 Prozent für die Einführung des Tickets.

Da diese Mehrheit zugleich 39 Prozent aller Mitglieder der Studierendenschaft repräsentierte, war das Votum der Abstimmung für die Akteure im StuPa und im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) bindend. Das Hochschulgesetz legte seinerzeit fest, dass eine Urabstimmung für alle Organe der Studierendenschaft verbindlich ist, wenn eine Mehrheit der abstimmenden Studierenden zustimmt und diese Mehrheit 30 Prozent der Mitglieder der Studierendenschaft repräsentiert.

Bei der Urabstimmung über die NRW-Erweiterung des Semestertickets wurde dieses Quorum knapp verfehlt. Bei einer Beteiligung von knapp über 31 Prozent stimmten 83 Prozent für die Einführung, was etwa 26 Prozent der gesamten Studierendenschaft entspricht. Das Studierendenparlament (StuPa) nahm das Abstimmungsergebnis als Empfehlung und beschloss die NRW-Erweiterung bzw. die Unterzeichnung des entsprechenden Vertrages.

Können die Semesterticket-Verträge gekündigt werden?

Unter Berücksichtigung der vertraglich festgelegten Modalitäten können die Semesterticket-Verträge gekündigt werden. Hierzu ist im Falle der NRW-Erweiterung ein Beschluss des Studierendenparlamentes mit einfacher Mehrheit erforderlich. Die zugleich notwendige Änderung der Beitragsordnung, die die Höhe des Mobilitätsbeitrages festlegt, benötigt hingegen die Mehrheit aller StuPa-Mitglieder, also 11 von 21 ParlamentarierInnen.

Beim VRR-Semesterticket ist es komplizierter. Da dieses auf Grundlage einer verbindlichen Urabstimmung eingeführt wurde, kann der damit verbundene Vertrag nur gekündigt werden, wenn der damalige Beschluss durch eine weitere Urabstimmung aufgehoben wird. Das heißt, dass nicht das Studierendenparlament, sondern alle Studierenden darüber entscheiden müssten, ob der Vertrag über ein Semestertickets nach einem Solidar-Modell gekündigt werden kann.

Ist ein Verkehrsticket auf freiwilliger Basis möglich?

Grundsätzlich ja, doch setzt dies die Kündigung der bisherigen Verträge sowie eine Änderung der Beitragsordnung voraus, was eine Streichung des Mobilitätsbeitrages beinhaltet. Von da an müsste keiner der Studierenden die derzeit ca. 190 Euro pro Semester mehr zahlen. Sie hätten aber zugleich auch keinen Anspruch mehr auf das Semesterticket und auch nicht auf das Vorkurs-Ticket, was einen Semesterticket-Vertrag voraussetzt.
Als Alternative könnten Studierende auf die bestehenden Ticket-Angebote der Verkehrsbetriebe zurückgreifen. Beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr wäre dies beispielsweise das YoungTicket PLUS (Abo) für 59,95 Euro im Monat, was verbundweit im VRR gültig ist. Zum Vergleich: Das Semesterticket mit einer Gültigkeit für ganz Nordrhein-Westfalen kostet auf den Monat gerechnet rund 32 Euro. Die Leistung ist in etwa vergleichbar mit dem SchönesJahrTicket NRW (2. Klasse), was im Jahr 2.920 Euro bzw. rund 243 Euro im Monat kostet.

Ob neben dem allgemeinen Ticketangebot und der Möglichkeit, Vertragshochschule für das bestehende und an 35 Hochschulen genutzte Semestertickets zu werden, individuelle Lösungen zwischen den Verkehrsbetrieben und der Wuppertaler Studierendenschaft, vertreten durch das StuPa und den AStA, möglich sind, scheint vor diesem Hintergrund fraglich. Eine VRR-Sprecherin erklärte auf eine Anfrage unserer Redaktion, dass sich im konkreten Fall zuerst „Vorstand und ggf. Politik eine Meinung“ bilden müssten, bevor hierzu eine Information erfolgen kann. »ae«

Kurzinfo: Rechtliche Hintergründe

Eine Urabstimmung ist gemäß § 53 Absatz 5 Hochschulgesetz – HG NRW in Verbindung mit § 28 Absatz 4 der Satzung der Studierendenschaft (SdS) nur dann ein verbindlicher Beschluss, wenn eine Mehrheit mit „Ja“ gestimmt hat und diese Mehrheit 20 Prozent (bis 2014: 30 Prozent, was für die Urabstimmungen 1993 und 2008 galt) der Mitglieder der Studierendenschaft repräsentiert. In diesem Fall kann ein verbindlicher Urabstimmungsbeschluss gemäß § 28 Absatz 6 SdS nur durch eine Urabstimmung aufgehoben werden. Selbst ohne diese Satzungsregelung (§ 28 Absatz 6) kann aufgrund von § 53 Absatz 5 HG NRW ein verbindlicher Urabstimmungsbeschluss nur durch einen Urabstimmungsbeschluss geändert oder aufgehoben werden. Das Studierendenparlament könnte den Ausstieg aus dem NRW-Ticket gemäß § 12 Absatz 1 SdS zwar mit einfacher Mehrheit beschließen, doch muss auch die Beitragsordnung entsprechend geändert werden und hierfür ist entsprechend § 12 Absatz 2 SdS eine Mehrheit der Mitglieder des StuPas erforderlich.

  1. Andreas Wegele

    Während die LHG damit wirbt, Hochschulpolitik für jeden einzelnen Studierenden individuell zu machen vergisst sie scheinbar, dass es vor allem auch einzelne Studierende gibt, die nicht so viel Geld haben, dass sie sich ein Auto leisten können und somit auf das Ticket verzichten.
    Gerade diejenigen, die bereits wenig Geld haben, würden durch den Wegfall des Semestertickets deutlich mehr zahlen müssen. Wenn das mal nicht Politik ganz nach dem großen Vorbild der FDP ist.
    Bevor ein LHG-ler meint, das Semesterticket würde nicht wegfallen, sondern lediglich zur Option werden: Der Sinn des Semestertickets besteht in dem Solidarmodell, durch welches auch so geringe Preise ermöglicht werden. Wird dieses durch die Wahlmöglichkeit ausgehebelt, so existiert es de facto nicht mehr.

  2. Robin Hölter

    Herr Wegele,
    sie sprechen von Solidarität. Mich würde interessieren, was mit der Solidarität denen gegenüber ist, die dieses Ticket aufgezwungen bekommen?
    Der Artikel zeigt zudem deutlich, dass unser Vorschlag eine durchaus umsetzbare Option darstellt, die eine echte positive Veränderung für viele Studierende bewirken würde. Die Details wären verhandelbar.
    Da wir uns in diesem Sinne im besten liberalen Sinne für eine vernünftige und die Freiheit fördernde Sache stark machen, kann ich Ihren Hinweis auf die Freien Demokraten nur begrüßen und dankbar entgegen nehmen. Die setzen sich auch für Individualität statt Kollektivität ein und das ist auch richtig so.
    Mit freundlichen Grüßen
    Robin Hölter, LHG-Vorsitzender

  3. Kein Semesterticket hieße für mich mangels Kohle auch kein pendeln mehr zur Uni, ergo kein Studium mehr…

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert