Isolation – und nun?

Frühlingsanfang im März, seit ein paar Tagen scheint die Sonne. Normalerweise füllen sich jetzt die Innenstädte, Familien kaufen das erste Eis, kleine Grüppchen treffen sich an den Tischen vor den Cafés und im Park sitzen die Ersten auf dem Rasen - normalerweise.

Nicht so in diesem Jahr: Wer nicht unbedingt raus muss, bleibt zu Hause und versucht, soziale Kontakte soweit es geht einzuschränken. Nach draußen geht es fast nur noch, um einzukaufen oder, wenn kein Home-Office möglich ist, zur Arbeit zu fahren.

Aber nur im Haus hocken und Serien streamen ist für viele auch keine Option. Wir haben eine kleine Liste zusammengestellt, wie einige Mitglieder der blickfeld-Redaktion die Zeit in nahezu völliger Isolation verbringen. Vielleicht findet ihr ja die eine oder andere Anregung, wie man die Tage füllen kann, bis endlich wieder Normalität einkehrt.

Nina „weckt“ ihren Schrebergarten aus dem Winterschlaf

Nichts eignet sich besser, während der Zeit des eingeschränkten Ausgehverbots und der Vermeidung von sozialen Kontakten, als mit der vorhandenen Energie dem Frühling entgegen zu sehnen. Deshalb habe ich dieses Jahr früh begonnen, in meinem Schrebergarten alles für 2020 vorzubereiten.

Meine knapp 260 qm große Oase befindet sich noch im leichten Winterschlaf. Dennoch keimen schon die ersten Knospen meiner Obstbäume, die Rosen sprießen und der Kirschlorbeer hat sein Grün nie verloren. Die Felder für den späteren Anbau von Gemüse sind gestriegelt, der Hibiskus runter geschnitten und der Komposter bereits für das erste Feld geleert.

Aber auch in meinem Kleingartenverein setzen wir auf Vorsichtsmaßnahmen im Kampf gegen Corona, mit Mindestabstand zu den anderen Gärtnern und nicht mehr als der Kernfamilie eines Pächters in einer Parzelle – in der Hoffnung das bald Besserung in Sicht ist. Auch eine Blume muss erst durch Dreck wachsen.

Nina arbeitet bereits in ihrem Schreberkarten © nh

Silvia erprobt die 30 Tage Yoga-Challenge und entdeckt ihr Musikinstrument wieder

Die nun neu gewonnene Zeit nutze ich vor allem zum Kochen und Sortieren. Ich versuche, neue Rezepte aus meinen Kochbüchern zu kochen oder meine Lieblingsrezepte etwas neu zu entdecken. Außerdem kann ich die Zeit gut nutzen, um die vielen Bilder auf meinem Handy zu sortieren und auf einer externen Festplatte abzuspeichern. So kann ich durch das digitale Ausmisten mehr Speicherplatz auf meinem Handy gewinnen. Das gleiche versuche ich mit den Dokumenten von der Uni auf meinem Computer zu machen. Um mich noch etwas zu bewegen, probiere ich einige Sport-Workouts für Zuhause aus und nehme mir vor, zumindest die 30 Tage Yoga-Challenge auszuprobieren. Nun ist auch die Zeit, bisher ungelesene Bücher zu lesen und Filme und Serien zu schauen, die ich während der Klausurphase nicht schauen wollte. Derweilen fange ich wieder an, mein Musikinstrument zu spielen und mein altes Hobby für mich wiederzuentdecken.

Die Klarinette wird wieder ausgepackt © sv

Lina schmeißt demnächst die Nähmaschine an

Ich verbringe die Isolation an meinem Schreibtisch und bearbeite noch die letzte Abgabe für mein Studienfach. Ansonsten lenke ich mich zwischenzeitlich mit spannenden YouTube-Videos ab. Blöd nur, wenn kein Video mehr zu den Stoßzeiten richtig lädt. Als Gegenprogramm hilft mir dann entweder ein gutes Buch oder das Zimmer und den Kleiderschrank aufzuräumen und auszumisten.

Unterdessen versuche ich, meine Kreativität auszuleben, indem ich verschiedene „Do It Yourself“-Anleitungen (DIY) ausprobiere. Vor einigen Tagen habe ich zum Beispiel aus gefrorenem Pudding ein Eis gezaubert. Wenn ich in den kommenden Tagen endlich meine letzte Abgabe fertig habe, werde ich mich dann an meine Nähmaschine setzen und alte kaputte Hosen und Hemden entweder reparieren oder upcyceln und meiner Mutter auf jeden Fall einen provisorischen Mundschutz für die Arbeit nähen. Ansonsten werde ich für die Studiowelle 2, dem ehrenamtlichen Radiosender im städtischen Klinikum Solingen, von zu Hause aus die gesammelten Wünsche für die Mitarbeiter/-innen und Patienten einsprechen. Nebenbei fange ich dann schon mit dem Lernen für eine Prüfung im Mai an, auch wenn ich leider noch nicht weiß, ob die Klausur stattfinden wird.

Lina hat aus gefrorenem Pudding ein Eis gezaubert © like

Janina steuert den Campus der Universität an

Es ist noch nicht 15 Uhr und ich habe schon das Wohnzimmer neu dekoriert, Yoga gemacht, Schokokuchen gebacken, Klavierspielen geübt und ich bin sogar zur Uni gefahren. DAFUQ!? Richtig gelesen. Ich bin zur Uni gefahren, um dort ein paar meiner Kommiliton/-innen zu treffen und mein Robotik-Projekt fortzusetzen. Voll gut! Mit einem meiner vier Autos – einem anthrazitfarbenen Geländewagen – habe ich gegen Mittag den Campus angesteuert. Nicht den Campus meiner richtigen Uni in Wuppertal (ich bin doch nicht jeck!!!), sondern den der Uni Britechester. Nie gehört? Das könnte daran liegen, dass es sie mit ihren hübschen viktorianischen Gebäuden so nicht gibt – auch nicht in England. Der Boden, auf dem ich mich hier reich an aufklärerischem und irgendwie verdächtigen Tatendrang von A nach B bewege, ist genau wie Simoleons und Sensenmann Teil des Sims-Universums: Eine Reihe von sogenannten LebensSIMulations-Videospielen, die mich durch die Pubertät gerettet haben und nebenbei bemerkt der absolute Inbegriff des Zeittotschlagens sind. Bei Sims kann ich sein, wer und wie ich sein will: cholerische Topmanagerin, ängstliche Geheimagentin, alberne Verbrecherin und Zehnfachmutter, das alles manchmal auch in männlicher Form, weil ich die Bärte mag. Was ich hier geschaffen habe, ist in mancherlei Hinsicht eine fast perfekte, unwesentlich upgegradete Simulation meines Alltags, bloß, dass ich im Real Life nicht annähernd so aktiv und extrovertiert bin. Jetzt lese ich noch ein Buch über das Angeln und dann bepflanze ich den Garten. Routinen sind ja so wichtig in Zeiten wie diesen.

Martin (Wossi) rüstet militärisch auf

Ich bin seit über einer Woche im Home-Office. Langweilig wird es mir da nicht. Im Job gibt es genug zu tun und auch in der Selbstständigkeit kann ich in die Tasten hauen. Dennoch bleibt Zeit für Dinge, die sonst hinten über gefallen sind: Alle Regale, die ich jemals aufhängen wollte, sind nun an der Wand und auf einem steht nun ein fertiges Modell eines Flugzeugträgers, was lange unaufgebaut auf mich wartete. Zudem gibt es noch mehr zu tun: Neben blickfeld-Artikeln, könnte ich mit der Steuererklärung anfangen (ungern!) und an meiner Dissertation weiterschreiben (dringend!). Kurz und knapp: Der Tag ist weiterhin gut gefüllt.

Die Shandong ist fertig zum Auslaufen © mw

Nadine schreibt nach der Thesis einfach weiter

Und plötzlich ist da so viel Freizeit. Die Routine und mit ihr sämtliche Termine sind weggebrochen. Nach ein paar stressigen Monaten mit meiner Bachelorarbeit hat der Tag wieder so viele Stunden. Wie ich diese aktuell nutze? Zum einen meine BA-Thesis bearbeiten und ihr den letzten Feinschliff verleihen. Zum anderen: Schreiben. Lange hatte ich zu wenig Zeit, um mich intensiv mit meinen Projekten auseinandersetzen zu können und das hole ich jetzt nach. Stunden verbringe ich mit Schreiben und Überarbeiten und langsam nimmt meine Geschichte Konturen an. Das gibt mir eine Aufgabe und Ziel für den Tag. Ansonsten steht noch mein Blog an. Ich habe einige Ideen für Beiträge zu Filmen, Serien und Bücher, die ich umsetzen möchte. Ja, man könnte meinen, ich flüchte mich vor den erschütternden Nachrichten in die fiktionalen Welten.

Das Schreiben ist die neue Routine © nh

Wiebke müsste ohnehin viel am Schreibtisch sitzen

Eigentlich sollte mir die Isolation im Moment sogar ein bisschen entgegenkommen, da ich derzeit an meiner Masterthesis arbeite und sowieso viel Zeit am Schreibtisch verbringen müsste. Damit mir in der übrigen Zeit nicht die Decke auf den Kopf fällt, versuche ich mich mit Liegengebliebenem abzulenken. So wird die „Noch-zu-lesen“-Liste abgearbeitet und der ungeliebte Frühjahrsputz fällt in diesem Jahr vielleicht auch ausgiebiger aus, als sonst. Kontakte, die bisher ein bisschen eingeschlafen sind, werden jetzt wieder aktiviert. Per WhatsApp natürlich. Auch das geliebte Sims-Spiel, das schon immer zu den besten Ablenkungen gehörte, habe ich wieder zum Vorschein geholt. Um wenigstens ein bisschen was vom guten Wetter zu haben, verbringe ich auch die ein oder andere Stunde auf dem Balkon in der Sonne.

Julia hat gerade den Schritt in die Vollselbstständigkeit gewagt

Gerade habe ich mit meinem Lektorat den Schritt in die Vollselbstständigkeit gewagt. Aber ich korrigiere nicht nur Haus- und Abschlussarbeiten von Studierenden, sondern transkribiere obendrein noch Gespräche für psychologische Sachverständige im Familienrecht.

Seit 1 ½ Wochen bin ich zuhause und arbeite im Home-Office. Bisher gab es mehr als genug zu tun, ich konnte eine Woche lang Liegengebliebenes abarbeiten. Zumindest hab ich so viel geschafft. Ausgleich gibt es bei mir ebenfalls immer, wenn mein Hund mich zum Spaziergang auffordert – was bis zu vier Mal am Tag ist. Selbst wenn mir eines Tages die Arbeit ausgehen sollte: Frühjahrsputz, mehr als genug Bücher, die ich schon längst lesen wollte, und Solo- oder Escaperoom-Spiele liegen bereit.

Sorge bereitet mir allerdings die wirtschaftliche Lage. Viele Kleinbetriebe und Soloselbstständige werden diese Krise wahrscheinlich nicht überstehen. Dabei frage ich mich, ob sich die Situation in ein paar Monaten auch auf meine Auftragslage auswirken könnte.

Julia korrigiert als „Magische Feder“ © jm

Lisa hat eine Startroutine für den Tag gefunden

Der Zustand gerade ist richtig schwierig. Ich habe aber das Glück, dass ich ein paar Mal die Woche von zu Hause aus noch arbeiten kann – das gibt mir ein Stück Routine. Ganz wichtig – und das gilt für mich vor allem an arbeitsfreien Tagen – direkt aufstehen, duschen und anziehen, vielleicht gleich nach dem ersten Kaffee einen Spaziergang machen. Dann hat man den Tag nämlich ohne viel Zögern schon gestartet. Ich habe angefangen, mein Zimmer zu entrümpeln. Wenn man so lange zu Hause ist, soll es dort wenigstens schön sein. Aber ich telefoniere und koche auch viel. Ich habe mich nach gut einer Woche nämlich erstmal von dem Gedanken verabschiedet, die Zeit absolut effizient nutzen zu müssen. Wenn man plötzlich aus allem raus ist, gilt es erstmal, sich in der neuen Situation zurecht zu finden. »red«

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