Rückkehr zur Anwesenheitspflicht?

NRW-Landesregierung veröffentlicht Eckpunkte für ein neues Hochschulgesetz (HG NRW)

Bis Anfang 2015 gehörte sie zum Studium dazu: die Anwesenheitsliste. Oft galt: Wer mehr als zwei Mal fehlt, kriegt am Ende des Semesters keinen Schein. Dann kam das neue Hochschulgesetz, in dem geregelt wurde, dass eine Anwesenheitspflicht nur noch bei Exkursionen, Sprachkursen, Praktika, praktische Übungen oder vergleichbaren Lehrveranstaltungen vorgesehen werden darf. In allen anderen Fällen ist „eine verpflichtende Teilnahme der Studierenden an Lehrveranstaltungen (…) als Teilnahmevoraussetzung für Prüfungsleistungen“ verboten (vgl. § 64, Absatz 2a HG). Dieses gesetzliche Verbot, was weiterhin gilt, möchte die CDU/FDP-Landesregierung nun abschaffen.

„Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden vor Ort“ sollen Anwesenheitspflicht festlegen

Diese Absicht macht die Landesregierung im kürzlich veröffentlichten Eckpunktepapier für ein neues Hochschulgesetz deutlich. Darin heißt es, dass es „der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden vor Ort“ obliegt, „Anwesenheit dort vorzusehen, wo sie mit Blick auf den angestrebten Lernerfolg sachgerecht sind, und umgekehrt Anwesenheit dort nicht anzuordnen, wo sie – wie etwa bei Vorlesungen – offensichtlich keinen Sinn machen.“

Weitere Details zur geplanten Regelung konnte das zuständige Ministerium für Kultur und Wissenschaft unserer Redaktion noch nicht mitteilen, denn: „Der gesamte gesetzgeberische Prozess wird sich in diesem Fall ja bis weit ins Jahr 2019 ziehen.“ Doch soll „die Ausgestaltung z.B. des Themas Anwesenheitspflicht künftig den Hochschulen obliegen.“ Das bedeutet laut Pressesprecher des Ministeriums: „Wir wollen uns in diesem Bereich eben nicht (mehr) einmischen.“

AStA fordert Landesregierung auf „von diesem Vorhaben schnellstmöglich Abstand zu nehmen“

Der von Jusos, Grünen und Die LISTE getragene Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) verweist auf blickfeld-Nachfrage auf eine einstimmige beschlossene Stellungnahme des Studierendenparlamentes (StuPa) vom 4. Oktober 2017 zu diesem Thema. Darin lehnt das Wuppertaler StuPa bzw. die elf anwesenden von insgesamt 21 Parlamentariern „das Vorhaben der Landesregierung, die bestehenden Regelungen zur Anwesenheitspflicht dahingehend zu ändern, wieder mehr Anwesenheitspflichten zuzulassen“, ab. Diese würden „eine zusätzliche Einschränkung und unverhältnismäßige Belastung von Studierenden“ darstellen, „die neben ihrem Studium Kinder großziehen, Verwandte pflegen oder einen Nebenjob ausüben müssen.“ Zudem würde eine Anwesenheitspflicht „den Grundsätzen eines selbstbestimmten Lernens und Lehrens“ widersprechen. In einer Pressemitteilung forderte der damalige AStA-Vorsitzender Markus Wessels (Jusos) die Landesregierung auf, „von diesem Vorhaben schnellstmöglich Abstand zu nehmen.“

StuPa-Opposition lehnt Anwesenheitspflicht ab

Die Liberalen Hochschulgruppen (LHG) sprechen sich laut des Vorsitzenden der Wuppertaler Hochschulgruppe, Robin Hölter, „grundlegend in ganz Deutschland gegen Anwesenheitspflichten aus“ und fordern „moderne Lehrformate (…) die z. B. das Lernen von Zuhause aus ermöglichen.“ Dass die Entscheidung über eine Anwesenheitspflicht „nun von der Landesregierung auf die einzelnen Universitäten verlegt wird, ändert nichts an dieser Position.“ Zugleich kündigt die LHG an, ihre Position „an die entsprechenden entscheidungstragenden Gremien“ innerhalb der Universitäten zu kommunizieren.

Mike Stephan vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) an der Wuppertaler Universität verweist auf die Beschlusslage des Bundes- und Landesverbandes, in der „wir uns gegen allgemeine Anwesenheitspflichten aussprechen, da diese nicht mehr in eine moderne und flexible Universität gehören – mit Ausnahme von Veranstaltungen, wo dies zwingend notwendig ist, zum Beispiel in Laborpraktika.“

Hochschulleitung will die gesetzliche Regelung abwarten

Wie eine Pressesprecherin der Universität gegenüber blickfeld erklärte, werde die Hochschulleitung „vor etwaigen Entscheidungen natürlich abwarten, bis das neue Gesetz tatsächlich feststeht.“ Jedoch könne davon ausgegangen werden, „dass keine generelle Anwesenheitspflicht für Vorlesungen eingeführt wird. Weiteres bleibt abzuwarten.“ »mw«

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